Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ein Bonus für die Verlierer der Krise
Familien und Unternehmen leiden besonders unter der Coronavirus-pandemie. Die große Koalition will mehr Unterstützung bieten.
BERLIN Am Tag danach sind die Teilnehmer des Koalitionstreffens über sich selbst erstaunt. So „harmonisch und ruhig“sei es schon lange nicht mehr zugegangen, sagt einer. Von einer „sehr guten Vorbereitung“, spricht ein anderer. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Csu-landesgruppenchef Alexander Dobrindt sind gewöhnlich diejenigen, die sich bei diesen Treffen im Kanzleramt dann als Erste über den gemeinsamen Text beugen – oft viele Stunden. Diesmal waren sie bereits in einer halben Stunde handelseinig, konnten zu ihren Delegationen zurückkehren und Einigkeit signalisieren. Der Wunsch, in der Krise Handlungsfähigkeit zu zeigen, überwog die Lust am heraufziehenden Wahlkampf. Und außerdem bekam jede Seite etwas für ihre Klientel: Rund zehn Milliarden Euro haben die Koalitionäre gemeinsam verteilt. Hier ein Überblick über die wichtigsten Vorhaben.
Familien Wie im vergangenen Jahr erhalten Familien auch 2021 einen Kinderbonus. Der Zuschlag auf das Kindergeld soll einmalig 150 Euro betragen. Er wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet, so dass Besserverdienende keinen Vorteil davon haben. Der Bonus wird dagegen nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Im vergangenen Jahr betrug die einmalige Zahlung 300 Euro.
Hartz-iv-bezieher Einen einmaligen Corona-zuschuss von 150 Euro sollen auch erwachsene Grundsicherungsempfänger bekommen. Für plötzlich in Not geratene Selbstständige und Beschäftigte mit kleinen Einkommen wird der erleichterte Zugang in die Grundsicherung bis Ende 2021 verlängert.
Die Präsidentin des Sozialverbands VDK, Verena Bentele, bezeichnete die Zahlung jedoch als einen „Tropfen auf den brennend heißen Stein“. Ein monatlicher Zuschuss von 100 Euro wäre sinnvoller gewesen, denn die Pandemie werde noch Monate anhalten. Auch den Kinderbonus sieht Bentele nur als Anfang: „Familien im Grundsicherungsbezug brauchen einen Zuschuss von 100 Euro pro Monat und Person.“
Auch die Opposition übte Kritik: Der Chef der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, kritisierte, die Einmalzahlung helfe strukturell und dauerhaft so wenig wie ein weiterer Kinderbonus. Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, begrüßte dagegen die Ergebnisse: „Das wiegt nicht alle Belastungen auf, ist aber ein guter Beitrag“, sagte er.
Von Ökonomen kamen unterschiedliche Reaktionen. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, begrüßte die Beschlüsse und forderte sogar weitere Schritte. „Dies wird bei Weitem noch nicht das letzte Hilfsprogramm in der Pandemie gewesen sein. Vor allem Solo-selbstständige und Minijobber brauchen mehr Unterstützung“, sagte Fratzscher. „Ein temporärer Zugang zum Kurzarbeitergeld für beide Gruppen wäre notwendig, um ihre Situation zu stabilisieren“, forderte er.
„Der Corona-zuschuss für Hartz-iv-empfänger und der Kinderbonus sind zwar vertretbar und finanziell verkraftbar. Im Grunde sind diese beiden Maßnahmen aber
nicht konjunkturpolitisch begründet, sondern sozialpolitische Maßnahmen in einem Wahljahr“, sagte dagegen Wirtschaftsweisen-chef Lars Feld.
Unternehmen
Die Koalition greift Unternehmen mit corona-bedingten Verlusten stärker unter die Arme. Durch einen erweiterten Verlustrücktrag können sie die Einbußen künftig in der Steuererklärung umfangreicher als bisher mit Gewinnen aus den Vorjahren verrechnen.
Feld begrüßte die Maßnahme als richtiges Instrument, Kritik kam dagegen vom Industrieverband BDI. „Der Koalitionsbeschluss wird dem Ausmaß der Krise und der Lage insbesondere im Mittelstand nicht gerecht“, erklärte der Verband. Die Erweiterung der rücktragsfähigen Verluste auf nur zehn Millionen Euro sei deutlich zu gering.
Gastronomie Der verringerte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent soll bis Ende 2022 weiter gelten.
Kultur Das Rettungs- und Zukunftsprogramm „Neustart Kultur“wird verlängert. Dazu wird ein Anschlussprogramm mit einer Ausstattung von einer weiteren Milliarde Euro aufgelegt.