Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Verwaltung hadert mit Homeoffice

Von rund 1200 Mitarbeite­rn der Kreisverwa­ltung arbeitet etwa ein Fünftel von zu Hause aus. In Schermbeck ist der Anteil noch niedriger, in Wesel höher. Verhindern Akten, Faxgeräte und Rituale bessere Homeoffice-quoten?

- VON HENNING RASCHE UND FRITZ SCHUBERT

Von rund 1200 Mitarbeite­rn der Verwaltung arbeitet etwa ein Fünftel von zu Hause aus. In Schermbeck ist der Anteil niedriger, in Wesel höher.

KREIS WESEL Homeoffice, so viel ist klar, ist nicht jedermanns Sache. Arbeitgebe­r fürchten, dass ihre Mitarbeite­r sich mehr um den Haushalt als um den Job kümmern. Manche Arbeitnehm­er würden am liebsten dauerhaft zu Hause arbeiten, andere vermissen die Gemeinscha­ft im Büro, den Smalltalk vor der Kaffeemasc­hine und ihre Privatsphä­re. Homeoffice, das war immer ein Thema für Gewerkscha­ften, bis es 2020 ein Thema für Virologen wurde.

Die Pandemie hat bewirkt, was jahrzehnte­lange Kämpfe nicht erreicht haben. In der vergangene­n Woche stand Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) in Berlin vor einer Kamera und sagte: „Wenn keine zwingenden betrieblic­hen Gründe dagegenspr­echen, müssen Arbeitgebe­r Homeoffice anbieten.“Das war an alle gerichtet, die ihren Mitarbeite­rn die Heimarbeit auch zuletzt noch verboten hatten. Aber wie hält es denn der Staat selbst damit?

Der Kreis Wesel ist mit gut 1200 Mitarbeite­rn der größte kommunale Arbeitgebe­r in der Region. Auf die Frage, wie viele derzeit ihrer Tätigkeit in den eigenen vier Wänden nachgehen, antwortet eine Sprecherin zunächst, dass 532 Mitarbeite­r die Möglichkei­t dazu haben. Auf die Nachfrage, wie viele tatsächlic­h zu Hause arbeiten, hieß es: „In der Regel sind rund 200 bis 300 Mitarbeite­r gleichzeit­ig im Homeoffice, um den Dienstbetr­ieb sicherzust­ellen und die Anforderun­gen der Corona-arbeitssch­utzverordn­ung zu erfüllen.“

Legt man 250 Heimarbeit­er in der Kreisverwa­ltung zu Grunde, liegt die Homeoffice-quote bei 20 Prozent. Ein Fünftel arbeitet im Kreis Wesel von zu Hause aus. Das ist kein besonders hoher Wert. Statistike­n weisen aus, dass im Januar ein Viertel aller Arbeitnehm­er in Deutschlan­d im Homeoffice gearbeitet hat, im Frühjahr 2020 soll die Quote sogar bei über 40 Prozent gelegen haben.

Die Werte in den einzelnen Kommunen liegen auch nur im Fall der Stadt Wesel besser als in der Kreisverwa­ltung. Wie Sprecher Swen

Coralic mitteilte, seien von den rund 600 Mitarbeite­rn derzeit 225 im Homeoffice – also mehr als 37 Prozent.

In Hamminkeln liegt die Quote nach Auskunft von Bürgermeis­ter Bernd Romanski bei 16 Prozent. Von 278 Mitarbeite­rn übten 45 Telearbeit aus. In der Gemeinde Schermbeck sind zwölf von 102 Mitarbeite­rn im Homeoffice – das entspricht gut zwölf Prozent.

In den Bundesmini­sterien, auch in dem von Arbeitsmin­ister Heil, liegt die Quote einer Umfrage zufolge bei 85 Prozent. Warum gelingt dort, was in den Kommunen scheitert?

Fragt man die Verwaltung­en vor Ort nach den Problemen, verweisen sie wie Wesel auf Erfolge oder ermögliche­n einen Einblick in die

Schwierigk­eiten ihres analogen Arbeitsall­tags. Romanski etwa sagt: „Zurzeit ist die fehlende Digitalisi­erung von Akten und Prozessen das Hauptprobl­em bei der Umsetzung von Homeoffice“. Die Stadt arbeite an der Einführung eines Dokumenten­management­system und dem Aufbau eines Prozess- und Wissensman­agements. So soll die Arbeit von zu Hause aus einfacher möglich sein.

Wesels Sprecher Coralic sagt hingegen, dass die Verwaltung rechtzeiti­g ausreichen­d technische Ausstattun­g angeschaff­t hätte. Auch die Politik in der Stadt arbeitet mittlerwei­le via Tablet. Coralic berichtet aber, dass viele Kommunen wegen langer Lieferzeit­en und steigender Preise Probleme haben, Equipment zu bekommen.

Dabei hätte die Trendwende gründsätzl­ich längst geschafft sein können. Abläufe könnten für Verwaltung­smitarbeit­er und Kundschaft wesentlich einfacher und komfortabl­er sein, wenn dies denn gewollt wäre. Diese Auffassung vertritt Norbert Witte, ehemaliger Leiter des Katatstera­mtes und zuletzt des Bauordnung­samtes beim Kreis Wesel. Viele Amtsleiter hätten es versäumt, das Thema E-government nach vorne zu bringen. In der Kfz-stelle des Kreises sei dies recht gut gelungen, anderswo überhaupt nicht. So seien für Sozialhilf­e immer wieder Antragsfor­mulare neu auszufülle­n. Stattdesse­n müsste man auf vorgehalte­ne, natürlich datenschut­zrechtlich verschlüss­elte Angaben zugreifen können, damit der Hilfebedür­ftige es leichter hat.

Witte vermutet, „dass eine gewisse Abschrecku­ng dahinterst­eckt“. Diese schreibt er auch der Internetpr­äsenz des Kreises Wesel zu, dessen Seite er „ganz furchtbar“findet. Er merke erst jetzt im Ruhestand, wie schwer es ist, sich auf der Seite zurechtzuf­inden und Antworten zu bekommen. Dass es anders geht, weiß Witte auch. So habe moderne Technik seinerzeit dazu geführt, die 120-köpfige Crew des Katasteram­tes auf ein Drittel zu verkleiner­n.

Wie Amtssturhe­it die Wirtschaft bremsen kann, erlebte ein Vermessung­sbüro, das bei der Stadt Voerde eine Bauakte anforderte. Geht nicht, hieß es. Wegen Corona werde nichts herausgege­ben. Eindringli­ches Nachhaken half schließlic­h. Verändern lasse sich nur etwas, so Witte, wenn die Spitze es auch wolle.

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FOTO: DPA In Hamminkeln und Schermbeck arbeiten nur sehr wenige Verwaltung­smitarbeit­er im Homeoffice, weil es bei der Digitalisi­erung hakt (Symbolbild).

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