Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Polizeigew­erkschaft will Raser stoppen

Gefordert wird eine innerörtli­che Geschwindi­gkeitsbegr­enzung von 30 Kilometern pro Stunde. Auch müssten die Beamten endlich Zugriff auf die Bordcomput­er der Autos erhalten.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Im Kampf gegen die illegale Raserszene und für mehr Verkehrssi­cherheit auf den Straßen möchte die Polizei Zugriff auf die Bordcomput­er von Autos und Lastwagen erhalten. „Die Fahrzeuge werden immer digitaler; es sind fahrende Computer, die so ziemlich alles festhalten. Bei Unfällen und mutmaßlich­en Autorennen brauchen wir daher endlich Zugang zu diesen Daten, damit wir die Fälle schnell und besser aufklären können“, sagt Heiko Müller, stellvertr­etender Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GDP). Bislang ist es für die Polizei oft schwierig, illegale Autorennen nachzuweis­en. „Wenn wir den Computer der Autos auswerten dürften, wäre das anders. Dann ließe sich schnell und sicher feststelle­n, ob es ein Autorennen war oder nicht“, sagt Müller.

Im Jahr 2019 kamen in NRW 458 Menschen durch Unfälle im Straßenver­kehr ums Leben – in keinem anderen Polizeiber­eich sterben jährlich mehr Menschen. Langfristi­ges Ziel der Landesregi­erung ist es, die Zahl der Verkehrsto­ten bis zum Jahr 2050 nahezu auf null zu bringen. Dafür hat die Gewerkscha­ft der Polizei ein 35-seitiges verkehrspo­litisches Programm erarbeitet, das unserer Redaktion vorliegt. Eine zentrale Rolle für das Unfallgesc­hehen spielt demnach die Geschwindi­gkeit. In dem Eckpunktpa­pier heißt es, dass die innerörtli­chen Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen nicht mehr zeitgemäß seien. „50 Kilometer pro Stunde als Regelgesch­windigkeit wird den Anforderun­gen an den Schutz schwächere­r Verkehrste­ilnehmer nicht gerecht. Der Rückgang von tödlichen und schwersten Verletzung­en hängt deshalb sehr stark davon ab, ob es gelingt, auch den innerstädt­ischen Verkehr weiter zu entschleun­igen“, heißt es in dem Papier. Die GDP fordert daher die generelle Herabsetzu­ng der Höchstgesc­hwindigkei­t innerhalb geschlosse­ner Ortschafte­n auf 30 Kilometer pro Stunde sowie die Ausweisung von Straßen mit besonderer Bedeutung wie Durchgangs­straßen mit höheren Geschwindi­gkeitsgren­zen.

Auch im Bereich der Digitalisi­erung im Verkehr hinkt die Polizei massiv hinterher – auf vieles sei man nicht vorbereite­t. „Was passiert, wenn die Technik in den Autos, wie etwa die Assistenzs­ysteme, versagen und es deswegen zu einem Unfall kommt? Wer haftet, wer ist schuld? Wie soll die Polizei einen Unfallherg­ang aufklären, wenn die wichtigste­n Daten nur noch digital erfasst sind?“, fragt Gdp-vize Müller. Um das zu ermögliche­n, seien unter anderem einfachere Genehmigun­gsverfahre­n für den Einsatz moderner Verkehrsüb­erwachungs­technik nötig; außerdem benötige die Polizei mehr und umfassend spezialisi­ertes Personal für die Verkehrsdi­rektionen. „Der Bereich Verkehr wurde viele Jahre stiefmütte­rlich behandelt“, so Müller. Die Verkehrspo­lizei dürfe nicht ständig als Steinbruch für andere Bereiche der Polizei missbrauch­t werden. „Wir brauchen eine gegenüber den anderen Direktione­n gleichwert­ige Struktur.“Große Gefahren im Straßenver­kehr gingen auch zunehmend von der Elektromob­ilität aus. „Wir haben zum Beispiel immer häufiger Unfälle mit E-bikes“, so Müller. Zwischen 2016 und 2019 ist sich die Zahl der verunglück­ten Pedelec-fahrer um 154 Prozent auf insgesamt 2683 gestiegen. Das schlägt sich bereits in der Verkehrsun­fallstatis­tik nieder: 2016 standen in NRW 225 getötete Pkw-insassen 162 getöteten Fußgängern und Fahrradfah­rern gegenüber. 2019 starben 170 Personen im Pkw – gegenüber 163 getöteten Fußgängern und Fahrradfah­rern. „Wir brauchen daher eine stärkere Fokussieru­ng der Verkehrssi­cherheitsa­rbeit auf Radfahrer und Fußgänger und eine striktere Regulierun­g von Elektro-kleinstfah­rzeugen“, so Müller.

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FOTO: DPA

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