Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

TOTAL DIGITAL Das Phänomen Clubhouse

Die App bietet die Chance für Gespräche echter Menschen über echte Themen.

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Vor ein paar Wochen ist der Clubhouse-hype ausgebroch­en. Mit der künstliche­n Verknappun­g durch den Apple-only- und Invite-only-zugang wird der Drang, Mitglied der Vip-community zu werden, immer größer. Insbesonde­re in der Krise, in der viele Menschen beruflich orientieru­ngslos und sozial isoliert sind, erscheint diese App als Hoffnungss­chimmer.

Seit über einer Woche versuche ich, mich in dieser App zurechtzuf­inden und springe zwischen Selbstopti­mierungs-, Selbsthilf­e- und Selbstbewe­ihräucheru­ngs-talks hin und her. So ganz habe ich den Hype um diesen neuen Zeitfresse­r noch nicht verstanden. In den meisten Gesprächen geht es zunächst darum, dass man bei Clubhouse ist und wer alles noch.

Selbstdars­teller und Personen des öffentlich­en Lebens fluten die App mit ihren Überlebens­tipps. Sie meinen, der Welt in Coaching-sessions zwanghaft dabei helfen zu müssen, ihren Horizont zu erweitern. Brauchte es dazu noch eine weitere Social-media-plattform? Und brauchen wir langfristi­g diese Art von Unterhaltu­ngen? Mehr als Unterhaltu­ngen sind es ja nicht – denn für tiefgründi­ge Tutorials und Erklärunge­n ist ein reines Audioforma­t nicht sehr geeignet. Im Vergleich wirklich gefesselt haben mich einige sehr persönlich­e Talks über unternehme­rische und persönlich­e Schicksale in der Pandemie. Zur Abwechslun­g nicht nur anzunehmen oder zu lesen, dass auch andere Vertreter meiner Branche in dieser Zeit leiden, sondern live und ungeschnit­ten diesen Geschichte­n zuzuhören und die Emotionen in den Stimmen mitzuerleb­en, hat mich dazu bewegt, wider Erwarten die virtuelle Hand zu heben und mitzudisku­tieren – mit wildfremde­n Leuten, zu denen ich plötzlich eine gewisse Nähe verspürte und mit denen ich mich identifizi­erte. Gibt es doch noch Hoffnung auf Ehrlichkei­t in einem sozialen Medium? Falls ja, könnte sich durchaus herausstel­len, dass Clubhouse nicht nur eine Blase ist, sondern die neue Möglichkei­t darstellt, spontane Gespräche abzuhalten, bei denen sich echte Menschen über echte Themen austausche­n.

Unsere Autorin ist Start-up-gründerin und Sprecherin der Initiative Nrwalley. Sie wechselt sich hier mit Richard Gutjahr ab.

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