Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Zweifel an der Deutschen Bank
Das Kreditinstitut fährt einen dreistelligen Millionengewinn ein. Aber es bleibt die Frage: Wie nachhaltig sind die Geschäftserträge?
FRANKFURT Rechnet man die Jahre 2015 bis 2019 zusammen, hat die Deutsche Bank in diesen fünf Jahren aufaddiert etwa 14 Milliarden Euro Verlust gemacht. Da ist ein Gewinn in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe eine wahre Wohltat. Und selbst wenn Deutschlands größte Bank noch die Zinsen abzieht, die sie für Nachrangdarlehen zahlen muss, bleiben noch 113 Millionen Euro übrig. „Im wichtigsten Jahr unseres Umbaus ist es uns gelungen, die Transformationskosten und die gestiegene Risikovorsorge mehr als auszugleichen – und das trotz globaler Pandemie“, sagte Vorstandschef Christian Sewing am Donnerstag bei der Bilanzvorlage des größten deutschen Geldhauses.
Ist die Bank nach einem halben Jahrzehnt, in dem sie vorwiegend im Krisenmodus gefahren wurde, also auf dem Weg zum dauerhaften Erfolg zurück? Die Börsianer haben offensichtlich noch Zweifel an dieser Einschätzung. Erst legte die Aktie am Donnerstag um vier Prozent zu, dann lag sie vier Prozent im Minus, am frühen Abend lag sie dann minimal im Plus.
Ein Zickzackkurs, der die Unsicherheit über die Perspektive für die Bank spiegelt. Auf der einen Seite stehen die aktuellen Zahlen für den Gesamtkonzern, der vor Steuern schon wieder einen Milliardengewinn verbucht hat, und die Ankündigung des Vorstandschefs Sewing, schon im kommenden Jahr acht Prozent Eigenkapitalrendite zu erwirtschaften – was natürlich auch ein Lockruf für Investoren sein soll. Auf der anderen Seite steht die unverändert hohe Abhängigkeit des Erfolgs vom Investmentbanking und damit von den Kapitalmärkten. Laufen die gut, läuft’s auch für die Bank. Läuft’s nicht, sind die Aussichten trübe. Diese Abhängigkeit von den Regenmachern, wie die Investmentbanker vorrangig in London früher unter Anshu Jain genannt wurden, ist schon vor Jahren heftig kritisiert worden. Nicht nur, weil das Geschäft kein stabiler Ertragsbringer ist, sondern weil die Sparte dem Unternehmen auch viele gerichtliche Auseinandersetzungen eingebrockt hat, die die Bank Milliarden gekostet haben.
Aber gerade jetzt liefert sie wieder. Dagegen läuft es weder in der Unternehmens- noch in der Privatkundenbank, zwei weiteren der insgesamt vier Kernfelder der Bank, 100-prozentig rund. Das ist in Zeiten von Niedrigzinsen und inmitten der Pandemie auch kein Wunder. Die Corona-krise, die damit verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen und die daraus resultierende Angst vor einer Flut von Pleiten hat die Deutsche Bank dazu gezwungen, ihre Vorsorge gewaltig aufzustocken. Rund 1,8 Milliarden Euro Rückstellungen hat sie gebildet, um vor allem Kreditausfallrisiken abzusichern. Das ist immerhin zweieinhalb Mal so viel wie im vergangenen Jahr. Die Summe trägt vermutlich Prognosen Rechnung, denen zufolge in diesem Jahr mehrere Zehntausend Insolvenzen drohen – eine gewaltige Zahl, die derzeit weit weg scheint, weil die Pflicht zum Insolvenzantrag noch ausgesetzt ist. Wenn das aber vorbei sei, könne noch das böse Erwachen kommen, haben Insolvenzverwalter und Volkswirte bereits vorausgesagt.
Trotzdem ist Sewing zuversichtlich, was das Erreichen der Ziele für das kommenden Jahr angeht. Zu denen gehört nicht nur die erwähnte Kapitalrendite. Sewing strebt für das kommende Jahr 24,4 Milliarden Euro an Erträgen an. Und weiter sinkende Kosten: Rechnet man jene für den Umbau der Bank ab, sollen die Aufwendungen auf 16,7 Milliarden Euro sinken. Das sind noch einmal
300 Millionen Euro weniger als geplant. Dazu beitragen sollen die Schließung von 100 der bundesweit 500 Deutsche-bank-filialen und weiteren 100 Niederlassungen der Postbank, die allerdings auf zwei Jahre verteilt werden müssen. Bei der Deutschen Bank fiele damit jede fünfte Zweigstelle weg – das soll angeblich vor allem in Großstädten passieren – bei der Bonner Tochter wäre es immerhin noch jede achte. Entsprechend wird in beiden Unternehmen weiteres Personal abgebaut. Und das Management des Konzerns sieht weiteres Sparpotenzial: Mehr Homeoffice, weniger Dienstreisen, lautet die Erkenntnis von Christian Sewing aus den vergangenen zehn Monaten.
Dass auch an den Vergütungen beim Spitzenpersonal gespart werden soll, klingt aus Sewings Aussagen nicht heraus. Nach den Boni für die Investmentbanker gefragt, antwortet der Vorstandsvorsitzende mit den Worten, die regelmäßig bei dem Thema fallen: Man sei international tätig und müsse wettbewerbsgerecht bezahlen. Erst einmal will er den Vergütungsbericht abwarten, der im März kommt.