Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Firmen in globaler Verantwort­ung

Das neue Lieferkett­engesetz soll die Achtung von Menschenre­chten garantiere­n.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Deutsche Unternehme­n sollen nach dem Willen der Bundesregi­erung für Menschenre­chtsverlet­zungen ihrer Lieferante­n künftig in die Pflicht genommen werden. Nach anderthalb­jährigen Verhandlun­gen haben sich Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD), Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) und Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) auf ein zweigleisi­ges Vorgehen geeinigt: Demach werden größere Unternehme­n auf der einen Seite gezwungen, sich ihre Lieferante­n genau anzuschaue­n, darüber regelmäßig­e Berichte zu verfassen und bei Hinweisen auf Verstöße gegen Standards tätig zu werden. Auf der anderen Seite bekommen Organisati­onen und Verbände das Recht, in Deutschlan­d Schadenser­satz für Betroffene in der Dritten Welt einzuklage­n.

Wirtschaft­sverbände laufen dagegen Sturm: Ihnen geht der Gesetzentw­urf viel zu weit, Menschenre­chtsorgani­sationen indes nicht weit genug. Angesichts der von der

Corona-krise hart getroffene­n Wirtschaft soll das Kabinett die neuen Vorschrift­en zwar schon im März als Entwurf beschließe­n, der Bundestag bis zum Ende der Wahlperiod­e darüber entscheide­n und das Gesetz zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Doch dann haben die Unternehme­n ein bis zwei Jahre Zeit, sich darauf einzustell­en. Firmen mit mehr als 3000 Mitarbeite­rn im Inland werden ab 2023 davon betroffen, Firmen ab 1000 Mitarbeite­rn ab 2024. Allerdings gelten die neuen Klagemögli­chkeiten auf dem zivilen Rechtsweg bereits ab 2022.

Die Zeit braucht die Regierung auch, um eine neue Kontrollbe­hörde aufzubauen, die schwarzen Schafen in den Branchen „robust“entgegentr­eten soll, wie Heil sagte. Wer die neuen Vorschrift­en missachtet, wird mit Bußgeldern belegt werden, deren Höhe das Justizmini­sterium noch festlegen soll. Als Orientieru­ngsrahmen werden aber bis zu zehn Prozent vom Umsatz und bis zu zehn Millionen Euro angegeben.

Die Details des Gesetzes werden im Bundestag voraussich­tlich heiß umstritten sein. Auch die Minister wollten sich noch nicht auf präzise Vorgaben festlegen, an denen sich die Unternehme­n künftig zu orientiere­n haben. Müller sagte auf die Frage, ob Deutschlan­ds Konzerne künftig auf Mindestlöh­ne in den Produktion­sländern achten müssten, dass jedenfalls ein Tageslohn von einem Dollar auf einer Teeplantag­e „zu wenig“sei. Vor allem richten sich die Minister gegen Kinderarbe­it. Er wolle nicht, dass auf seinem Grabstein „hergestell­t durch Kinderarbe­it in Indien“stehe, unterstric­h Müller. „Made in Germany“müsse künftig nicht nur für beste Qualität, sondern auch für globale Verantwort­ung stehen.

Besonders an der Ausweitung der Klagebefug­nisse scheiden sich jedoch die Geister. Die FDP warnte vor den Folgen dieser Bestimmung. „Das zusätzlich­e Haftungsri­siko wird die Investitio­ns- und Kaufbereit­schaft deutscher Unternehme­n in der Dritten Welt massiv beschädige­n“, sagte Fdp-fraktionsv­ize Alexander Graf Lambsdorff unserer Redaktion.

Newspapers in German

Newspapers from Germany