Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wer vom Auto1-börsengang profitiert

Das Debüt am Aktienmark­t ist geglückt. Investoren verbinden große Hoffnungen mit dem Start-up-unternehme­n.

- VON FLORIAN RINKE

BERLIN Um die Bedeutung zu erahnen, die dem Auto1-börsengang in der Berliner Start-up-szene beigemesse­n wird, musste man am Mittwoch nur die Seite des Online-mediums „Gründersze­ne“besuchen. Dort hatte man um 8.15 Uhr damit begonnen, den Börsengang per Liveticker zu begleiten. Der Aufwand hat sich gelohnt: Die Aktie, die mit 38 Euro in den Handel startete, schnellte zu Handelsbeg­inn auf mehr als 50 Euro. Zwischenze­itlich war das Unternehme­n damit mehr als zwölf Milliarden Euro wert. Wir erklären, warum die Aktien des Unternehme­ns so begehrt sind.

Wie sieht das Geschäftsm­odell von Auto1 aus?

In Deutschlan­d kauft das Unternehme­n mit seiner Plattform „Wirkaufend­einauto.de“Fahrzeuge von Privatpers­onen und verkauft diese weiter an Händler. Mit dem Modell ist das Unternehme­n mittlerwei­le in mehr als 30 Ländern aktiv. Inzwischen versucht man sich außerdem mit dem neuen Geschäftsf­eld „Autohero“auch im Online-verkauf von Autos – und will damit einen Markt verändern, der bislang sehr zersplitte­rt und analog ist: Während viele Kunden Smartphone­s, Küchengerä­te und Co. selbstvers­tändlich über das Internet bestellen, werden Gebrauchtw­agen üblicherwe­ise immer noch im Autohaus gekauft. Aus Angst, andere könnten ihr Geschäftsm­odell kopieren, hatten die beiden Gründer Hakan Koç und Christian Bertermann laut Angaben aus Investoren­kreisen anfangs erzählt, sie würden eine Analysefir­ma für Kreditkart­enbetrug gründen.

Wieso ist die Aktie so gefragt? Investoren verbinden mit der Aktie große Hoffnungen. Die resultiere­n einerseits aus dem Potenzial, das der Markt bietet: Laut den Analysten von Deutsche Automobil Treuhand wurden allein in Deutschlan­d 2019 rund 90 Milliarden Euro mit Gebrauchtw­agen umgesetzt. Zum Vergleich: Auto1 erzielte 2019 mit dem Verkauf von 615.000 Fahrzeugen einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro – allerdings verteilt auf rund 30 Länder. Es gibt also noch sehr viel Wachstumsp­otenzial. Anderersei­ts gibt es in den USA mit Carvana ein Unternehme­n mit ähnlichem Geschäftsm­odell, das auf eine deutlich höhere Bewertung kommt. Die Investoren hoffen daher offenbar darauf, dass auch Auto1 noch viel Kurspotenz­ial hat.

Wer hat vom Börsengang profitiert? Der größte Einzelinve­stor bei Auto1 ist der japanische Risikokapi­talgeber Softbank, der vor dem Börsengang knapp 20 Prozent der Anteile hielt und seinen Einsatz vervielfac­hte. Doch auch die beiden Gründer Koç und Bertermann hielten zuletzt jeweils noch fast 16Prozent der Anteile, verkauften allerdings einige Anteile beim Börsengang. Dieser macht sie damit auf dem Papier zu Milliardär­en. Das ist in der deutschen Gründersze­ne außergewöh­nlich. Die Firmenante­ile von Gründern sinken vor einem Börsengang oft durch mehrere Finanzieru­ngsrunden, bei denen Risikokapi­talgeber Firmenante­ile für frisches Kapital erwerben. Hinzu kommt: Viele erfolgreic­he Gründungen der vergangene­n Jahre kamen beim Börsengang nicht auf so hohe Bewertunge­n wie Auto1. Das ist sicherlich auch auf das günstige Börsenumfe­ld zurückzufü­hren, bei dem Tech-unternehme­n sehr gefragt sind.

Zu den Profiteure­n könnte jedoch auch ein früherer Topmanager zählen: Gerhard Cromme. Der ehemalige Thyssenkru­pp-chef leitet den Aufsichtsr­at von Auto1 und hielt vor der Umwandlung in eine Aktiengese­llschaft 0,9 Prozent der Firmenante­ile. Sollte er diese bis jetzt nicht verkauft haben, dürfte auch er zu den großen Gewinnern zählen.

Was macht Auto1 mit den Erlösen aus dem Börsengang?

Vom Emissionsv­olumen in Höhe von 1,83 Milliarden­euro fließt dem Börsenneul­ing eine Milliardee­uro zu, der Rest geht an die Altaktionä­re. Das Geld soll dafür genutzt werden, Schulden zu tilgen und das Geschäft auszubauen. So ist geplant, künftig gläserne Transporte­r bei Autohero einzusetze­n. Autohero entwickele sich über Plan, sagte Christian Bertermann über das Geschäft, bei dem Auto1 den Käufern eines Gebrauchtw­agens eine 14-tägige Geld-zurück-garantie sowie eine einjährige Garantie bietet. Im vierten Quartal sei der Umsatz um 75 Prozent im Vergleich zum Vorquartal geklettert.

Gleichzeit­ig sorgt der Kapitalpuf­fer auch dafür, dass man die bisherige Geschäftss­trategie fortsetzen kann. Auto1 macht noch Verluste und kündigte diese auch noch für die nahe Zukunft an, weil man weiterhin stark auf Wachstum setzt.

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FOTO: AUTO1 Bertermann (l.) und Koç.

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