Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Stammtisch geht auch digital
Wie ein Relikt aus alter Zeit kommt unserem Autor der StudentenStammtisch vor. Heute trifft man sich nur virtuell. Aber auch so kann man zusammen lachen.
Es ist ein dunkler Mittwochabend nach einem langen Tag, der in endlosen digitalen Seminaren und Vorlesungen über meinen Bildschirm geflimmert ist. Die Augen sind viereckig, die Konzentration überstrapaziert und die Teller vom Frühstück und Mittagessen, die sich neben meinem Laptop stapeln, immer noch nicht weggeräumt. Und trotzdem schalte ich mich freiwillig in die letzte, aber wahrscheinlich schönste und entspannteste Videokonferenz des Tages ein und betrete durch die virtuelle Tür den „Digitalen Stammtisch“der Medien- und Kulturwissenschaft.
Normalerweise treffen sich die Studierenden meines Studiengangs am ersten Mittwoch des Monats in einer kleinen Kneipe irgendwo in Oberbilk zum gemeinsamen Stammtisch. Dann wird geredet, getrunken, gelacht, gekickert, gedartet und manchmal auch gedatet. Es werden neue Freundschaften geschlossen, alte Geschichten erzählt und auch mal zwei, drei Bier zu viel getrunken.
Nun ist „normalerweise“schon fast ein Jahr her, und große gemeinsame Treffen sind eigentlich unmöglich. Aber nur eigentlich, denn die Fachschaft unseres Instituts hat sich eine Alternative überlegt: den „Digitalen Stammtisch“. Dieser ermöglicht den neuen wie auch den erfahrenen Studierenden, zumindest einen kleinen Teil des Studentenlebens zu erleben, das durch die digitale Lehre stark eingeschränkt ist.
Er ist ein Treffpunkt, an dem man die Menschen kennenlernen kann, mit denen man zwar wöchentlich in den gleichen virtuellen Vorlesungssälen hockt, denen man aber außerhalb noch nie begegnet ist, da Gespräche auf den Fluren und gemeinsame Pausen in der Mensa digital knifflig bis unmöglich sind. Und so schalten wir uns stattdessen an einem dunklen Mittwochabend aus dem gemütlichen Wohnzimmer oder der unaufgeräumten Wg-küche zum „Digitalen-stammtisch“dazu. Essen die letzten Kekse, trinken den viel zu süßen Glühwein, der noch von Weihnachten übergeblieben ist, spielen Spiele, erzählen, diskutieren, lachen und hoffen, dass wir uns im nächsten Herbst wieder in unserer kleinen Kneipe irgendwo in Oberbilk treffen können.