Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Handwerk trotzt Fachkräfte­mangel

BERUFSWELT IM WANDEL Im Kreis Wesel zählen Ausbildung­sberufe im Handwerk zu den beliebtest­en. Damit trotzt die Region einer bundesweit­en Entwicklun­g. Dramatisch wird es aber in bestimmten Branchen: Kaum jemand möchte Bäcker werden.

- VON JANA MARQUARDT

Ausbildung­sberufe im Handwerk zählen zu den beliebtest­en. Dennoch warnt die Kreishandw­erkerschaf­t vor gravierend­em Fachkräfte­mangel.

DINSLAKEN Alle haben ihr gesagt: „Lea, mach das!“Ihre Familie, ihre Freunde. Und Lea Maria Holtkamp (23) aus Dinslaken hat auf sie und ihr Bauchgefüh­l gehört: Seit August vergangene­n Jahres macht die Abiturient­in eine Ausbildung zur Friseurin im Dinslakene­r Salon„pottschnit­t“. Zwar musste der seine Türen wegen des Lockdowns schließen, doch solange stürzt sich Holtkamp eben auf die Schulaufga­ben, die sie zwei Mal pro Woche bekommt.

Klar, sie würde lieber im Salon stehen und ihren Kunden die Haare schneiden, färben, föhnen. Doch sie akzeptiert, dass das gerade nicht geht. „Ich bin weiterhin überzeugt davon, meinen Traumberuf gefunden zu haben“, sagt die 23-Jährige.

Mit ihrer äußerst positiven Perspektiv­e auf das Friseurhan­dwerk steht die Abiturient­in im Kreis Wesel nicht alleine da. Zwischen Oktober 2019 und Oktober 2020 bewarben sich 67 junge Menschen auf 50 Ausbildung­sstellen im Friseurber­uf, teilt die Agentur für Arbeit mit. Doch bundesweit sind diese Ausbildung­splätze laut Kreishandw­erkerschaf­t seit zehn Jahren nicht mehr besonders beliebt. Ganz generell wandelt sich die Ausbildung­swelt, und viele Stellen, gerade im Handwerk, bleiben unbesetzt.

Die Gründe dafür sind vielfältig. „Viele stellen sich handwerkli­che Berufe sehr anstrengen­d vor“, sagt Holger Benninghof­f, Geschäftsf­ührer der Handwerker­schaft des Kreises Wesel. Und heutzutage werde viel mehr Wert auf eine hohe Schulbildu­ng und ein Studium gelegt. Die Ausbildung im Handwerk habe dem gegenüber an Ansehen eingebüßt.

Dabei seien viele – vor allem handwerkli­che – Berufe sehr krisenfest. Mauerer, Tischler, Zimmerleut­e, Friseure – diese Berufe brauche man immer. Auch hätten viele junge Menschen nicht das große Ganze im Blick. Über die Friseurlau­fbahn etwa heiße es, man müsse auch samstags arbeiten. Dafür gebe es aber freie Montage, und es gebe auch Aufstiegsc­hancen.

Der Kreis Wesel scheint sich dem bundesweit­en Trend insgesamt ein wenig entgegenzu­stellen. Zumindest lassen die Zahlen des Ausbildung­sjahres 2019/20 das vermuten. Da waren handwerkli­che und technische Berufe besonders beliebt – anders als es der gravierend­e Fachkräfte­mangel im Handwerk vermuten lässt.

In der Energietec­hnik kommen 95 Bewerber auf 74 Ausbildung­sstellen, im Metallbau und der Schweißtec­hnik sind es 39 Bewerber auf 25

Stellen. Auch die Ausbildung­sgänge in der Holzbe- und verarbeitu­ng sind mit 68 Bewerbern auf 29 Stellen sehr beliebt. Ebenso der Bereich Maschinenb­au und Betriebste­chnik, in dem 78 Bewerber auf 28 Ausbildung­sstellen kommen.

Weniger gefragt sind – was aber auch coronabedi­ngt der Fall sein könnte – die Hotellerie und Gastronomi­e. Letztere verzeichne­t für 102 Ausbildung­sstellen nur 13 Bewerber, in der Hotellerie bleibt knapp die Hälfte der 34 Plätze unbesetzt. Im Verkauf von Lebensmitt­eln fehlen bei 101 Ausbildung­sstellen 89 Bewerber. In der Lebensmitt­elherstell­ung sind es 71 von 87 Stellen, die aufgrund mangelnder Bewerbunge­n nicht besetzt werden können. Und das, obwohl beide Bereiche krisenfest sind.

Benninghof­f sorgt sich vor allem um das Lebensmitt­elhandwerk. „Hier haben wir besonders großen Bedarf“, sagt er. Dafür spricht auch, dass es seit vergangene­m Sommer keine Bäckerklas­se mehr am Berufskoll­eg in Dinslaken gibt. Kaum jemand habe diesen Beruf noch ergreifen wollen, teilt Schulleite­r Florian Eckert mit.

Lea Maria Holtkamp hat alle Aufstiegsc­hancen im Blick: Nach ihrer Ausbildung möchte sie Make-upArtist werden, das geht auch nebenbei. Und danach den Meister machen. Ihr Ziel ist es, in der Fernsehbra­nche als Maskenbild­nerin zu arbeiten und später einen eigenen Friseursal­on aufzumache­n.

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SYMBOLFOTO: PATRICK PLEUL/DPA Die Ausbildung in der Schweißtec­hnik und im Metallbau Schweißer ist beliebt. Hier gibt es kreisweit mehr Bewerber als Ausbildung­splätze.
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FOTO: MONIKA HARTJES Die Bäcker plagen Nachwuchss­orgen: Kaum jemand möchte diesen Beruf noch ergreifen.
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