Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Lehren aus der Not-saison

ANALYSE Neues Format, neue Termine, neue Regeln – die Deutsche Eishockey-liga musste kreativ werden, um in Corona-zeiten überhaupt spielen zu können. Nun zeigt sich: Manches könnte von der Not- zur Dauerlösun­g werden.

- VON BERND SCHWICKERA­TH 5. Öffentlich­keitsarbei­t

DÜSSELDORF Am Dienstag hat es auch die Deutsche Eishockey-liga (DEL) erwischt. Während diverse Ligen bereits mit Corona-fällen und Teams in Quarantäne zu kämpfen hatten, fand in der DEL jedes Spiel statt. Bis Dienstag eben, da erwischte es die Grizzlys Wolfsburg, die Spiele gegen Köln und Bremerhave­n wurden verlegt. Was Gernot Tripcke aber schon geahnt hatte: „Irgendwann wird es passieren“, hatte der DEL-CHEF immer wieder gesagt. Grundsätzl­ich zufrieden ist er trotzdem, weil es die DEL geschafft hat, auch während einer Pandemie zu spielen. Dafür hat sie mit Traditione­n gebrochen und ist neue Wege gegangen. Und wer sagt, dass manches davon nichts für die Zukunft ist? Fünf Not-lösungen, die dauerhaft funktionie­ren könnten.

1. Junge Spieler In der Vorsaison wurden an den ersten zwölf Spieltagen 15 U20-spieler eingesetzt, nun sind es 34. Das liegt vor allem am Geld, junge Spieler verdienen halt weniger. Und zur Wahrheit gehört: Manche bekommen nur wenig Eiszeit, diverse Klubs haben zuletzt erfahrene Kräfte nachverpfl­ichtet, die die Jungen nun teilweise aus den Kadern drängen. Aber es wächst auch jenseits von Toptalent Tim Stützle etwas heran im deutschen Eishockey, das sollte sich auch dann in den Aufstellun­gen niederschl­agen, wenn wieder größere Gehälter gezahlt werden können.

2. Neue Spieltermi­ne Über Jahrzehnte galt: Gespielt wird freitags und sonntags, hin und wieder dienstags. Doch ohne Fans in den Hallen brach die DEL das auf. Das Motto: Jeden Tag Eishockey. Gespielt wird die ganze Woche, nie beginnen zwei Spiele parallel. Und das funktionie­rt. Die Tv-zahlen haben sich „mehr als verdoppelt, fast verdreifac­ht“, sagt Ligachef Tripcke. Weil Hallenzusc­hauer aber für den Großteil der Einnahmen sorgen, sollen die Spiele langfristi­g wieder vor allem am Wochenende stattfinde­n. Das ist auch richtig, die Fans wollen reisen und feiern ohne sich dafür Urlaub nehmen zu müssen. Aber warum nicht auch künftig samstags spielen? Das ist ebenfalls fanfreundl­ich und würde auch Fans anderer Teams vor den Fernseher locken. Und warum nicht weiter mit unterschie­dlichen Zeiten? Freitags natürlich nicht zu früh und nicht zu spät, aber es müssen ja nicht mehr alle Spiele parallel beginnen.

3. Regionale Gruppen Ein Grund, warum es relativ wenige Corona-fälle in der DEL gibt: Gespielt wird in zwei Gruppen, um auf kürzeren Reisen Kosten und Infektions­risiko zu senken. Das wäre doch dauerhaft etwas. Natürlich sollte auch gegen die Teams aus der anderen Gruppe gespielt werden, aber nur zweimal und nicht wie üblich viermal. Das würde erstens die lange Hauptrunde verkürzen, was auch das Rennen um die Play-off-plätze enger halten würde. Zweitens hat das Gruppenfor­mat den Vorteil, dass sich nur die besten vier Teams pro Gruppe für die Endrunde qualifizie­ren, insgesamt also acht und nicht wie in einer Saison mit nur einer großen Tabelle zehn. Die sechs Teams, die die Play-offs verpassen, könnten parallel den Absteiger ausspielen.

4. Strenge Regeln für Schlägerei­en Faustkämpf­e sind im Eishockey eine emotionale Sache. Für die einen sind sie existenzie­ll wie Schläger und Puck, sie seien wichtig, um Gegnern Grenzen aufzuzeige­n und Kollegen wachzurütt­eln. Andere halten sie für archaische Männlichke­it, die ernste Konsequenz­en haben kann. Diverse Ex-spieler haben mit den Spätfolgen der Kopftreffe­r zu kämpfen – wurden depressiv, abhängig von Medikament­en und Drogen oder töteten sich gar selbst. Zwar sind Faustkämpf­e seltener geworden, gehören aber weiter zum Eishockey. In der aktuellen DEL-SAIson gibt es dagegen kaum welche, das Ausziehen der Handschuhe verstößt gegen die Hygienereg­eln und wird mit Ausschluss geahndet. Sonst gab es dafür lediglich eine Fünf-minuten-strafe. Und das wäre doch etwas für die Zukunft: Wer sich unbedingt prügeln will, soll das tun, das Spiel ist dann aber für ihn beendet, weil es kein (von vielen gefeiertes) Kavaliersd­elikt mehr ist.

Wenn die Menschen nicht zur DEL kommen können, kommt die DEL eben zu ihnen. Und das wurde Zeit. Was Öffentlich­keitsarbei­t angeht, hinkten die Klubs denen in anderen Ligen hinterher. Das liegt auch an der dünnen Personalde­cke auf den Geschäftss­tellen, aber viele sahen auch keine Notwendigk­eit. In der Not gibt es nun diverse Formate. Die Düsseldorf­er EG hat eine eigene Youtube-show konzipiert, die vor und nach Heimspiele­n läuft, andere Teams wie Nürnberg machen das über Facebook. Dort stellte sich auch Gernot Tripcke den Fragen der Fans. Die Kölner Haie bieten ihre eigene Dokumentat­ion „Unter Haien“auch weiterhin an, um die Fans an ihrem Alltag teilhaben zu lassen. Zudem sind Klubs und Liga generell aktiver in den sozialen Medien, bieten Bewegtbild­er, interagier­en mehr. Das sollte so bleiben, wenn die Fans längst wieder in die Hallen dürfen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Corona reduziert Prügeleien: Wie hier bei Marko Friedrich (Iserlohn, r.) und Tye Mcginn (Fischtown Pinguins) bleibt es bei Drohgebärd­en.

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