Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
DINSLAKEN
INTERVIEW MIT THOMAS GROSSE UND KLAUS DIESSNER In dem Dinslakener Event-village an der Thyssenstraße ist es still geworden. Doch die Betreiber schmieden Pläne für 2021.
Im Walzwerk schlägt das Herz des Rock’n’roll
DINSLAKEN In der Kuka wurde seit Monaten nicht mehr getanzt. Aber Thomas Grosse, der Betreiber des Walzwerks Dinslaken, und sein Team lassen sich von Corona und den Folgen nicht unterkriegen. Das Herz des Rock ‘n’ Roll in Dinslaken schlägt weiter und sobald es möglich ist auch wieder zu den Beats von Livebands. So wie im vergangenen Sommer, als das Open-air-restaurant den Walzwerk-innenhof zu einem der drei Hauptveranstaltungsorte in der Stadt machte.
Der Lockdown ist in der Verlängerung. Wie sieht es aus im Walzwerk?
THOMAS GROSSE Wir sind im Moment dabei, die Toilettenanlagen in der Kuka zu sanieren. Mehr wollen wir aber noch nicht verraten. Also, wir investieren, nutzen die Zeit und sind sehr zuversichtlich.
Erhalten Sie staatliche Unterstützung, kommt die für die Veranstaltungsbranche versprochene Hilfe bei Ihnen an?
GROSSE Wir haben natürlich die von der Regierung in Aussicht gestellten Gelder beantragt. Bisher ist nichts angekommen. Also selbst die Hilfsgelder aus November nicht! Wir konnten diese Monate nur durch Kredite finanziell überbrücken.
Gibt es ein Konzept, die Mitarbeitenden und DJS in Lohn und Brot zu halten?
GROSSE Die Vollzeitangestellten sind in Kurzarbeit. Für die Aushilfskräfte gibt es keine Möglichkeiten. Zwei bis drei Aushilfskräfte, die an Konzepten und Planung mitwirken, beschäftigen wir weiter. Diese würden sich sonst was anderes suchen, was für uns ein enormer Know-how-verlust bedeuten würde. Die DJ’S sind größtenteils freie Mitarbeiter. Da bleibt nur vorübergehend was anderes machen oder ALG2 in Anspruch nehmen.
DIESSNER Dann ist da natürlich das, was uns im Moment alle belastet: diese Ungewissheit von einer Lockdown-verlängerung zur nächsten. Das ist das, was am meisten an uns zerrt. Du kannst ein Konzert einmal verschieben, ein zweites Mal geht es kaum. Das läuft dann nicht mehr. Da kauft keiner mehr Tickets. Der VVK ist für uns im Moment sehr wichtig. Du kannst sonst dein Personal, den Einkauf und sonstigen Aufwand nicht planen. Das musst du aber, wo jede unnötige Ausgabe vermieden werden muss. Wir planen Konzerte nun ab April direkt mit einem
Rucksacktermin. Und ab Mai ohne alternativen Termin. Wenn es ab Mai nicht planbar weitergeht, muss man wirklich ganz anders denken!
Sie gehörten 2020 zu den wenigen, die schon früh und regelmäßig Veranstaltungen angeboten haben. Wie sind Sie aus den Sommermonaten mit dem Open-air-restaurant gekommen?
GROSSE Die Veranstaltungen „Open-air-restaurant“waren alle ausverkauft! Also ein guter Erfolg für uns. Wir konnten aufmachen, einen Teil unserer Mitarbeiter beschäftigen und haben zumindest schwarze Zahlen geschrieben. DIESSNER Das ging aber wie beschrieben nur über den Ticket Vorverkauf. Leider konnten wir den letzten Termin nicht halten, da die Infektionszahlen wieder anstiegen und der Ticket-vorverkauf zu gering war um wirtschaftlich zu arbeiten.
Auf welche Acts darf man sich ab April freuen? DIESSNER Los geht es zu Ostern mit Jimmy Cornett & The Deadmen. Da wir davon ausgehen, dass dann die Hygienekonzepte noch komplett eingehalten werden müssen, tritt Jimmy an zwei Tagen vor jeweils 120 Leuten an Tischen mit Abstand auf. Dazu kommt noch das Jubiläumskonzert der Dinslakener Kultband Midnight, welches schon im November 2020 stattfinden sollte. Die Bands ab Mai stehen noch nicht fest. Wir werden das immer zwei Monate vorher bekannt geben.
Für das Blues’n’jazz Meeting am 21. August haben wir, wie für 2020 schon geplant, Henrik Freischlader gebucht. Wir haben so einige Bands angefragt und täglich kommen Bewerbungen. Lasst euch überraschen.
GROSSE Natürlich wird auch die lokale Bandförderung wieder angepackt.
Gibt es auch wieder Menüs?
GROSSE Solange die Auflagen noch gelten, werden wir wieder Tische ab zwei
Personen anbieten. Bei den Mittwochskonzerten muss kein Essen gebucht werden, wir bieten verschiedene Schnitzel, in den Varianten Schwein, Geflügel und vegetarisch mit wechselnden Beilagen an.
DIESSNER Solange wir nur eine limitierte Anzahl von Gästen rein lassen dürfen, erheben wir bei allen Konzerten neben dem jeweiligen Ticketpreis einen Mindestverzehr von 10 Euro. Ohne diesen garantierten Umsatz sind die Konzerte nicht durchführbar. Der normale Ticketerlös geht an die Musiker, Techniker, Gema, Bandcatering, Künstlersozialkasse, Hotels usw., davon haben wir nichts. Wir sind darauf angewiesen, dass die Gäste bei uns verzehren.
GROSSE Es wird aber auch wieder Konzerte im „Open-air-restaurant“an den Wochenenden geben. Die Termine richten sich nach der Auslastung der DIWA als Mietlocation für Gesellschaften.
Bis wann brauchen Sie die Planungssicherheit von der Landesregierung?
GROSSE Am liebsten sofort. Die zugesagten Gelder sollten schnellstmöglich ausgezahlt werden. Es ist schwer einzusehen, für ein vorher gut laufendes Unternehmen Kredite aufzunehmen zu müssen, um laufende Kosten zu bedienen.
DIESSNER Aber das Wichtigste ist, dass wir die Pandemie überstehen und bis dahin gesund bleiben. Wir als Walzwerk-din werden das überstehen!
Sind Sie mit anderen Veranstaltern/ Diskothekenbetreibern im Austausch?
GROSSE Wir haben natürlich davon gehört und gelesen, dass sich andere Gastronomen treffen und austauschen. Uns hat aber bisher niemand angesprochen.wir sind aber auch etwas anders aufgestellt als die Gastronomen mit Tagesgeschäft. Wir betreiben Mietlocationen, einen Musikclub und sind Konzertveranstalter.
Kann es überhaupt ein Zurück zum alten Feiern geben oder werden sich die Clubkultur und das Samstagabend-ausgehverhalten dauerhaft ändern?
DIESSNER Wann der Musikclub „Kuka“wieder so läuft wie vor der Pandemie? Gute Frage! Wenn 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sind oder es anders zu einer Herdenimmunität kommt? Das wird die Politik entscheiden. Wir haben ja das große Glück, dass wir einfach raus in den Innenhof gehen können und das beliebte „Kuka-openair“veranstalten können. Wir denken, dass die Normalität auf jeden Fall zurück kommt. Einige Hygienemaßnahmen werden uns allerdings weiter begleiten und zur Selbstverständlichkeit werden. Wie etwa das Händedesinfizieren.
Wie sieht es von Seiten der Stadt aus? Herr Grosse, Sie haben doch jahrelang die lokale Kultur mit Spenden aus den Disco-eintrittsgeldern unterstützt. Das war beim Kulturforum der Stadt vor zwei Jahren noch ein Thema. Gibt es jetzt irgendwelche Bestrebungen der Stadt, Sie und Ihre Arbeit zu unterstützen, etwa durch Zuschüsse für Konzerte?
GROSSEVON der Stadt kam in der gesamten Zeit seit März 2020 nichts. Keine Gesprächsangebote, keine Zuschüsse, nicht mal eine Nachfrage ob es uns noch gibt! Mehr fällt mir zur Stadt Dinslaken nicht mehr ein.
Im Walzwerk haben fast sämtliche Dinslakener Bands ihre Proberäume. Wie ist die Stimmung dort? GROSSE Bei uns proben ca. 70 Bands. Die Dunkelziffer ist wohl noch viel höher, Proberaumsharing. Im Moment ist es deutlich ruhiger. Hier und da sieht und hört man mal was, aber nicht zu vergleichen mit der Zeit vor der Pandemie. Es gibt viele Hobbybands, die gar nicht vorhaben aufzutreten. Bei denen, die es möchten, ist die Stimmung im Keller. Einige streamen ihre Proberaumkonzerte, einige sind im Studio und nehmen ihr Zeug auf. Andere arbeiten an neuen Sachen, texten und komponieren, widmen sich neuen Projekten.
Wie motiviert man sich angesichts von einer Ungewissheit zur nächsten?
GROSSE Ganz ehrlich, manchmal ist das wirklich nicht einfach! Wo ist die Wertschätzung gegenüber den Gastronomen, Veranstaltern, Kulturschaffenden?
DIESSNER Und trotzdem entwickeln wir ständig neue Ideen. Auf jede Eventualität zugeschneidert. Wir können es kaum erwarten, dass es wieder losgeht!