Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Impfstreit darf nicht zum Impfkrieg werden

- VON ANTJE HÖNING

Die Europäisch­e Union ist ein großartige­s Projekt für Frieden und Wohlstand. Doch die Kommission tut derzeit viel, um Europa-verdrossen­heit zu fördern. In Großbritan­nien sehen sich die Brexit-befürworte­r bestätigt: Das Königreich hat nicht nur früher angefangen zu impfen, sondern viel höhere Impfquoten als Deutschlan­d. Das liefert Boris Johnson die beste Munition, den Brexit zu verteidige­n – so falsch dieser für die Briten ist. Die Eu-kommission hat versagt: Im Sommer hat sie nicht genug Impfstoff bestellt, im Herbst nicht genug nachgeorde­rt und noch schlecht verhandelt, wie der Streit um Astrazenec­a zeigt. So weit die sachlichen Fehler. Nun kommen politische hinzu: Plötzlich diskutiert­e die EU Exportbesc­hränkungen und wollte so weit gehen, Ausfuhren zwischen Irland und Nordirland zu kontrollie­ren, damit Impfstoffe nicht heimlich nach Großbritan­nien gehen. Dazu wollte sie sogar den Notfallmec­hanismus des Nordirland-protokolls aktivieren. Das ist kalter Scheidungs­krieg. Die EU lenkte ein, es wird keine Grenzkontr­ollen geben. Doch Ursula von der Leyen steht da als Präsidenti­n, deren Kommission erst die Bestellung vermasselt und dann maximalen politische­n Schaden angerichte­t hat.

In Berlin ist man verärgert, auch wenn die Staaten selbst Fehler gemacht haben. Womöglich verhindert nur die Rücksichtn­ahme auf die deutsche Präsidenti­n ein noch schärferes Eu-bashing. Zugleich wird Ursula von der Leyen mit den wiederholt­en Pannen zum Problem für die Union. Der Impfgipfel hat wie erwartet wenig gebracht. Nun muss von der Leyen ihren Kommissare­n klarmachen: Die erfolgreic­he Impfkampag­ne ist der Ausweg aus der lähmenden Pandemie. Und im Kampf gegen Corona sitzt der Feind nicht im Ausland, sondern im Rachen aller Infizierte­n. Aus dem Impfstreit darf kein europäisch­er Impfkrieg werden. BERICHT DER FAKTENCHEC­K ZUM IMPFSTART, POLITIK

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