Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
DINSLAKEN Qualitätssiegel fürs Adipositaszentrum
Das St.-vinzenz-hospital freut sich über die Anerkennung als Kompetenzzentrum. Rund 50 Patienten, die an krankhafter Fettleibigkeit leiden, werden hier pro Jahr behandelt. 2019 verloren diese insgesamt 2554 Kilogramm.
DINSLAKEN (big) Da gibt es den jungen Mann, der 329 Kilogramm auf die Waage bringt, eine Spezialwaage versteht sich. Oder der Jumbo-jet-pilot, der kaum noch ins Cockpit passt, die Armaturen unter sich nicht mehr sehen kann – sie alle und ihre Geschichte kennt Klaus Peitgen, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie und Leiter des Adipositaszentrums am St. Vinzenz-hospital. Zwei von vielen Fällen, die den Weg in die Praxis des Dinslakener Arztes gefunden haben, zwei Patienten von vielen, denen man im Adipositaszentrum helfen konnten. Nun wurde das Adipositaszentrum von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie als Kompetenzzentrum für Adipositaschirurgie zertifiziert.
„In Duisburg und am Niederrhein leben die dicksten Menschen Deutschlands, das ist statistisch erwiesen“, sagt Peitgen. Nicht selten finde man unter ihnen Bmi-werte von 100. Eine Super-fettleibigkeit also, hervorgerufen durch die verschiedensten Umstände. Rund 50 Patienten pro Jahr behandelt man im Vinzenz-krankenhaus. In 2018 verloren diese Patienten genau 2670 Kilo an Übergewicht, in 2019 waren es 2554 Kilo, das entspricht pro Patient einem Gewichtsverlust von 50 bis 60 Kilo im ersten Jahr seiner Behandlung. „Bei Adipositas, der krankhaften Fettleibigkeit, handelt es sich mittlerweile um eine als eigenständig anerkannte Ernährungs- und Stoffwechselkrankheit“, erklärt Klaus Peitgen. „Die Patienten leiden oft neben ihrem Übergewicht an Folgeerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Arthrosen oder schweren Herz-kreislauf-erkrankungen, die zum Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können.“Seit einigen Jahren nimmt sich das St. Vinzenz-hospital der an Adipositas erkrankten Menschen an.
„Der Zertifizierungsprozess war sehr intensiv. Der externe Prüfer hat in jedem Winkel unseres Zentrums geschaut und uns komplett durchleuchtet“, berichtet Klaus Peitgen. Diese Zertifizierung stellt ein Qualitätssiegel für die Arbeit der Chirurgen im Adipositaszentrum dar, an dem sie sich immer wieder messen müssen. Eine Zertifizierung legt Regeln und Standards fest, wertet Kompetenzen. Als Kompetenz-zentrum anerkannt zu sein, kann wichtig sein für ein Krankenhaus.
Sollte es irgendwann einmal zu einer Krankenhausreform kommen, Krankenhäuser geschlossen werden, so wie es der Wille der Politik vor der Corona-pandemie war, könnten sich Kompetenzzentren als Retter erweisen, so Peitgen.
In erster Linie aber bringe die Zertifizierung enorme Vorteile für den Patienten, sagt der Chefarzt, denn durch sie werde eine hohe Qualität und Kontinuität garantiert. „Alle Abläufe sind sinnvoll standardisiert, es werden die modernsten Instrumente und Techniken eingesetzt, wodurch die Komplikationsrate äußerst gering ist“, so Peitgen. Auch eine lebenslange Nachsorge würde das zertifizierte Adipositaszentrum leisten. „Um eine solche Zertifizierung zu bekommen sind zahlreiche aufwendige Arbeiten vorher zu schaffen“, berichtet der Chefarzt. Mehr als drei Kompetenzzentren pro Abteilung könne ein Krankenhaus nicht stemmen. In seinem Bereich, der Allgemein- und Viszeralchirurgie, hat Peitgen noch einige Visionen. So plant er ein Kompetenzzentrum für Hernienchirurgie und der Minimal-invasiven Chirurgie zu schaffen.
Aber erst einmal ist das Adipositaszentrum zertifiziert. Hier kümmern sich Chirurgen und andere Ärzte, Psychologen, Ernährungsberaterinnen, eine Selbsthilfegruppe und eine Fachkoordinatorin um die Patienten. „Primäres Ziel unserer Behandlung ist es nicht nur, dass die Patienten ihre Pfunde verlieren“, so der Geschäftsführende Oberarzt Christian Pitt, der neben dem Chefarzt als Hauptoperateur im Bereich Adipositas fungiert. „Wir wollen auch, dass unsere Patienten durch die Gewichtsabnahme ihre schwerwiegenden und teils lebensbedrohlichen Begleiterkrankungen in den Griff bekommen. Das gelingt nach einer Operation fast immer.“
Am Anfang der Behandlung steht eine konservative Therapie, heißt: die Patienten müssen konsequent abnehmen. Erst wenn die Therapie ausgeschöpft ist und weiterhin ein Übergewicht besteht, folgt eine Operation: der Magen wird operativ verkleinert oder umgeleitet.