Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wenn ich einmal eine Mehrheit hätte
KOMMUNALPOLITIK – BILANZ NACH 100 TAGEN Xanten hat 40 Ratsmitglieder, davon gehören 36 zu den Fraktionen CDU, SPD, FBI, Grüne und FOX. Vier Frauen und Männer sind dagegen auf sich allein gestellt. Fühlen sie sich machtlos? Was würden sie beschließen, wenn
Herr Voll, was haben Sie sich für die Arbeit im Stadtrat vorgenommen?
MATTHIAS C. VOLL In den nächsten fast fünf Jahren möchte ich meine langjährige Erfahrung als Ratsmitglied in die vielen Abwägungsprozesse der Xantener Kommunalpolitik einbringen. Die Erwartungen der Bbx-wähler, Bbx-mitglieder und der Bürger vor Ort für eine konstruktive Arbeitsweise und Umsetzung des Zehn-punkte-programmes der BBX werde ich erfüllen. Bei der Vielzahl der Themen für die Gestaltung dieser Stadt wie dem Klimaschutz und der Mobilität möchte ich das Schulwesen hervorheben. Der Erhalt sowie gegebenenfalls die Erweiterung der Schulen bleibt das wichtigste Thema. Hier haben wir in der Vergangenheit gezeigt, dass wir uns, auch teilweise mit Gegenwind, für eine intakte Schullandschaft eingesetzt haben. Zwei weitere Ziele werde ich im Dialog mit Bürgern, Verwaltung und Rat bevorzugt nach vorne bringen: Jugend langfristig für die kommunale Politik zu interessieren und der lokale Einsatz für Kinderrechte. Denn immer noch sind die Kinderrechte im Grundgesetz nicht verankert.
Was können Sie aber als Einzelratsmitglied erreichen?
MATTHIAS C. VOLL Es gilt für jedes Ratsmitglied, sich überzeugend für das Wohl dieser Stadt einzusetzen und daran zu arbeiten, dass das Vertrauen in die Demokratie bei den Bürgern Bestand hat und gestärkt wird. Als Ratsmitglied kann ich dazu meinen Beitrag leisten. Kein Ratsmitglied ist machtlos – denn gerade die Zusammensetzung und Sitzverhältnisse im Xantener Rat zeigen doch, dass auch die Einzelratsmitglieder ganz erheblich bei der Entscheidungsfindung mitwirken. Viel spannender ist eigentlich die Gegenüberstellung von Macht und Machtmissbrauch in der Politik – das bedeutet für mich, dass nicht nur Kontrollaufgaben und Abstimmungen den Alltag eines Ratsmitgliedes bestimmen, sondern auch die Beobachtung des kommunalpolitischen Geschehens unter diesem Aspekt sinnvoll ist.
Wenn Sie einmal die Mehrheit hätten, was würden Sie beschließen?
MATTHIAS C. VOLL Eine Mehrheit im Rat zu haben, könnte dazu führen, dass gestalterische Wünsche zwar leichter realisierbar sind – allerdings sollten idealerweise die anderen Ratsmitglieder von diesen Wünschen überzeugt werden. Klappt nicht immer, aber der Versuch, Überzeugungsarbeit zu leisten, ist die Grundlage einer respektablen Arbeit. Mein Wunsch konkret: Die Kulturlandschaft in Xanten ist sehr ausgeprägt – jedoch wünsche ich mir einen Kulturbeauftragten, der nach der Corona-zeit die Aktivitäten der Kunstschaffenden bündelt und langfristig ein überregional interessantes Kulturangebot der Stadt Xanten schafft.
Wie empfinden Sie als Einzelratsmitglied die Arbeit im Stadtrat?
MATTHIAS C. VOLL Aufgrund der vielen Ausfälle an Sitzungen ist es vielleicht noch zu früh, diese Frage zu beantworten. Die Arbeit im Rat ist für mich weiterhin höchst interessant und ich wünsche mir, dass alle Ratsmitglieder dazu beitragen, dass die Jugend für dieses Ehrenamt zukünftig zu begeistern ist.
Heinz-jürgen Küppers (FDP)
Herr Küppers, Was haben Sie sich für die Arbeit im Stadtrat vorgenommen?
HEINZ-JÜRGEN KÜPPERS Es dürfen ohne Sparmaßnahmen und Schuldenabbau keine Steuererhöhungen im Haushalt beschlossen werden. Ich setze mich weiterhin für eine bürgernahe und digitale Verwaltung ein, damit alle Serviceleistungen schnell und unkompliziert für die Bürgerinnen und Bürger gut erreichbar sind. Ein weiteres Anliegen von mir ist, dass das Gewerbe mehr Unterstützung erhält, um dadurch mehr Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen.
Was können Sie aber als Einzelratsmitglied erreichen?
KÜPPERS Durch ein gutes Netzwerk und den fraktionsübergreifenden Ideenaustausch kann ich meine Themen auch als Einzelratsmitglied aktiv einbringen und umsetzen.
Wenn Sie einmal eine Mehrheit hätten, was würden Sie beschließen?
KÜPPERS Ein Beschluss für mehr Transparenz von Beteiligungen und Gesellschaften für den Rat ist überfällig.
Wie empfinden Sie als Einzelratsmitglied die Arbeit im Xantener Stadtrat?
KÜPPERS Ohne Frage hat man als Gruppe oder Fraktion mehr Power, um die Ratsarbeit zu bewältigen und die Ausschüsse zu besetzen. Als Einzelratsmitglied ist die Arbeit natürlich noch zeitintensiver. Mein langjähriges Engagement auf kommunalpolitscher Ebene ist hier hilfreich.
Anja Buchmann (parteilos)
Frau Buchmann, was haben Sie sich für die Arbeit im Stadtrat vorgenommen?
ANJA BUCHMANN Für Politik zu begeistern: Dabei halte ich die Teilhabe möglichst vieler Gesellschaftsgruppen am politischen Leben für ganz wichtig. Durch eine interessantere Ausgestaltung des Bürgerforums und darüber hinaus Vorschläge aus einem Jugendbeirat, Beirat für Menschen mit Handicap und Menschen mit Migrationshintergrund. Denn sie alle gehören Gruppen an, die zum Teil nicht einmal wählen dürfen, dennoch aber in unserer Gesellschaft leben und sie auch prägen. Daher können sie sicher wertvolle Ideen in die lokale Politik einbringen. Nachhaltigkeit denken bei jeder Entscheidung – quasi als eine Art zweites Grundgesetz.
Was können Sie aber als Einzelratsmitglied erreichen?
BUCHMANN Keineswegs. Wenn ein Ratsmitglied gute Ideen hat und für diese begeistern kann, kann es sie ja auch im Stadtrat einbringen – wie auch jeder Bürger im Übrigen einen Bürgerantrag einbringen oder im Rat Fragen stellen kann zu Themen, die ihm wichtig sind. Als Ratsmitglied ist man immer nah am aktuellen politischen Geschehen dran und erfährt nicht nur die im offiziellen, sondern auch im inoffiziellen Teil diskutierten Topics und kann hierzu frühzeitig Stellung nehmen. Parteigrenzen sind mir dabei nicht so wichtig wie vielleicht manch einem, der schon länger dabei ist.
Wenn Sie einmal eine Mehrheit hätten, was würden Sie beschließen?
BUCHMANN Prämien zu zahlen für „grüne Vorgärten“und grüne Dächer bei Bestandsimmobilien, damit diese nicht nur bei den Neubauten erblühen und für Insekten und Vögel etc. interessant werden.
Wie empfinden Sie als Einzelratsmitglied die Arbeit im Stadtrat?
BUCHMANN Als Einzelratsmitglied kann man zwar nicht viel durchsetzen, aber anstoßen, was einem wichtig ist – darauf liegt auch mein Fokus. Außerdem kann man sich bei jeder Entscheidung im Rat nicht nur im Vorfeld Gedanken machen, sondern auch in der Ratssitzung Argumente der anderen für und gegen eine Entscheidung anhören und abwägen. Beispielsweise habe ich so während einer Sitzung auch schon mal meine Meinung zu einem Thema geändert, weil gute Argumente vorgetragen wurden. Außerdem ist man irgendwo auch Teil der Opposition: eine ganz wichtige Aufgabe bei einer starken Regierungspartei.
Christina Appel (Linke)
Frau Appel, was haben Sie sich für die Arbeit im Rat vorgenommen?
CHRISTINA APPEL Mir liegt der öffentliche Nahverkehr, unter anderem eine bessere Busanbindung des Krankenhauses, ebenso am Herzen wie die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen, die über kein oder ein geringes Einkommen verfügen. Da wird sich die Lage durch die Pandemie für viele noch verschlimmern. Und ich möchte mich dafür einsetzen, dass Xanten alles tut, um die zukunftsbedrohende Klimaentwicklung abzuwenden. Da geht es um die Zukunft der künftigen Generationen.
Was können Sie aber als Einzelratsmitglied erreichen?
APPEL Ich kann Anregungen geben, Anfragen stellen, auf Probleme hinweisen. Ich bin zwar im Stadtrat allein, aber vieles ändert sich ja ohnehin nur, wenn es genügend Druck aus der Gesellschaft gibt. Da will ich mit meiner Partei dazu beitragen, dass wir diesen Duck in Fragen der Gerechtigkeit und des Umweltschutzes zustande bekommen. Machtlos sind in den Stadträten ja eigentlich alle, denn die Städte erhalten alle seit Jahren immer weniger Geld von Land und Bund. Das muss sich dringend ändern, sonst kann man nur Mängel verwalten.
Wenn Sie einmal eine Mehrheit hätten, was würden Sie beschließen?
APPEL Als erstes würde ich dafür sorgen, dass der Deichausbau in Xanten wasserseitig erfolgt. Die derzeitigen Planungen sind für Anwohnerinnen, Anwohner und die Natur nicht hinnehmbar. Ein Stadtbus-konzept und letztlich ein kostenloser Nahverkehr wären ebenfalls wichtig.
Wie empfinden Sie als Einzelratsmitglied die Arbeit im Stadtrat?
APPEL Durch die Pandemie läuft ja gerade zu wenig, um da schon etwas sagen zu können. Gut ist, dass die Linke außer mir auch andere Personen in Ausschüsse entsenden kann. Das gibt es so in kaum einer Stadt für Einzelratsmitglieder und ist sehr demokratisch. Die Kontakte auch zu anderen Parteien sind angenehm und respektvoll. Natürlich wäre es aber schöner, zu zweit oder dritt als Linke im Rat zu sitzen. Dafür müssen wir bis zum nächsten Mal mehr Menschen überzeugen und dazu möchte ich beitragen.