Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Arsch zusammenkn­eifen, dann können wir nächstes Jahr wieder feiern“

PETER UND STEPHAN BRINGS

- HORST THOREN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Gerade einmal ein Drittel der sonst üblichen Auftritte hatte die Kölner Band in dieser Session. So konnten sie immerhin ihre Mitarbeite­r über Wasser halten. Die Band-gründer über Konzerte vor Autos, die Sorge um die kleinen Vereine und die unerwartet­e Begeisteru­ng für eine Politikeri­n.

Den Tieren im Zoo fehlt das Publikum, war jüngst zu lesen.

Bei Brings dürfte das nicht anders sein. Ist die fehlende Bestätigun­g durch das Publikum jetzt das größte Problem?

PETER BRINGS Das wollen wir aber direkt mal festlegen: Wir sind der Affenfelse­n! Uns fehlt das Publikum genau wie den Tieren. STEPHAN BRINGS Das würde ich auch sagen. Jetzt fangen wir an mit karnevalis­tischen Veranstalt­ungen in Autokinos. Da freue ich mich, dass ich Musik machen kann und mit der Crew zusammen bin. Aber du weißt natürlich auch, dass du vor Autos spielen wirst. Es ist Winter, die Leute bleiben in ihrem Wagen sitzen, was anderes ist ja auch gar nicht erlaubt. Wenn du dann ansingst „Ne Kölsche Jung“, wartest du vergeblich auf das Echo.

Ist ein Auftritt im Autokino ein wirklicher Ersatz für eine Sitzung? PETER BRINGS Natürlich kein Ersatz für eine tobende Halle. Aber es ist jetzt die einzige Möglichkei­t. Und es gibt so eine Zoom-app, da können wir über zwei Bildschirm­e in die Autos gucken. Die Leute können sich mit ihren eigenen Handys filmen. Und das macht einem Mut. Und wir wissen, dass die Leute dann singen. Und viele sind verkleidet.

Wie groß sind die wirtschaft­lichen Verluste durch Corona?

PETER BRINGS Mit 40 Auftritten hatten wir gerade mal ein Drittel von dem, was wir sonst machen. Und es kommen natürlich viel weniger Leute. Wenn wir irgendwo auf dem Land in einem 2000-Mann-zelt gespielt haben, dann waren das immer schöne Konzerte. Da war eine Riesenstim­mung. Wenn im Dorf ein großes Fest ist, dann ist ja nach der Darbietung der Band nicht Schluss.

Musste Brings aufs Sparbuch zurückgrei­fen? Oder gab es Hilfen vom Staat?

STEPHAN BRINGS Wir haben diese erste Corona-hilfe im März bekommen. Das waren 9000 Euro. Noch vor dem zweiten Lockdown haben die uns angeschrie­ben, dass sie das Geld wiederhabe­n wollen. Wir hätten auf unser Sparbuch zurückgrei­fen müssen, wenn wir nichts getan hätten. Aber wir haben ja gespielt.

Wir als Band haben zwar nichts verdient. Aber unsere Jungs sind bezahlt worden.

PETER BRINGS Wir haben viele Freunde, die auch in dem Metier unterwegs sind, die entweder Kneipen haben oder sonst von Veranstalt­ungen leben. Wir haben einen Partner, eine große Brauerei, die ist an der Grenze. Man muss sich jetzt so solidarisc­h verhalten, wie es nur eben geht. Es passiert aber leider nichts da draußen. Genau wie mit den Novemberhi­lfen. Die sind bis heute nicht angekommen.

Geht womöglich die „närrische Infrastruk­tur“verloren?

PETER BRINGS Das ist unsere größte Angst. Mal ganz abgesehen von unseren Jobs wäre das eine Katastroph­e. Wir sind den Vereinen dankbar. Den großen Gesellscha­ften, weil sie uns ins Fernsehen gebracht haben. Aber wirklich im Land bekannt gemacht haben uns die kleinen Vereine. Die sind treu gewesen. Da sind wir all die Jahre wieder hingefahre­n. Und um die machen wir uns Sorgen. Dass da ganze Dorfgemein­schaften vor die Hunde gehen, das wäre wirklich traurig.

Was bleibt denn vom organisier­ten Frohsinn, wenn alle zu Hause sitzen müssen?

STEPHAN BRINGS Wir müssen befürchten, dass, wenn alles wieder erlaubt ist, noch mehr von diesen Groß-karnevalsv­eranstaltu­ngen kommen. Ich will das nicht verteufeln, wir machen da ja auch mit: die Sachen in der Arena oder „Bonn steht Kopf“. Das sind kommerziel­le Veranstalt­er, die werden so was schneller auf die Füße stellen können als ein Verein, der eineinhalb Jahre brachlag. Das wäre aber auf lange Sicht doch das Ende des Karnevals. Denn in solchen großen Sälen wird das kommerzial­isiert, was vorher aus dem Ehrenamt entstanden ist.

Bleiben die Jecken dem Brauchtum treu?

PETER BRINGS Alle werden wieder antreten wollen. Aber ob diese Leute einen Kopf für Karneval haben, wenn der Kuckuck irgendwo draufgekle­bt wird oder sie aus der Wohnung rausfliege­n, das wage ich zu bezweifeln. STEPHAN BRINGS Bei den Kindern mache ich mir echt Sorgen. Die werden vom Internet auf- und ausgesaugt. Viele von denen haben nach anderthalb Jahren vergessen, wie schön Karneval sein kann.

Was macht in diesen Zeiten

Mut? Hat die Krise auch positive Seiten?

PETER BRINGS So wirklich Positives kann ich da jetzt nicht finden. Ich habe zwischendr­in mal das Gefühl gehabt, dass die Gespräche vielleicht etwas tiefsinnig­er werden. Und die große Hoffnung, dass die Menschen sehen, dass nicht alles selbstvers­tändlich ist. Wir haben nur diesen einen Planeten. Es gibt keinen Planeten B, wo wir hinkönnen. Es tun aber alle so, als gäbe es einen. Es fliegen immer noch Flugzeuge für 59 Euro nach Palma. Das wird die nächste Generation zu spüren bekommen.

Brings hat eine Corona-hymne verfasst. Wie motiviert sind Sie denn selbst?

PETER BRINGS Es war gar nicht als Corona-hymne gemeint. Wir singen ja auch gar nicht von Corona. Wir haben die Hymne geschriebe­n, um Mut zu machen.

Ich weiß noch, wie der Stephan mit den Satz ankam:

„Ich weiß, dass alles wiederkomm­t...“Das ist unsere Botschaft. STEPHAN BRINGS Gerade haben wir eine Nummer vom Peter gemacht. Die heißt „Quarantäne“, ist aber wirklich sehr punkig, und es wird

Peter alles auf die Schippe genommen. Im Video sieht man, wie die Ersten mit Pizza vorm Fernseher langsam durchdrehe­n. Aber wir glauben auch immer, dass es weitergeht. Wir sind dabei, ein Album mit dem Beethoven-orchester aus Bonn fertigzust­ellen. Mit denen zu spielen, das ist ein Traum.

Werdet ihr euch impfen lassen? PETER BRINGS Ja. Sofort. Alle. Ich habe mit meinem Freund Florian Silbereise­n geflachst: Du gehörst doch zur älteren Generation, wir müssen jetzt was machen. Ernsthaft: Ohne Impfung bleibt die Seuche. Wenn jetzt diskutiert wird, nur noch Geimpfte zu Konzerten zu lassen, finde ich das richtig. Das liegt im Ermessen eines jeden Veranstalt­ers. Klingt nach Impfzwang, aber wenn das nicht passiert,

wird es nicht aufhören.

Brings war immer schon politisch. Was würdet ihr jetzt auf der Bühne thematisie­ren? Müsste Kardinal Woelki den Spott von Brings fürchten? PETER BRINGS Den Spott? Viel zu harmlos. Ein normaler Mensch käme, wenn er das alles macht, in den Knast. Wieso hat die Kirche ein eigenes Recht? Wieso kann sie das tun? Das Schlimme ist nicht, dass jetzt viele austreten. Das Schlimmste ist, dass da ein Laden ist, der wieder tun und lassen kann, was er will.

Hätte Angela Merkel ein Abschiedsl­ied von Brings verdient?

STEPHAN BRINGS O ja. Ich rede jetzt mal für Peter und mich. Von Hause aus würden wir nie einen CDU-POLItiker loben. Wir waren damals in der Familie eher Sozialiste­n. Aber Angela Merkel hat sich so gegen alle Widerständ­e positionie­rt, und was sie damals 2015 für die Flüchtling­e getan hat... Ich glaube, sie würde auch heute sagen: Ich würde das wieder tun.

PETER BRINGS Ich würde sogar noch weiter gehen. Ich würde sagen: Die CDU heute ist die bessere SPD. Ich habe darüber auch mit meinem Vater gesprochen. Hätte ich euch vor 20 Jahren gefragt: Wer stellt den ersten schwulen Bundeskanz­ler? Der wäre sicher nicht auf die CDU gekommen. Aber jetzt könnte das passieren. Und je älter ich werde, desto wichtiger wird das Festhalten an Werten für mich. Die Frau hat in Europa bewiesen, dass sie Wort gehalten hat.

Würdet ihr, wie in den USA üblich, im Bundestags­wahlkampf Position beziehen, als Künstler?

PETER BRINGS Schwierig. Man sieht einen Politiker, weiß aber nicht, welche Lobbyisten dahinterst­ehen. Ein Künstler, der seinen Fans sagt: Wähl doch den, der entmündigt auch irgendwie die Leute. Jeder muss mit sich selber ausmachen, wen er wählt. STEPHAN BRINGS Wir haben das aber auch schon einmal gemacht. Wir haben die Hannelore Kraft im Wahlkampf unterstütz­t. Weil wir die kennengele­rnt haben. Es ist aber echt schwierig.

Brings gibt Kraft, „sulang mer noch am Lääve sin“, Brings macht Mut – „die Liebe gewinnt“. Was ist die Botschaft gegen „Querdenker“, „Reichsbürg­er“und Populisten? PETER BRINGS Die können sich ja nicht hinstellen und sagen: Frau Merkel hat Corona erfunden. Wenn man sich die Äußerungen der führenden Mitglieder der AFD anguckt, weiß man doch, wie der Laden funktionie­rt. Am meisten ärgert mich, dass ich diese Leute bezahlen muss, im Bundestag. Ich muss das ertragen, das ist ein Teil der Demokratie.

Zu Silvester gab es landesweit Sonderkont­rollen. Werden Kontrollen und harte Strafen auch an Altweiber notwendig sein? Sind illegale Karnevals-partys zu befürchten? STEPHAN BRINGS Glaub’ ich nicht. PETER BRINGS Ich war zufällig am 11.11. in der Altstadt. Bin über den Alter Markt zurück und habe außer Wdr-reportern keine Leute gesehen. Ich glaube, dass die Kölner jetzt an einem Punkt sind zu sagen: jetzt durchhalte­n. Bei den meisten Menschen herrscht dieser Gedanke vor. Also Arsch zusammenkn­eifen, dann können wir nächstes Jahr wieder feiern.

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Stephan
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FOTO: MUMPI/ UNIVERSAL PICTURES GRAFIK: SCHNETTLER

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