Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Vom Studium auf die Intensivstation
Viele Krankenhäuser geraten aufgrund der steigenden Infektionszahlen gerade an ihre Belastungsgrenzen. Einige setzen daher auf freiwillige Helfer. Eine Studentin berichtet von ihren Erfahrungen als Aushilfskraft auf der Corona-station.
Der Lockdown hat Deutschland seit Wochen fest im Griff, und in den Krankenhäusern hat sich die Lage trotz zahlreicher Eindämmungsmaßnahmen inzwischen zugespitzt. Besonders die unterbesetzten Pflegekräfte bekommen das zu spüren. Um die Situation zu entschärfen, setzten Krankenhäuser deshalb nun auch freiwillige Medizinstudenten ein. Emma* ist eine von ihnen. In ihrem zweiten Semester hat sie sich entschlossen, neben dem Studium auf einer Corona-intensivstation in Berlin auszuhelfen.
Der Entschluss dazu kam für Emma relativ spontan. Kurz vor Weihnachten landete eine E-mail in ihrem Postfach: Die Kliniken suchten dringend Unterstützung. Ohne einen Plan für Heiligabend zu haben, beantwortete Emma die E-mail. Von da an ging dann alles sehr schnell. Wenige Tage später, ausgerechnet an Heiligabend, klingelte ihr Wecker zum ersten Mal zur Frühschicht.
Sicherheit geht vor
Die beginnt schon um 6:30 Uhr. Am ersten Tag lief Emma noch bei einer anderen Studentin mit. Mittlerweile hat sie eigene Aufgabenbereiche. Bei ihrer Arbeit trägt sie nun blaue Krankenhauskleidung und eine FFP2Atemschutzmaske. Emmas wichtigste Aufgabe besteht darin, Spritzen mit den richtigen Medikamenten aufzuziehen, die dann am Krankenbett zum Einsatz kommen. Tag und Nacht sind die Intensivpatienten auf verschiedene Medikamente angewiesen, die ohne Pause über einen Zugang in die Blutlaufbahn verabreicht werden.
Da Emma den Patienten regelmäßig Blut abnehmen muss, hat sie auch direkten Kontakt mit CoronaInfizierten. Damit sich dabei niemand ansteckt, gibt es spezielle Sicherheitsvorkehrungen: Bevor sie im Patientenzimmer mit der Blutabnahme beginnen darf, muss sie noch vor der Tür einen Schutzanzug und eine Schutzbrille anziehen. Die Blutprobe kommt dann zur Überprüfung in eine Art Mini-labor, das sich allerdings in einem anderen Zimmer befindet. Das heißt, die Schutzbrille und der Anzug müssen vor dem Rausgehen noch im Patientenzimmer wieder ausgezogen werden. Mit dieser Methode versucht das Krankenhaus, eine Ansteckung des Pflegepersonals zu verhindern. „Durch die Schutzkleidung habe ich keine Angst, mich anzustecken. Außerdem kann ich mich natürlich jederzeit testen lassen. Das gibt mir ein gutes Gefühl,“berichtet Emma.
Der Tod ist Teil der Arbeit
Obwohl sich mit jeder Schicht etwas mehr Routine einstellt, muss Emma sich immer wieder neu an die Situation im Krankenhaus gewöhnen. Das liegt auch an der großen Verantwortung, die sie trägt. „Vor meiner Arbeit im Krankenhaus habe ich an der Universität größtenteils online gelernt. Die Arbeit auf der Intensivstation ist da natürlich etwas ganz anderes und kann manchmal auch überfordernd sein“, erklärt sie. Das mache sich vor allem in Extremsituationen bemerkbar: Der Tod von Patienten ist ein Teil der Arbeit auf der Intensivstation, mit dem sie erst umzugehen lernen musste. Rückblickend erzählt sie: „Es war vor allem am Anfang eine ungewohnte Vorstellung, sich nicht sicher zu sein, ob ein Patient oder eine Patientin bei der nächsten Schicht noch da ist.“Dennoch findet Emma großen Spaß in ihrer Arbeit, da sie viele Dinge nun auch mal in der Praxis erleben und von den fest angestellten Pflegekräften lernen kann.
Nun beginnt allerdings bald die Klausurenphase an der Uni. Das wissen auch die Kliniken und zeigen sich deshalb besonders flexibel bei ihren studentischen Aushilfen. Bei Emmas Zeit auf der Intensivstation ist aber auch ein Ende in Sicht: Ihr Arbeitsvertrag läuft erst mal nur bis März. Zusammen mit den ersten Impfungen sollen die Corona-maßnahmen bis dahin ihre Wirkung zeigen, damit die Intensivstationen entlastet werden und es keinen Bedarf mehr an studentischen Aushilfen gibt. Mit Blick in die Zukunft sagt Emma: „Einen Nebenjob im Krankenhaus kann ich mir auch in Zukunft sehr gut vorstellen. Besonders freue ich mich schon auf die Zeit, in der die Uni endlich nicht mehr ausschließlich online stattfindet.“
* Name von der Redaktion geändert