Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ein groteskes Demokratieverständnis
Der Putsch in Myanmars Hauptstadt Naipyidaw kam am Montag nicht ohne Vorspiel. Schon in der vergangenen Woche hatten die Vertreter des Militärs verraten, was sie von der Idee der Demokratie wirklich halten. Am nächsten Tag erregte dann eine Äußerung des Obersten Befehlshabers weiteres Aufsehen: Die Verfassung möge gleich abgeschafft werden, sofern diese nicht respektiert werde. Dies wurde zwar am Wochenende relativiert, man möge das bitte nicht falsch verstehen: Das Militär werde die Verfassung schützen. Am selben Tag aber kam es auf den Straßen von Yangon, der größten Stadt im Land, zu Protesten, die einen Umsturz durch das Militär forderten.
Dabei gibt es hier einen Widerspruch. Für die Machtübernahme fehlt dem Militär eine rechtliche Grundlage. „Es ist ziemlich klar, dass im Falle eines Verfassungsnotstands die Macht überwiegend beim Präsidentenamt liegt und nicht beim Obersten Befehlshaber“, erklärte Melissa Crouch, Rechtsprofessorin und Expertin für Südostasien an der University of South Wales, am Montag. So wäre ein Putsch– selbst sofern die Vorwürfe des Wahlbetrugs zutreffen sollten – nicht gerechtfertigt.
Der Tv-sender MRTV stellte die Sache am selben Tag anders dar. Dort verwies der Nachrichtensprecher auf Artikel 418 der Verfassung von 2008 und las vor: „Um die Wahllisten zu prüfen und Maßnahmen einzuleiten, wird die Macht der nationalen Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung auf den Obersten Befehlshaber übertragen.“Die Gewaltenteilung, die die Justiz von der Regierung unabhängig machen soll, ist damit auch gleich abgeschafft – offiziell, um eine demokratische Verfassung zu schützen. Dieser äußerst ungeniert daherkommende Vorwand zur Machtübernahme zeigt vielmehr: Auch mit der Demokratisierung ab 2008 hat das Militär seine Macht nie wirklich abgegeben. BERICHT UMSTURZ MIT ANKÜNDIGUNG, POLITIK