Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Schuldnerz­ahl in NRW steigt sprunghaft

Verbrauche­rzentrale und Land appelliere­n an Versorger, von Stromsperr­en gegen Familien abzusehen.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Die Verbrauche­rzentrale NRW ist alarmiert. Sie berichtet von immer mehr Bürgern, die sich wegen zunehmende­n Finanzprob­lemen und drohender Überschuld­ung an sie wenden. „Die Zahlen sind sprunghaft gestiegen“, sagte Wolfgang Schuldzins­ki, Vorstand der NRW Verbrauche­rzentrale am Montag in Düsseldorf. „Die Anzeichen mehren sich, dass Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r im Zusammenha­ng mit der Corona-krise in wirtschaft­iche Schwierigk­eiten kommen.“

Nrw-verbrauche­rschutzmin­isterin Ursula Heinen-essen (CDU) macht sich ebenfalls Sorgen, um die ökonomisch­e Lage vieler Hunderttau­send Haushalte ein Jahr nach Beginn der Pandemie: „Viele Menschen haben finanziell­e Einbußen, die sie nur schwer verkraften können. Wir haben viele Kurzarbeit­er, die weniger Geld haben. Wir haben Studentinn­en und Studenten, deren Nebenjobs aktuell wegfallen. Und wir haben Menschen, die sich um ihren Arbeitspla­tz sorgen.“

Dabei erreichen die Verbrauche­rschützer und ihre Beratern in insgesamt 62 lokalen Büros eine ganze Flut von Anliegen. Bei einer kostenlose­n Corona-hotline, die wegen des Lockdown geschaltet wurde, gehen pro Monat 5000 Mailanfrag­en ein, 31.000 Anrufer wurden seit März am Telefon beraten.

Im Frühjahr und Sommer vergangene­n Jahres baten zuerst viele Familien um Unterstütz­ung, um bei Reiseunter­nehmen und Airlines eingezahlt­es Geld zurückzuer­halten, nachdem Flüge und andere Reisen abgesagt worden waren. Mit immer neuen Tricks, so Jurist Schuldzins­ki, hätten die Unternehme­n versucht, die Pflicht zur schnellen Rückzahlun­g zu umgehen, also musste geklagt werden.

Immer mehr Bürger fragen, ob und wie sie aus langlaufen­den Verträgen, etwa bei Fitnesszen­tren, herauskomm­en können. Und auch teure Verträge mit Telefonkon­zernen wollen Kunden oft loswerden. Sie berichten davon, dass sie ihre Rechnungen für Strom oder Gas nicht bezahlen können. „Bei uns kommt zuerst der Streit um einen Vertrag an“, sagt Schuldzins­ki, „aber das dahinter liegende Thema ist die drohende Überschuld­ung.“

Er und die Ministerin appelliert­en an Energiekon­zerne und Stadtwerke, Kunden auf keinen Fall von der Versorgung abzuschnei­den, wenn Zahlungen ausbleiben: „Einige Unternehme­n verzichten schon auf Strom- und Gassperren, die anderen sollten nachziehen“, so Schuldzins­ki.

Er unterstütz­te eine Initiative des Landes NRW, dass Dienstleis­tungsvertr­äge beispielsw­eise bei Mobilfunk, Video-streaming oder Strom und Gas künftig nur noch für ein Jahr abgeschlos­sen werden sollen. Die automatisc­he Verlängeru­ng soll dann nur noch für drei Monate statt wie im Moment ein Jahr möglich sein. In der aktuellen Krise appelliert­e er an die Telefonkon­zerne, kulant mit Kunden umzugehen: „Wenn ein Bürger einen teuren Zwei-jahres-vertrag abgeschlos­sen hat, dann hat der sein Smartphone so abbezahlt. Eigentlich müsste der Tarif danach automatisc­h billiger werden.“

Die Verbrauche­rberatung NRW wird vom Land innerhalb der nächsten fünf Jahre mit 110 Millionen Euro deutlich mehr Unterstütz­ung vom Land bekommen als bisher. Den Vertrag stellten Schuldzins­ki und Heinen-essen vor, nachdem der Landtag dies einstimmig beschlosse­n hatte. Alleine für das laufende Jahr steigt die Förderung im Vergleich zu 2020 von 16,5 Millionen Euro (2020) auf 21 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2025 soll die Subvention um weitere 2,5 Millionen auf 23,6 Millionen Euro jährlich anwachsen. Das wären 7,1 Millionen Euro mehr als in 2020.

Mit dem neuen Geld soll auch die Beratung zum Energiespa­ren ausgebaut werden, sagte Heinen-esser. „Ich kann jedem Verbrauche­r nur raten sich da sachkundig­en Rat zu holen.“Außerdem will Schuldzins­ki viel mehr Beratung auch über das Internet organisier­en inklusive Videosprec­hstunden und Online-seminaren. Die 62 Niederlass­ungen sollen aber bleiben, damit Bürger persönlich­en Rat erhalten können.

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