Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ämter lehnen Corona-software ab

Bis Ende Februar sollen die Städte und Landkreise das System Sormas einführen, um eine grenzübers­chreitende Kontaktnac­hverfolgun­g möglich zu machen. Doch vielerorts sieht man die Pläne von Bund und Land kritisch.

- VON FLORIAN RINKE UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die von Bund und Ländern beschlosse­ne Einführung einer einheitlic­hen Software zur Kontaktnac­hverfolgun­g stößt in vielen Städten und Landkreise­n auf Widerstand. „Wir halten das Ziel einer flächendec­kenden Einführung weder für erstrebens­wert noch derzeit erreichbar“, heißt es in einem Brief des Deutschen Landkreist­ages an Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn.

Eine Umfrage unserer Redaktion bei den 53 Gesundheit­sämtern in Nordrhein-westfalen ergab, dass bislang nur sechs Städte und Kreise mit Sormas arbeiten. Etwa ein Drittel der Landkreise und Kommunen meldete zurück, dass der Einsatz der Software Sormas nicht oder noch nicht geplant sei. „Das Programm stellt in der aktuellen Version für den Kreis Euskirchen keine relevante Verbesseru­ng dar“, teilte etwa ein Sprecher mit. Im Duisburger Rathaus heißt es, man sehe eine Umstellung während der Hochphase der Pandemie äußerst kritisch. Ähnlich argumentie­ren viele Kommunen und Kreise.

Bund und Länder hatten am 19. Januar die flächendec­kende Einführung des vom Helmholtz-zentrum für Infektions­forschung entwickelt­en Surveillan­ce Outbreak Response Management and Analysis System (Sormas) bis Ende Februar beschlosse­n. Die Software soll für die Kontaktnac­hverfolgun­g eingesetzt werden. Momentan arbeiten die Gesundheit­sämter mit einer Vielzahl von Programmen – von Excel-tabellen bis hin zu eigens entwickelt­er Software. Viele Lösungen sind auf einzelne Kommunen beschränkt; Austausch ist nicht ohne Weiteres möglich. Sormas soll das erleichter­n. Sollte sich eine Person etwa in Stadt A infizieren, jedoch in Stadt B leben und in Stadt C arbeiten, würden künftig alle Gesundheit­sämter davon erfahren.

Die Sormas-software wurde bereits 2014 als sogenannte Open-source-lösung, also mit offenem Quellcode, entwickelt. Anlass war der Ausbruch von Ebola in Westafrika. Im Frühjahr 2020 wurde auch ein Coronaviru­s-modul entwickelt und unter anderem in Nigeria eingeführt. Auch in der Schweiz und in Frankreich kommt Sormas zum Einsatz. Da das Programm vom Bund finanziell gefördert wird, steht die Software den Gesundheit­sämtern kostenlos zur Verfügung. Sie müssen nur eine Lizenzvere­inbarung abschließe­n.

Für Deutschlan­d war die Lösung wegen rechtliche­r Fragestell­ungen aber offenbar nicht direkt zentral einsetzbar. So musste Sormas offenbar erst aufwendig an das föderale System angepasst werden, weil die Daten entspreche­nd dem deutschen Meldewesen statt zentral erfasst werden sollen.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hatte sich bereits im Dezember in einem Schreiben an die Bürgermeis­ter und Landräte gewandt und darum gebeten, die Software einzuführe­n, es jedoch beim Appell und der Freiwillig­keit belassen. Die Verantwort­ung für die Ausstattun­g der Gesundheit­sämter obliege jedoch den Ländern und den Gesundheit­sämtern selbst, sagte ein Sprecher: „Die Bundesregi­erung kann in diesem Zusammenha­ng nur unterstütz­end agieren.“Mitte Januar war Sormas allerdings nur in knapp jedem vierten Gesundheit­samt betriebsbe­reit oder in Betrieb.

Auch die Nrw-landesregi­erung hat mit den Kommunen und Kreisen den Austausch gesucht.

Nrw-wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) dringt darauf, die Sormas-software parallel zu den eigenen Systemen zu nutzen, um den Prozess der Einführung zu beschleuni­gen. Viele Städte und Kreise wollen hingegen erst abwarten, bis Schnittste­llen zur Verfügung stehen, wodurch sich die Einführung bis ins zweite Quartal verzögern könnte.

Das Land will daher mit den betroffene­n 18 Gesundheit­sämtern erneut den Austausch suchen und bietet Hilfe an, um die Einführung zu beschleuni­gen. Das Ministeriu­m habe ein Unterstütz­ernetzwerk aufgebaut, sagte Pinkwart. Diesem würden der Dachverban­d der kommunalen It-dienstleis­ter, einzelne kommunale Dienstleis­ter, die Initiative CIO Corporate Citizen, Sachverstä­ndige der Bundeswehr und Fachleute des Helmholtz-instituts angehören. Pinkwart setzt auf Kooperatio­n, sagte aber auch: „Das Land ist bereit, sehr kurzfristi­g im Erlasswege die Installati­on von Sormas anzuordnen.“

Leitartike­l

Newspapers in German

Newspapers from Germany