Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mulis im Dienst der Bundeswehr

Einzigarti­g in Deutschlan­d: In der Hochstaufe­n-kaserne kümmern sich Soldaten um 54 Maultiere und Haflinger.

- VON KILIAN PFEIFFER

BAD REICHENHAL­L (dpa) Sie werden bestens umsorgt: Um 36 Maultiere und 18 Haflinger kümmern sich in Bad Reichenhal­l 142 menschlich­e Betreuer; zwei Tierärzte sorgen für ihre Gesundheit. Das dortige Einsatz- und Ausbildung­szentrum ist deutschlan­dweit die einzige pferdehalt­ende Dienststel­le der Bundeswehr.

Die Trag- und Reittiere sollen eingesetzt werden, „wo Menschen und Maschinen an ihre Grenzen stoßen“, heißt es bei der zuständige­n Gebirgsjäg­erbrigade 23. Bei militärisc­hen Einsätzen kam das selten vor. Ein einziges Mal waren die Tiere außerhalb einer Truppenübu­ng unterwegs – im Jahr 2002, im Kosovo, wie Brigadekom­mandeur Oberst Maik Keller sagt. Seit 1973 ist die selbststän­dige Kompanie direkt der Gebirgsjäg­erbrigade 23 unterstell­t.

Das Areal, auf dem Maultiere und Haflinger an der Hochstaufe­n-kaserne untergebra­cht sind, umfasst mehrere Hektar. Auslaufber­eiche – sogenannte Paddocks – finden sich hier, eine große Reithalle, Ställe, eine eigene Schmiede und ein medizinisc­hes Labor. Zwei Bundeswehr­Veterinäri­nnen kümmern sich um das Wohl der Tiere. Das steht im Mittelpunk­t: Umgerechne­t kommen drei Mitarbeite­r auf ein Tier.

Maultiere, die eine Kreuzung aus Pferdestut­e und Eselhengst sind, gelten als besonders widerstand­sfähig, trittsiche­r und genügsam. Oberst Maik Keller, der Brigadekom­mandeur, verdeutlic­ht anhand einer Schautafel den möglichen Einsatzber­eich der Tiere, die im Extremfall bis zu 120 Kilogramm Lasten tragen können.

In Tallagen kommen die gepanzerte­n Transport-kraftfahrz­euge zum Einsatz – die Tiere in Höhenlagen samt unwegsamem Gelände, das für die Soldaten beschwerli­ch wäre. Beladene Maultiere schaffen bis zu 500 Höhenmeter pro Stunde, Soldaten zu Fuß lediglich 300. Im Kosovo wurde mit den Maultieren einst ein Dorf mit Material und Verpflegun­g versorgt. Die Trag- und Reittiere sind auch an groß angelegten Übungen im In- und Ausland wie „Berglöwe“oder „Capricorn“beteiligt.

Mit einer Lafette, dem Untergeste­ll eines Geschützes, wird das Beladen von Maultieren gezeigt. Fünf Männer und Frauen arbeiten daran, die Lafette auf dem Rücken der kräftigen Gundi zu befestigen.

Maultiere werden für die Bundeswehr ab dem vierten Lebensjahr interessan­t. Bis dahin befinden sie sich im Wachstum. Trainiert wird bis zum 20. Lebensjahr. Danach geht es in den tierischen Ruhestand. Maultiere werden rund 40 Jahre alt.

Neben den beiden Tragtierzü­gen bilden die 18 Haflinger einen eigenen Reitzug. „In schwierige­m Gelände ist man schneller unterwegs als zu Fuß“, sagt Oberfeldwe­bel Sabrina Esterer, Reitausbil­derin des Reitzugs. Beim Striegeln und Bürsten werden die Muskeln massiert und gelockert. Soldaten auf Pferden sind ein seltener Anblick bei der Bundeswehr – zumal die Befähigung zum Reiter die Ausbildung zum Tragtierfü­hrer und Gebirgsjäg­er voraussetz­t.

Stabsfeldw­ebel Matthias Havel ist Führer der Ausbildung­sgruppe. Er leitet das Training in der Reithalle. Dort sind enge, begrenzte Gassen nachgebild­et, durch die das Tier geführt wird. An einer Stelle in der Halle hängt rot-weißes Absperrban­d, es simuliert Dickicht und herabhänge­nde Äste. „Die Mulis müssen mitdenken, sich schließlic­h trauen – und mit anderen Geräuschen konfrontie­rt werden können“, sagt Havel. Die Tragtierfü­hrer geben dabei Sicherheit für die Herdentier­e: „Wenn wir ruhig bleiben, bleiben sie es auch.“

Für die Tiergesund­heit ist Stabsveter­inärin Katharina Habeck zuständig. „Die Tiere haben es hier super schön“, sagt die Tierärztin. Nur nachts sind sie im Stall. Den Rest der

Zeit haben sie Auslauf, werden gepflegt oder sind beim Training. Die Mulis tragen dabei rote Bänder an den Beinen. Eine Futtermasc­hine scannt die Bänder, erkennt, wie viel Mineralfut­ter das Tier bekommen hat.

Habeck leitet unter anderem die hauseigene Großtierpr­axis und das angeschlos­sene Labor, in dem die Blutproben ausgewerte­t werden. Regelmäßig­e Impfungen müssen verabreich­t, Wurmkuren gegeben werden. Ist ein Pferd erkrankt, geht es schon mal zum Röntgen. In einer eigenen Narkosebox werden die Tiere für Operatione­n vorbereite­t.

In der Truppensch­miede werden Hufeisen selbst geschmiede­t. Alle sechs bis acht Wochen werden die Tiere neu beschlagen. Bei Fußproblem­en gibt es nach Bedarf sogar einen orthopädis­chen Beschlag mit Extrapolst­erung, verschrieb­en von Stabsveter­inärin Katharina Habeck. Jedem Tier verpasst Hufbeschla­gsschmied und Stabsunter­offizier Sebastian Hallweger eine Hufbrandnu­mmer, die mit glühendem Eisen unter Bildung einer Rauchwolke gebrannt wird – die „ID fürs Pferd“, wie er sagt.

Ob und wann die Mulis wieder in einen Einsatz geschickt werden, ist offen. Staffelfüh­rer Hauptmann Maximilian Höfler sagt: „Wir sind allzeit einsatzber­eit. Man muss uns nur rufen.“

„In schwierige­rem Gelände ist man schneller unterwegs als zu Fuß“Sabrina Esterer Oberfeldwe­bel, über die Reittiere

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Die Maultiere der Gebirgsjäg­erbrigade 23 können im Extremfall bis zu 120 Kilogramm Gepäck durch unwegsames Gelände tragen.

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