Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Kraft der Dankbarkeit
Es geht um eine Tugend, die Hass und Groll überwindet, die Fehler verzeiht.
GOTT UND DIE WELT
Der zweite Vers der ersten Sure im Koran lautet: „Dankbarkeit gebührt Gott, dem Herrn der Menschen.“Mohammed hielt fest: „Keiner dankt Gott, wenn er nicht den Menschen dankt.“Gott zu danken heißt daher, eine Haltung der Dankbarkeit einzunehmen. Dankbarkeit bedeutet, den Blick nicht auf das Negative oder die Defizite im eigenen Leben und im Leben anderer zu lenken, sondern auf das Positive, auf die Fülle, die uns umgibt. Daher ist die Haltung der Dankbarkeit eine Quelle der inneren Kraft und der Hoffnung im Leben. Ich habe mir zur Gewohnheit gemacht, gerade dann, wenn es im Leben eng wird, wenn man das Gefühl hat, dass nichts mehr so funktioniert, wie man es sich erhofft, mir die Zeit zu nehmen, in mich zu gehen und mir die vielen Dinge, Ereignisse und Menschen, die mich bereichert haben, ins Bewusstsein zu rufen und Gott für all dies zu danken. Dann strahlt plötzlich alles um mich.
Jeder von uns hat in seinem Leben positive wie negative Erfahrungen gemacht. Aus ihnen konnten wir viel lernen, wir sind heute das, was wir sind, und wir stehen im Leben dort, wo wir stehen, weil wir diese Erfahrungen machen durften. Nicht nur durch die Menschen und Erfahrungen, die uns glücklich gemacht haben, haben wir dazugelernt, sondern auch durch die, die uns verletzt, gedemütigt, enttäuscht oder irritiert haben. Auch unsere eigenen Fehler haben uns die Chance gegeben, uns an ihnen zu reiben und durch sie zu reifen. Daher verdienen all unsere Erfahrungen und Begegnungen Dankbarkeit. Dankbarkeit lässt uns das Positive erkennen, sie öffnet uns das Herz. Dort, wo Dankbarkeit ist, gibt es kaum mehr Platz für Wut, Groll, Hass, Neid oder Arroganz. Dankbarkeit schmückt das Herz mit dem Positiven. Dankbare Menschen erkennen die konstruktiven Potenziale in allen Dingen, daher strahlen sie viel Kraft aus.
Der zweite Satz der ersten Sure lädt mich ein, Gott für das Geschenk, für das Kostbare in jeder Erfahrung, die ich mache, zu danken und somit eine ständige Haltung der Demut einzunehmen.
Unser Autor ist Islamwissenschaftler an der Universität Münster. Er wechselt sich hier mit Philippa Rath, Friederike Lambrich und Jehoschua Ahrens ab.