Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Am Rhein drohen mehr Hochwasser
Landesumweltministerin Heinen-esser rechnet wegen zunehmender Extremwetterereignisse im Winter mit kürzeren Abständen zwischen den Überschwemmungen. Die Industrie fordert eine Vertiefung des Rheins um 30 Zentimeter.
DÜSSELDORF Angesichts des jüngsten Rheinhochwassers werden Forderungen nach Verbesserungen bei den Schutzmaßnahmen laut. Die Chefin der Grünen in Nordrhein-westfalen, Mona Neubaur, sagte: „Wir sind gut aufgestellt bei den Hochwasser-warnsystemen. Trotzdem wäre es klug, im Interesse der Menschen, die unter Hochwasserschäden zu leiden haben, noch mal zu prüfen, ob wir am Ende der technischen Interventionsmöglichkeiten eines Jahrhunderthochwassers sind.“
Grundsätzlich sei der Hochwasserschutz in NRW ausreichend, sagte Nrw-umweltministerin Ursula Heinen-esser (CDU): „Wir haben 370 Kilometer Deiche am Rhein. Die 90 Kilometer in Köln entsprechen zu 95 Prozent den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Bei den 280 Kilometern im Regierungsbezirk Düsseldorf läuft ein Deich-sanierungsprogramm, das 2014 gestartet ist und noch bis mindestens 2025 läuft.“Für den Hochwasserschutz gibt das Land im Jahr aktuell rund 80 Millionen Euro aus.
„Die Klimamodelle zeigen, dass die Extremwetterereignisse zunehmen – das gilt auch für die Winterniederschläge, die ursächlich für das Hochwasser sind“, so die Ministerin. „Deswegen nimmt generell die Hochwassergefahr zu.“Die aktuellen Hochwasser hätten eine mittlere Ausprägung: „Die derzeitigen Wasserstände am Rhein kommen statistisch gesehen etwa alle zwei bis fünf Jahre vor. Wir müssen uns aber darauf einstellen, dass uns das in Zukunft öfter heimsucht. Deshalb ist Hochwasserschutz elementare Krisenvorsorge.“
Grünen-chefin Neubaur fordert, Land und Kommunen sollten deutlich mehr Überflutungsflächen schaffen. „Die Flüsse benötigen Platz, um über die Ufer zu treten.“Damit würde zugleich der Artenschutz gestärkt. Der Boden könne überschüssiges Wasser aufnehmen, das in den Trockenperioden hilft. „Solche Auenlandschaften wären allemal sinnvoller als Vertiefungen, die nur die Fließgeschwindigkeit erhöhen und neue Probleme, etwa an Sand- und Kiesbänken, bereiten“, so Neubaur.
Doch gerade eine Vertiefung des Rheins wird angesichts des zweiten Extremwetterphänomens – der Dürre und damit des Niedrigwassers – von der IHK Niederrhein zur Sicherung der Lieferketten gefordert. „Der
Rhein muss um 30 Zentimeter tiefergelegt werden, damit auch größere Binnenschiffe fahren können und damit das sommerliche Niedrigwasser nicht die Industrie von Duisburg bis Mannheim zu Drosselungen zwingt“, sagte Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der IHK Niederrhein.
Mit Blick auf mögliche Proteste von Naturschützern ergänzte Burkhard Landers, Präsident der IHK Niederrhein: „Wir müssen ein dickes Brett bohren, aber hier sind Bund und Land in der Pflicht, etwas für den Erhalt des größten Stahlstandortes in Europa zu tun.“Er verwies darauf, wie wichtig der Rhein als Transportader insbesondere für die Stahlindustrie sei: „Thyssenkrupp bekommt 90 Prozent seiner Rohstoffe über den Rhein.“Auch für die Verkehrswende und den Klimaschutz seien gute Wasserstraßen wichtig.
Ministerin Heinen-esser zeigte sich jedoch skeptisch: „Bei dem Projekt ,Rheinvertiefung’ schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits habe ich enormes Interesse, dass der Rhein als Wasserweg genutzt wird und die Unternehmen nicht stattdessen die Verkehre auf die Straße verlagern. Zugleich habe ich aber auch Befürchtungen bezüglich der Gewässerökologie des Rheins.“Die Rheinsohle dürfe nach Expertenmeinung in bestimmten Bereichen auch nicht tiefergelegt werden. „Aufgrund der geologischen Gegebenheiten würde die Gefahr bestehen, dass die Sohle nach unten durchbricht“, so Heinen-esser. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe ihres Ministeriums mit dem Verkehrsministerium und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes soll nun verschiedene Optionen prüfen. „Ziel ist es, in den kommenden Jahren für alle Seiten vernünftige Lösungen zu erarbeiten“, so die Ministerin.
Der Grünen-chefin ist das nicht genug: „Die ökologischen Nachteile sprechen glasklar gegen eine Vertiefung, und wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich entsprechend positioniert.“