Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Immer neue Kredite sind nicht die Lösung
Ausgerechnet aus dem Machtzentrum der Bundesregierung kommt der Vorschlag, das Grundgesetz zu ändern, um die Schuldenbremse für einige weitere Jahre auszusetzen. Helge Braun, Intimus der Kanzlerin, hat damit ein kleines Erdbeben in der Union ausgelöst. Denn er stellt nicht weniger als den Markenkern der Union der vergangenen Jahre infrage, der da hieß: keine neuen Schulden in guten Zeiten und schnellstmögliche Rückkehr zum ausgeglichenen Haushalt.
Braun liegt zwar richtig damit, dass die Antwort auf die Jahrhundertkrise nicht sein darf, Abgaben und Steuern zu erhöhen oder Ausgaben spürbar zu kürzen, nur um die Schuldenbremse wieder einhalten zu können. Doch beides wäre aus heutiger Sicht nicht nötig, um in einer vertretbaren Zeit von zwei Jahren ab 2023 wieder zum ausgeglichenen Haushalt zurückzukehren. Die Koalition setzt zu Recht auf die Rückkehr des Wachstums nach dem Lockdown: Die Wirtschaft hat im letzten Herbst gezeigt, dass sie in der Lage ist, stark aus der Krise herauszuwachsen. Schon jetzt ist die fiskalische Situation weniger desolat als angenommen. Der Bund machte 2020 fast 90 Milliarden Euro weniger neue Schulden als geplant. Der Finanzminister verfügt auch noch über eine stattliche Rücklage.
Eine Grundgesetzänderung wäre auch nur für einen hohen Preis zu haben: das Ausufern der Schulden. Denn Sozialdemokraten, Grüne oder Linke würden sich ihre notwendige Zustimmung im Bundestag teuer abkaufen lassen. Die Pandemie soll wegen der enormen Herausforderungen der Zukunft bei Klimaschutz, Digitalisierung und Demografie offenbar als Vorwand für den Weg in eine dauerhafte Verschuldung herhalten. Zur Lösung dieser Aufgaben sind aber anstrengendere Rezepte nötig als der einfache Weg der Kreditfinanzierung.
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