Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Betörende Klänge von Syrinx Call
Konzeptalbum Die alten Götter waren bekanntlich schlimme Finger. Nicht nur Zeus konnte die seinen fast nie bei sich halten, auch die Kollegen nahmen sich gern, was sie bekamen. Manchmal half ihnen allerdings der Zufall. Beispielsweise beim Hirtengott Pan, welcher der sagenhaft schönen Nymphe Syrinx nachjagte, sie aber nicht erwischte, weil sie sich – so steht’s in den „Metamorphosen“des Ovid – in Schilfrohr verwandelt hatte. Nun Ovid weiter: „Doch wie er tief aufseufzt, bewegte sein Atem die Halme, / Und es erscholl eine zarte Musik, einer Klage vergleichbar.“Sogleich schnitzte sich Pan ein Pfeiflein aus der verschilften Nymphe und trug sie fortan als klingende Beute mit sich.
An diese Geschichte muss man jetzt denken, wenn man die bezaubernde neue CD von Syrinx Call rund um den Blockflötisten Volker Kuinke hört. Sie heißt „Mirrorneuron“(Spiegelneuron), ist beim Label Flat Earth Music erschienen und handelt von einer emotionalen Eigenschaft, die dem Gott Pan abging: Empathie.
Dieses Konzeptalbum umkreist die folgenreich schwingende Begegnung eines humanoiden Roboters mit einer Psychotherapeutin. Zwischen beiden beginnt Ungeahntes zu atmen, und dieses Atmen spiegelt die Musik beeindruckend und mitunter auf fast symphonische Weise. Mal treibt sie den Hörer nach Artrock-art vor sich her, mal verhaucht sie in Ambient-sphären, mal leiht sie sich schmeichelnde, von Streichern umflorte Balladen-melodien.
Suppig oder nach Art eines Allerlei ist „Mirrorneuron“freilich nicht, denn Stimmen und Instrumente von Syrinx Call sortieren sich zu einem sehr individuellen Klang, der zum einen fetzig und handgreiflich wirkt, zum anderen in diskreter Höhe über uns zu schweben scheint. Ohne Luft funktioniert diese Musik nicht.
Und so tun die Spiegelneuronen sogar beim Hörer ihr Werk: Er nimmt Anteil an einer faszinierenden Musik, die sich scheinbar bereitwillig öffnet, doch Geheimnisse für sich behält, die es erst zu ergründen gilt. Wolfram Goertz