Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Das Derby hat an Reiz verloren
Samstag treffen sich Borussia Mönchengladbach und der 1. FC Köln. Das Treffen der rheinischen Rivalen ist nicht mehr das, was es einmal war. Für Gladbach ist nun Borussia Dortmund die größere Herausforderung.
MÖNCHENGLADBACH Borussia Mönchengladbach hat am Freitag mit der Einstimmung auf das Derby begonnen. Auf seinem Social-media-kanal bei Twitter postete der Bundesligist ein Foto, das Offensivspieler Jonas Hofmann und Rechtsverteidiger Stefan Lainer beim Torjubel zeigt. Daneben wird in der modernen Bildersprache der Emojis mitgeteilt, dass die Gladbacher „on Fire“, also heiß sind, was das Treffen mit dem 1. FC Köln am Samstag (18.30 Uhr/ Sky) angeht. Doch irgendwie hat die „Mutter aller Derbys“, unter der das Treffen der rheinischen Rivalen per Fan-definition firmiert, ihren Reiz verloren.
Natürlich ist da die alte Rivalität unter Nachbarn, die ihren Ursprung bei Hennes Weisweiler hat, dem Kölner, der in Gladbach zum Erfinder der berühmten Fohlenelf und zum Meistertrainer wurde und seine Spieler mit Missachtung strafte, wenn sie den Kölnern unterlagen. Damals, in den 70ern, waren beide Klubs auf Augenhöhe, es ging um Titel, sogar im Europapokal traf man sich, hier gab es Netzer, da Overath, die Ikonen ihrer Klubs, die Konkurrenten ebenso wie Freunde waren. Auch später waren die Rivalen gleichauf, ein paar Stufen weiter unten jedoch, sogar mal in der Zweiten Liga. Die Fans lebten indes stets die Rivalität aus, zuweilen auf unschöne Art und Weise, doch immer elektrisierte das Derby.
Es wird sicher nie seinen ganzen Charme verlieren. „Einerseits liegt sportlich viel Qualität zwischen den Teams. Borussia ist auf allen elf Positionen besser besetzt. Dennoch entfaltet ein Derby ungeachtet der sportlichen Unterschiede von Natur aus seinen Reiz“, sagt Kevin Schulte, der den Podcast „Pfostenbruch“macht. Längst aber ist ein anderes
Spiel in der Emotionsskala am rheinischen Derby vorbeigezogen: das Borussen-duell zwischen Gladbach und Dortmund. Stets ein Spiel auf hohem sportlichen Niveau und geleitet von der Frage: Wer ist die wahre Borussia? In diesem Duell ist das drin, was den Köln-spielen abhanden gekommen ist. „Eine gewisse Anspannung ist da, aber das große Kribbeln kommt eher gegen den
BVB, weil es da um Prestige geht“, gesteht Manuel Breuer vom „Vollraute-podcast“.
War es vormals der Reiz, dass es trotz aller Qualität auf beiden Seiten meist sechs Punkte für Gladbach gab, so ist der FC nun so weit weg, dass sechs Punkte nicht mehr Kult, sondern Pflicht sind. Kölner Siege sind selten geworden, jedoch hatten sie, wenn sie zuletzt passierten, arge
Folgen für Gladbachs Trainer: Lucien Favre trat 2015 nach einem 0:1 im Derby zurück, für seine Nachfolger André Schubert und Dieter Hecking waren verlorene Köln-spiele 2016 und 2018 böse Rückschläge.
Für Köln ist das Derby mehr wert als für Gladbach, weil man zum Herausforderer geworden ist im Kampf zwischen David und Goliath. Die Pflicht zu erfüllen, ist ein Ziel, aber es fehlt der letzte Reiz. „Früher gab es viel zu gewinnen, aufgrund des sportlich-wirtschaftlichen Enteilens der Borussia mittlerweile mehr zu verlieren“, sagt Breuer.
So war die Rivalität zuletzt vor allem eine Sache der Fankurve. Bis zum 11. März des vergangenen Jahres, als es das erste Geisterderby gab. „Die Atmosphäre und die Fanlager in einem ‚normalen‘ Derby können besagte Unterschiede kaschieren, was nun seit nunmehr drei Duellen auch wegfällt“, sagt Breuer. Kevin Schulte sieht es auch so. „Der Fan-ausschluss gibt dem Reiz des Spiels den Rest. Einen Sieg kostet man dann sicherlich etwas mehr aus als einen Sieg gegen Bremen oder Mainz, aber die Highlights der Saison sind andere“, sagt er.
Gleichwohl„wissen wir, wie wichtig das Derby ist“, versichert Borussias Sportdirektor Max Eberl. Für die Fan-seele noch immer, vor allem aber auch sportlich. Es geht darum, im Kampf um die Champions-league-plätze nicht an Boden zu verlieren im Vergleich zu Leipzig, Leverkusen, Dortmund, Wolfsburg und Frankfurt. „Darum wollen wir gewinnen am Samstag. Danach drücken wir Köln aber die Daumen, denn wir wollen noch viele Derbys spielen“, sagt Eberl. Missen möchten man das Derby dann doch nicht nicht, auch wenn es an Reiz verloren hat.