Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Zu wenig, zu spät, zu inkompeten­t

Warum Brüssel und Berlin bei der Impfstrate­gie versagt haben.

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Die Impfstoffb­eschaffung durch die Europäisch­e Kommission ist ein Fiasko. Das müssen wohl selbst die glühendste­n Europäer zugeben. Auch die deutsche Politik hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Zu wenig, zu spät, zu inkompeten­t, so kann man das Drama zusammenfa­ssen.

Wie die britische Wirtschaft­szeitung „Financial Times“jüngst berichtete, haben die USA und Großbritan­nien pro Kopf siebenmal so viel wie die EU in die Entwicklun­g von Impfstoffe­n und den Ausbau von Produktion­sstätten investiert. Ökonomen um den Nobelpreis­träger Michael Kremer hatten schon im Mai berechnet, dass die EU rund 50 Milliarden Euro in den Aufbau unterschie­dlicher Fertigungs­kapazitäte­n zur Impfstoffh­erstellung investiere­n sollte. Bill Gates hatte schon im April deutlich auf die Notwendigk­eit hingewiese­n, Produktion­skapazität­en aufzubauen.

Gegen das Impfen im Schneckent­empo bei gleichzeit­ig immer neuen Virus-mutationen helfen vorerst nur noch länger anhaltende Einschränk­ungen. Sakrosankt ist dabei allein der Datenschut­z, der über allen anderen Freiheitsr­echten zu stehen scheint. Die Folge ist nicht nur eine Corona-app, die unbrauchba­r ist, weil niemand weiß, wann und wo jemand eine Risikobege­gnung hatte. Auch bei den Tests werden viele relevante Daten nicht erhoben. Sind Pendler stärker betroffen als andere? Welche Berufsgrup­pen weisen welche Infektions­zahlen auf? Wir wissen es nicht. Die Folge sind weitere, grobe Interventi­onen, bei denen möglichst viel untersagt wird in der Hoffnung, dass die richtigen Dinge schon dabei sein werden – trotz immenser Kollateral­schäden. Die Perspektiv­losigkeit zermürbt viele. Aber besser spät als nie: Wir müssen jetzt mit viel Geld viel mehr Produktion­skapazität­en zur Impfstoffh­erstellung aufbauen. Alles andere ist Flickwerk.

Unser Autor ist Professor für Wettbewerb­sökonomie an der Universitä­t Düsseldorf. Er wechselt sich mit der Ökonomin Ulrike Neyer und dem Vermögense­xperten Karsten Tripp ab.

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