Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wölfe töten? Jäger schrecken zurück
In Niedersachsen sollte ein Problemwolf erlegt werden. Es traf aber das falsche Tier. So etwas wäre auch hier möglich, sollte Wölfin „Gloria“zum Abschuss freigegeben werden, sagen Fachleute. Zudem sähen sich die Jäger in Gefahr.
In Niedersachsen sollte ein Problemwolf getötet werden. Es traf das falsche Tier. So etwas wäre auch hier möglich, sagen Fachleute.
HÜNXE/DINSLAKEN/NIEDERRHEIN Etwa eine Woche ist es her, dass im niedersächsischen Landkreis Cloppenburg eine Wölfin getötet wurde. Sie gehörte zu einem Rudel in Herzlake, in dessen Territorium nach offiziellen Angaben seit 2018 mehr als 500 Schafe gerissen wurden. Dabei überwanden mehrere Tiere des Rudels mehrfach den Herdenschutz, selbst Hunde schreckten sie nicht ab. Alleine bei einem einzigen Schäfer entstand durch die Raubtiere ein Schaden von rund 50.000 Euro.
Der Fall zeigt nicht nur, wie sehr Probleme sich zuspitzen können, bevor eine Tötung genehmigt wird. Er hält auch vor Augen, wie schwierig sich die Umsetzung eine Abschussgenehmigung in der Praxis gestaltet. Denn das in Niedersachsen letztendlich getötete Tier war überhaupt nicht zur „Entnahme“bestimmt. Die Erlaubnis gab es stattdessen für einen Rüden. Es ist nach Auskunft von Fachleuten für Jäger nun mal überhaupt nicht möglich, nachts in der Natur und auf Entfernung sicher auszumachen, welcher spezielle Wolf ihnen gerade vor die Flinte läuft.
Hinzu kommt, dass es schwierig ist, überhaupt jemanden zu finden, der den Wolf schießt. „Den Jägern drohen Übergriffe von Tierschützern. Das reicht von Beschimpfungen bis hin zur Androhung von körperlicher Gewalt“, sagt Christian Bude, Sprecher des niedersächsischen Landesumweltministeriums. Die Identität der beteiligten Jäger wird deshalb geheim gehalten.
Zwei Probleme, die sich voraussichtlich exakt genau so im hiesigen Wolfsgebiet zeigen würden, wenn die Niederrhein-wölfin „Gloria“tatsächlich zum Abschuss freigegeben würde. „Ich rate wirklich jedem unserer Jäger, auf gar keinen Fall einen Wolf zu schießen“, macht der Vorsitzende der Jägerschaft im Kreis Wesel, Alfred Nimphius, eindringlich klar. Und zwar aus Sorge. Schon mit Aktionen, die nach allgemeiner Meinung nötig und kaum umstritten sind, gebe es schlechte Erfahrungen. „Im vergangenen Jahr haben wir in Wesel eine Drückjagd auf Sauen organisieren müssen wegen der afrikanischen Schweinepest. Da hat man allen Ernstes die Autos der Treiber zerstört“, so Nimphius. Abgetretene Spiegel und zerschlagene Scheiben hätten sie vorgefunden.
Und Wölfe haben noch mal eine ganz andere Lobby als Wildschweine. Es gebe militante Tierschützer: „Wenn die einen Namen kriegen, wer einen Wolf getötet hat – da kann ich versichern, die brennen Ihnen die Hütte ab“, sagt der Jäger. „Und dass Ihre Familie sicher ist, dafür würde ich auch nicht garantieren.“
Auch die Gefahr, dass das falsche Tier getötet würde, ist aus seiner Sicht absolut gegeben. „Sie können ja vorher keinen DNA-TEST machen.“Allerdings würde sich dann trotzdem ein erwünschter Effekt ergeben, vermutet er. Derzeit fühlten sich die hiesigen Wölfe in der Nähe von Menschen und menschlichen Anlagen – etwa Höfen und Weiden – zu sicher. Sollten Tiere getötet werden, könnte sich das ändern: „Der Vergrämungseffekt, der dadurch eintritt, ist enorm.“
Gleichgültig jedoch, für wie vernünftig Alfred Nimphius die Bejagung der Raubtiere im Wolfsgebiet Schermbeck darum im Prinzip hielte: Ortsansässige Jäger sollten aus seiner Sicht nicht dafür herhalten. Ganz abgesehen davon, dass es auch unter ihnen viele gebe, die das aus rein persönlichen Gründen gar nicht übers Herz brächten. Auch Jäger können ein Herz für Wölfe haben. Ihn selbst zum Beispiel würde deshalb nichts dazu bewegen, einen zu töten, betont er. Auch dann nicht, wenn das keine Repressalien nach sich zöge.
In Niedersachsen hat man mit der Wolfsproblematik schon länger Erfahrung. Es gab bereits mehrfach zeitliche begrenzte Abschuss-genehmigungen, die nicht vollstreckt wurden. Entweder, weil niemand sich dazu bereit erklärte, oder, weil man die Tiere im besagten Zeitraum einfach nicht erst aufspürte.
Zuletzt wurde vor fünf Jahren, im Jahr 2016, der so genannte „Problemwolf Kurti“erlegt, der allerdings auch einen Sender trug. Seitdem wurden Entnahme-genehmigungen für andere Exemplare immer mal wieder verlängert. Aber es wurde bis zur vergangenen Woche kein Tier mehr geschossen.
Obwohl dabei nicht der richtige Wolf getötet wurde, ist die Genehmigung dafür nun erst einmal erloschen. Vermutlich wird sie aber erneuert. Die lange Suche nach dem Tier wird danach weitergehen.
Laut Genuntersuchungen stammt auch „Gloria“aus einem niedersächsischen Rudel.