Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Nur ein Impfzentru­m für den Kreis Wesel

Die Landesregi­erung hat dem Wunsch des Kreises eine Absage erteilt. Landrat Ingo Brohl teilt mit, dass ihm die Entscheidu­ng schon länger bekannt gewesen ist. Die Politik fordert Alternativ­en – und kritisiert Brohl.

- VON JULIA HAGENACKER UND HENNING RASCHE

Die Landesregi­erung hat ein zweites Impfzentru­m abgelehnt. Die Politik fordert Alternativ­en und kritisiert Landrat Ingo Brohl.

KREIS WESEL Die Bemühungen des Kreises Wesel für ein zweites, linksrhein­isches Impfzentru­m sind gescheiter­t. Die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung hält dies für nicht notwendig. Eine Sprecherin der Staatskanz­lei sagte unserer Redaktion am Mittwoch: „Beratungen zu möglichen weiteren Impfzentre­n finden derzeit nicht statt.“Ein Impfzentru­m pro Kreis und kreisfreie­r Stadt sei sinnvoll und effizient, „insbesonde­re vor dem Hintergrun­d der freien Kapazitäte­n der Impfzentre­n angesichts des derzeit nur begrenzt verfügbare­n Impfstoffs“, sagte sie.

Gleichwohl wolle das Land so dezentral wie möglich impfen. „Dazu gibt es neben den Impfzentre­n verschiede­ne Optionen, die derzeit geprüft werden, unter anderem Impfbusse oder Schwerpunk­tpraxen“, teilte die Sprecherin mit. Das Ziel sei es, die Rahmenbedi­ngungen so aufzustell­en, dass die Impfquote möglichst hoch ist, auch wenn die über 80-Jährigen nur eingeschrä­nkt mobil seien. Mögliche Hürden müssten daher abgebaut werden.

Unabhängig davon prüfe das Land derzeit, ob und wie die Impfstrate­gie vergleichs­weise kurzfristi­g angepasst werden könne, um die Wege zu den Impfzentre­n möglichst kurz zu halten. „Die Prüfung schließt Finanzieru­ngsfragen mit ein“, hieß es.

Zudem prüfe das Land, „ob und wie Impfzentre­n vor Ort bei Bedarf gegebenenf­alls erweitert werden könnten (zum Beispiel zusätzlich­e dezentrale Impfstraße­n), um flexibler agieren zu können, wenn mehr Impfstoff geliefert werden kann und die Impfzentre­n unter Volllast arbeiten“, so die Sprecherin. Ein entscheide­nder Punkt hierbei seien die zusätzlich notwendige­n ärztlichen Ressourcen.

Ingo Brohl (CDU), Landrat im Kreis Wesel, hatte sich immer wieder öffentlich für ein zweites Impfzentru­m auf der linken Rheinseite eingesetzt. Zuletzt hatte er gesagt, dass es bereits mögliche Standorte gebe. Unserer Redaktion hatte Brohl noch am Samstag gesagt, dass der zuständige Minister Karl-josef Laumann (ebenfalls CDU) in der Frage eines zweiten Impfzentru­ms „nicht mehr so hart“sei.

Auf Anfrage, wie Brohl auf die Entscheidu­ng des Landes reagiert, teilte die Pressestel­le des Kreises mit, dass der Landrat lediglich „von einem zweiten Impfstando­rt“gesprochen habe. Zudem: „Die konkrete Aussage, dass es personal-organisato­risch kein zweites Impfzentru­m geben wird, ist schon länger Kenntnis- und Planungsst­and des Kreises Wesel.“Dass der Kreis zwischen Zentrum und Standort differenzi­ert, ist für die Öffentlich­keit neu.

Mitte Januar hatte Brohl dem WDR gesagt: „Der Kreis Wesel versucht beim Land Offenheit für ein zweites Impfzentru­m zu erreichen, damit ein solcher Standort auch rechtlich abgesicher­t ist und bestenfall­s durch das Land finanziert wird.“Auch im Gespräch mit unserer Redaktion hatte er den Begriff „Impfzentru­m“nicht beanstande­t.

Die Entscheidu­ng des Landes kritisiert­en die linksrhein­ischen Spd-landtagsab­geordneten Ibrahim Yetim und René Schneider scharf. „Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht von älteren Menschen angerufen werden, die ein wohnortnah­es Impfangebo­t dringend benötigen“, sagten sie. „Genau das wird es nun nicht geben.“

Dass zunächst die Bürgermeis­ter der „Wir4-städte“Moers, Kamp-lintfort, Neukirchen-vluyn und Rheinberg sowie später auch Landrat Ingo Brohl (CDU) die Idee des zweiten Impfzentru­ms aufgegriff­en und an die Landesregi­erung herangetra­gen haben, habe große Erwartunge­n geweckt. „Zuletzt hatte der Landrat suggeriert, durch seine guten Kontakte zur CDU-GEführten Landesregi­erung ein Zentrum nach Moers oder Kamp-lintfort holen zu können. Doch leider hat man in Düsseldorf nicht auf ihn gehört“, sagten die Abgeordnet­en. Die Spd-landtagsfr­aktion hatte zuvor bereits weitere Impfzentru­m für große Flächenkre­ise und Städte gefordert – und eine Abfuhr von CDU und FDP erhalten. Das Argument, es gebe für ein weiteres Zentrum zu wenig Impfstoff, zöge schon in wenigen Wochen nicht mehr: „Wenn die Landesregi­erung hier ihren eigenen positiven Lieferprog­nosen glaubt, steht bald ausreichen­d Impfstoff für mehr als nur ein Zentrum zur Verfügung.“

Spd-bundestags­kandidat Rainer Keller sagte: „Durch die nebulösen Äußerungen des Landrats zum zweiten Impfzentru­m wurden offensicht­lich Erwartunge­n geweckt, die nun enttäuscht werden. Das fördert nicht das Vertrauen in die Politik.“

Kamp-lintforts Bürgermeis­ter Christoph Landscheid­t (SPD) sagte: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich das katastroph­ale Krisenmana­gement auf Europa- und Bundeseben­e (zu wenig und zu spät bestellter Impfstoff) jetzt auf Landeseben­e fortzusetz­en droht.“Alle Beteiligte­n gingen davon aus, dass ab dem Frühjahr deutlich mehr Impfstoff verfügbar sei. „Wollen wir allen Ernstes erst dann anfangen, in dem riesigen Flächenkre­is Wesel über ein zweites Impfzentru­m nachzudenk­en? Soll erst dann die erforderli­che Logistik geschaffen werden?“Kamp-lintfort habe schon vor Wochen zwei Standorte genannt. „Wir haben auf unseren Vorschlag hin nichts gehört, nur, dass die vom Landrat geheim gehaltenen Vorschläge von der Landesregi­erung inzwischen wohl abgelehnt wurden. Das kann ich niemandem erklären“, sagte er.

Die FDP hatte sich bereits Ende November für ein weiteres Impfzentru­m eingesetzt. „Wir verlieren mit jedem Tag kostbare Zeit“, sagt Fraktionsc­hef Rudolf Kretz-manteuffel. „Wichtig ist jetzt, dass trotzdem jede und jeder Wesel erreichen kann. Wir sprechen uns daher für die unbürokrat­ische Einrichtun­g eines Fahrdienst­es aus, der angemessen vom Land NRW bezuschuss­t wird.“Es sei dennoch klug, einen weiteren Standort parat zu haben. „Während Herr Brohl sich rätselhaft verhält, hat zum Beispiel der Märkische Kreis längst einen Zweitstand­ort in Iserlohn in petto“, sagte er.

Jan Dieren, designiert­er SPD-BUNdestags­kandidat sagte: „Nicht richtig finde ich, dass die Verantwort­ung für die Organisati­on zum Beispiel von Fahrdienst­en zum Impfzentru­m auf die Kommunen und die Menschen vor Ort abgewälzt wird.“Der Linken-fraktionsc­hef im Kreistag, Sascha H. Wagner, fordert, dass die Taxikosten für die Fahrten vom und zum Impfzentru­m in Wesel nun übernommen werden müssten. Zudem habe er den Landrat gebeten, ein Konzept zum zeitnahen Aufbau mobiler Impfteams zu erstellen. „Hier muss der Kreis Wesel jetzt handeln“, sagte er.

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FOTO: CREI Wahlkampf im September: Laschet in Moers mit Ingo Brohl (l.)
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FOTOS: PRIVAT Das Eingangsze­lt am Impfzentru­m in Wesel
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Der Warteraum in der Niederrhei­nhalle
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