Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Nur ein Impfzentrum für den Kreis Wesel
Die Landesregierung hat dem Wunsch des Kreises eine Absage erteilt. Landrat Ingo Brohl teilt mit, dass ihm die Entscheidung schon länger bekannt gewesen ist. Die Politik fordert Alternativen – und kritisiert Brohl.
Die Landesregierung hat ein zweites Impfzentrum abgelehnt. Die Politik fordert Alternativen und kritisiert Landrat Ingo Brohl.
KREIS WESEL Die Bemühungen des Kreises Wesel für ein zweites, linksrheinisches Impfzentrum sind gescheitert. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hält dies für nicht notwendig. Eine Sprecherin der Staatskanzlei sagte unserer Redaktion am Mittwoch: „Beratungen zu möglichen weiteren Impfzentren finden derzeit nicht statt.“Ein Impfzentrum pro Kreis und kreisfreier Stadt sei sinnvoll und effizient, „insbesondere vor dem Hintergrund der freien Kapazitäten der Impfzentren angesichts des derzeit nur begrenzt verfügbaren Impfstoffs“, sagte sie.
Gleichwohl wolle das Land so dezentral wie möglich impfen. „Dazu gibt es neben den Impfzentren verschiedene Optionen, die derzeit geprüft werden, unter anderem Impfbusse oder Schwerpunktpraxen“, teilte die Sprecherin mit. Das Ziel sei es, die Rahmenbedingungen so aufzustellen, dass die Impfquote möglichst hoch ist, auch wenn die über 80-Jährigen nur eingeschränkt mobil seien. Mögliche Hürden müssten daher abgebaut werden.
Unabhängig davon prüfe das Land derzeit, ob und wie die Impfstrategie vergleichsweise kurzfristig angepasst werden könne, um die Wege zu den Impfzentren möglichst kurz zu halten. „Die Prüfung schließt Finanzierungsfragen mit ein“, hieß es.
Zudem prüfe das Land, „ob und wie Impfzentren vor Ort bei Bedarf gegebenenfalls erweitert werden könnten (zum Beispiel zusätzliche dezentrale Impfstraßen), um flexibler agieren zu können, wenn mehr Impfstoff geliefert werden kann und die Impfzentren unter Volllast arbeiten“, so die Sprecherin. Ein entscheidender Punkt hierbei seien die zusätzlich notwendigen ärztlichen Ressourcen.
Ingo Brohl (CDU), Landrat im Kreis Wesel, hatte sich immer wieder öffentlich für ein zweites Impfzentrum auf der linken Rheinseite eingesetzt. Zuletzt hatte er gesagt, dass es bereits mögliche Standorte gebe. Unserer Redaktion hatte Brohl noch am Samstag gesagt, dass der zuständige Minister Karl-josef Laumann (ebenfalls CDU) in der Frage eines zweiten Impfzentrums „nicht mehr so hart“sei.
Auf Anfrage, wie Brohl auf die Entscheidung des Landes reagiert, teilte die Pressestelle des Kreises mit, dass der Landrat lediglich „von einem zweiten Impfstandort“gesprochen habe. Zudem: „Die konkrete Aussage, dass es personal-organisatorisch kein zweites Impfzentrum geben wird, ist schon länger Kenntnis- und Planungsstand des Kreises Wesel.“Dass der Kreis zwischen Zentrum und Standort differenziert, ist für die Öffentlichkeit neu.
Mitte Januar hatte Brohl dem WDR gesagt: „Der Kreis Wesel versucht beim Land Offenheit für ein zweites Impfzentrum zu erreichen, damit ein solcher Standort auch rechtlich abgesichert ist und bestenfalls durch das Land finanziert wird.“Auch im Gespräch mit unserer Redaktion hatte er den Begriff „Impfzentrum“nicht beanstandet.
Die Entscheidung des Landes kritisierten die linksrheinischen Spd-landtagsabgeordneten Ibrahim Yetim und René Schneider scharf. „Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht von älteren Menschen angerufen werden, die ein wohnortnahes Impfangebot dringend benötigen“, sagten sie. „Genau das wird es nun nicht geben.“
Dass zunächst die Bürgermeister der „Wir4-städte“Moers, Kamp-lintfort, Neukirchen-vluyn und Rheinberg sowie später auch Landrat Ingo Brohl (CDU) die Idee des zweiten Impfzentrums aufgegriffen und an die Landesregierung herangetragen haben, habe große Erwartungen geweckt. „Zuletzt hatte der Landrat suggeriert, durch seine guten Kontakte zur CDU-GEführten Landesregierung ein Zentrum nach Moers oder Kamp-lintfort holen zu können. Doch leider hat man in Düsseldorf nicht auf ihn gehört“, sagten die Abgeordneten. Die Spd-landtagsfraktion hatte zuvor bereits weitere Impfzentrum für große Flächenkreise und Städte gefordert – und eine Abfuhr von CDU und FDP erhalten. Das Argument, es gebe für ein weiteres Zentrum zu wenig Impfstoff, zöge schon in wenigen Wochen nicht mehr: „Wenn die Landesregierung hier ihren eigenen positiven Lieferprognosen glaubt, steht bald ausreichend Impfstoff für mehr als nur ein Zentrum zur Verfügung.“
Spd-bundestagskandidat Rainer Keller sagte: „Durch die nebulösen Äußerungen des Landrats zum zweiten Impfzentrum wurden offensichtlich Erwartungen geweckt, die nun enttäuscht werden. Das fördert nicht das Vertrauen in die Politik.“
Kamp-lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt (SPD) sagte: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich das katastrophale Krisenmanagement auf Europa- und Bundesebene (zu wenig und zu spät bestellter Impfstoff) jetzt auf Landesebene fortzusetzen droht.“Alle Beteiligten gingen davon aus, dass ab dem Frühjahr deutlich mehr Impfstoff verfügbar sei. „Wollen wir allen Ernstes erst dann anfangen, in dem riesigen Flächenkreis Wesel über ein zweites Impfzentrum nachzudenken? Soll erst dann die erforderliche Logistik geschaffen werden?“Kamp-lintfort habe schon vor Wochen zwei Standorte genannt. „Wir haben auf unseren Vorschlag hin nichts gehört, nur, dass die vom Landrat geheim gehaltenen Vorschläge von der Landesregierung inzwischen wohl abgelehnt wurden. Das kann ich niemandem erklären“, sagte er.
Die FDP hatte sich bereits Ende November für ein weiteres Impfzentrum eingesetzt. „Wir verlieren mit jedem Tag kostbare Zeit“, sagt Fraktionschef Rudolf Kretz-manteuffel. „Wichtig ist jetzt, dass trotzdem jede und jeder Wesel erreichen kann. Wir sprechen uns daher für die unbürokratische Einrichtung eines Fahrdienstes aus, der angemessen vom Land NRW bezuschusst wird.“Es sei dennoch klug, einen weiteren Standort parat zu haben. „Während Herr Brohl sich rätselhaft verhält, hat zum Beispiel der Märkische Kreis längst einen Zweitstandort in Iserlohn in petto“, sagte er.
Jan Dieren, designierter SPD-BUNdestagskandidat sagte: „Nicht richtig finde ich, dass die Verantwortung für die Organisation zum Beispiel von Fahrdiensten zum Impfzentrum auf die Kommunen und die Menschen vor Ort abgewälzt wird.“Der Linken-fraktionschef im Kreistag, Sascha H. Wagner, fordert, dass die Taxikosten für die Fahrten vom und zum Impfzentrum in Wesel nun übernommen werden müssten. Zudem habe er den Landrat gebeten, ein Konzept zum zeitnahen Aufbau mobiler Impfteams zu erstellen. „Hier muss der Kreis Wesel jetzt handeln“, sagte er.