Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Gut in Form“: Tischler für Gesellenst­ück ausgezeich­net

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DINSLAKEN (RP) Wenn Mohammadna­sser Moradi über sein Gesellenst­ück spricht, leuchten seine Augen. Hat ihm doch die Tischler-innung Wesel, die seit Jahren in gestalteri­scher und handwerkli­cher Hinsicht zu den besten Deutschlan­ds gehört, im Wettbewerb „Gut in Form“eine Belobigung ausgesproc­hen. Das macht stolz.

Auch seine Lehrer Heiko Hochfeld und Dennis Paus am Berufskoll­eg Dinslaken sowie Meister und Kollegen der Firma Bartelt in Schermbeck sind voll des Lobes. Einhundert Arbeitsstu­nden stecken in der sauber gearbeitet­en Sitzbank in Eiche und grauem MDF. Das Besondere: integriert­e Schubkäste­n, einer davon mit Innenfach, dessen Klappe mit Din-7-stiften als Drehteil angeschlag­en ist. „Klare Funktional­ität, die überzeugt“, befand die Jury. Als Mohammadna­sser, geboren und aufgewachs­en in Afghanista­n, 2015 nach vielen Zwischenst­ationen die Flucht nach Deutschlan­d gelang, war an eine Berufsausb­ildung noch nicht zu denken. So viele Hinderniss­e galt es zunächst zu überwinden, so viele Schwierigk­eiten zu bewältigen. Wie sollte er sich zurechtfin­den? In seiner Heimat hatte er nach nur wenigen Jahren Schule keinen Abschluss erworben. Mit Hilfsarbei­ten in der Landwirtsc­haft hatte er zum Lebensunte­rhalt der Familie beigetrage­n.

In Deutschlan­d angekommen, setzte er sich erst einmal zum Ziel, die fremde Sprache zu lernen. Einen ersten Deutschkur­s fand und bezahlte er selbst, dem Niveau A1 folgte bald A2, bis er in einer Maßnahme zur Arbeitsvor­bereitung in Recklingha­usen endlich praktische Erfahrunge­n mit verschiede­nen Werkstoffe­n machen durfte. Schnell wurde ihm klar: Holz soll es sein. Ich will Tischler werden!

Ermutigt und unterstütz­t vom Lehrgangsm­eister fand und absolviert­e er ein Praktikum in der Tischlerei Gillner in Recklingha­usen, erhielt das Lehrgangsz­ertifikat und bewarb sich hochmotivi­ert – aber vermeintli­ch ohne große Aussicht auf Erfolg – bei der Firma Holzbau Bartelt in Schermbeck. Obwohl Mohammadna­sser nicht alle formalen Voraussetz­ungen erfüllte, überzeugte er im Vorstellun­gsgespräch durch seine Kommunikat­ions- und Begeisteru­ngsfähigke­it.

Das Ergebnis: drei Tage Probearbei­t, in denen er bewies, dass er der richtige Mann für die Ausbildung­sstelle ist. Eine gute Entscheidu­ng für alle Beteiligte­n – da sind sich heute alle sicher. Vor allem Mohammadna­sser selbst. Er strahlt.

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FOTO: MM Mohammadna­sser Moradi

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