Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ich halte mich nicht an personalichen Erfolgen fest"
Dinslakens Bürgermeisterin Michaela Eislöffel über ihren Start in der Corona-zeit, über Transparenz und Fairness in der Politik.
DINSLAKENDAS Büro im Rathaus hat Michaela Eislöffel nicht groß umgeräumt. Hier der Schreibtisch, da der kleine Konferenztisch. Die Zimmerpalme an der hinteren Wand ist neu, oder vielleicht ist es auch die alte, nur ein paar Meter weggeschoben. Trotzdem hat Bürgermeisterin Eislöffel ihren neuen Platz im Rathaus im Wortsinn „eingenommen“. Das ist spürbar im Gespräch – und zwar obwohl sie selbst immer wieder betont, wie viel noch zu tun ist.
Die erste Zeit im Amt ist rum. Wie ist Ihre Bilanz?
MICHAELA EISLÖFFEL Das Wort ,Bilanz’ ist gut! Ich sehe nur Arbeitsaufträge. Es gibt viele Themenfelder, die sich in den letzten Monaten eröffnet haben. Ein bisschen wehmütig bin ich wegen der Bedingungen, unter denen ich angefangen habe. Als ich gesagt habe: ,Ja, ich möchte Bürgermeisterin für Dinslaken werden’, da war Corona noch gar kein Thema, da haben wir hier und da mal Nachrichten aus China gehört. Und jetzt stecken wir mittendrin. Ich hatte mit Blick auf Bürgerbeteiligung und den Umgang miteinander, auch in der Verwaltung, eine ganz andere Vorstellung, als der Alltag das jetzt möglich macht. Wir leben in Telefonkonferenzen und Videokonferenzen, es finden keine Veranstaltungen statt. Das macht es mir gerade ein bisschen schwer.
Transparenz war im Wahlkampf ein großes Thema. Sie haben gesagt, die Menschen wollen rechtzeitig informiert werden vor wichtigen Entscheidungen, wollen echte Bürgerbeteiligung. Haben Sie denn etwas anstoßen können, um die Verhältnisse zu ändern?
EISLÖFFEL Wir sind in Gesprächen, dass wir uns an der ein oder anderen Stelle Hilfe von außen holen. Wir haben zum Beispiel das Unternehmen Ifok, mit dem wir auch beim Thema L4n zusammenarbeiten. Wir haben uns auch darüber ausgetauscht, in welchem Rahmen Veranstaltungen digitaler Art möglich sein könnten. Wir sind noch nicht so weit, dass wir sagen könnten: Genau so setzen wir es um. Aber die Richtung ist vorgegeben.
Sie haben im Wahlkampf gesagt, Sie wollen „moderierend zu sinnvollen Einigungen kommen“. Wie läuft es denn damit im Stadtrat mit seinen ganz neuen Machtverhältnissen? Klappt das mit dem Moderieren und Einigen?
EISLÖFFEL Ich bin mir relativ sicher, dass Diskussionen jetzt anders geführt werden als früher. Einige Ratsmitglieder haben schon die Befürchtung geäußert, dass Sitzungen in Zukunft länger dauern, weil über Themen mehr geredet wird. Ich denke, wir müssen uns einfach darüber austauschen, wie wir zu guten Findungsprozessen kommen und wie wir fair miteinander umgehen. Einer meiner Schwerpunkte ist, das zuzulassen und zu gestalten. Das führt zu Transparenz und zu einem guten miteinander. Es geht doch eigentlich um das Wohl der Stadt, das muss doch möglich sein.
Ein bisschen unbefriedigend sind die demokratischen Prozesse im Augenblick, weil eben nicht genügend beraten und gestritten werden kann. Nämlich, weil die Ratsausschüsse nicht tagen. Warum will die Stadtverwaltung keine „digitalen Ausschusssitzungen“? Da ginge es ja nicht um die Ratsbeschlüsse – was spricht gegen den Vorschlag?
EISLÖFFEL Es geht ja auch in Ausschuss-sitzungen um Beschlüsse, die dann in andere Gremien weitergegeben werden. Und die Gemeindeordnung lässt es einfach nicht zu, dass Ausschüsse, die Beschlüsse fassen, digital tagen und abstimmen. Der Städte- und Gemeindebund hat da auch eine ganz klare Position zu. Es ist nicht so, dass die Stadt das nicht will. Es ist nicht so, als würden wir uns versperren. Sondern: Wir sehen aktuell keinen rechtlichen Weg. Obwohl offenbar in einzelnen Städten Ausschüsse tagen – möglicherweise nur beratend. Vielleicht ergeben sich da noch Möglichkeiten, das prüfen wir.
Es hat die Forderung gegeben, Kämmerei und Baudezernat zu trennen. Unter anderem von der UBV, der FDP und den Grünen. Das Argument dafür: Das eine Ressort will Projekte durchbringen, das andere will das Geld zusammenhalten, das geht nicht gut zusammen. Wie sehen Sie das?
EISLÖFFEL Ich habe die Diskussion wahrgenommen, ich habe sie auch im Hinterkopf, aber ich bin im Moment noch in der Phase, mich zu orientieren. Solche Entscheidungen trifft man ja nicht nach drei Monaten, das wäre aus meiner Sicht unprofessionell. Geben Sie mir noch ein bisschen Zeit. Vielleicht wird die Diskussion auch aus der Politik heraus noch mal aufgenommen.
Die kleine Wählergemeinschaft AWG ist von den Menschen in den Rat gebracht worden. Sie hat aber kein Stimmrecht in irgendeinem Ausschuss. Und wegen der Corona-beschränkungen fällt jetzt der Hauptausschuss die Beschlüsse, nicht der Rat, und die AWG ist komplett kaltgestellt. Warum ist das okay?
EISLÖFFEL Es ist einfach eine rechnerische Angelegenheit, dass die AWG rausfällt. Sie kann teilnehmen, aber sie hat kein Stimmrecht und ist dann Gast in den Sitzungen. Davon kann sie Gebrauch machen und ist dazu eingeladen.
Aber es ist kein Automatismus, dass es rechnerisch so ist. Die Größe der Ausschüsse ist ja politisch beschlossen.
EISLÖFFEL Ja, aber es ist im Stadtrat so abgestimmt worden. Die Ausschuss-größe ist auf 14 begrenzt worden. So sind demokratische Prozesse: Die Mehrheit hat so entschieden.
Haben Sie schon Kontakte zu den Nachbarkommunen Hünxe und Voerde geknüpft? Gibt es Dinge, zu denen Sie die Gemeinden gerne zusammenbringen würden?
EISLÖFFEL Wir haben schon erste Gespräche geführt, natürlich erstmal zum Kennenlernen. Interkommunale Zusammenarbeit ist auf jeden Fall ein Thema mit beiden Gemeinden. Natürlich wurde mit Hünxe die L4n kurz angesprochen. Da müssen wir gucken, wie der Prozess weitergeht.
Möchten Sie dazu eine Hoffnung äußern?
EISLÖFFEL Das ist ein Dialogprozess, da sind viele Menschen beteiligt. Nein, erstmal nicht.
Was sind Ihre nächsten großen Baustellen?
EISLÖFFEL Mir Verwaltungsprozesse genauer anzugucken: Wie kann sich Verwaltung entwickeln und modern aufstellen? Das Team um mich herum kennenzulernen: Wo sind die Fähigkeiten und Stärken, wie können wir die sinnvoll einsetzen? Mit Blick auf die Menschen in der Stadt: Gut durch die Corona-pandemie zu kommen. Und: Die Schnittstelle zur Politik gut ausfüllen zu können. Als parteilose Bürgermeisterin habe ich viele Freiheiten, aber dafür muss ich um Unterstützung und Mehrheiten anders ringen als jemand, der den Rückhalt einer Partei hat. Von vornherein ein Team im Rücken zu haben ist etwas anderes, als sich eins bilden zu müssen.
Haben Sie in der Zeit, in der Sie jetzt da sind, persönliche Erfolge gefeiert?
EISLÖFFEL Ich sehe das so nicht. Ich halte mich nicht an persönlichen Erfolgen fest. Ich arbeite eher ab. Und ich versuche, mir und meinen Prinzipien dabei treu zu bleiben. Das ist mir wichtig.