Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wölfe töten? Jäger schrecken zurück

In Niedersach­sen sollte ein Problemwol­f erlegt werden. Es traf aber das falsche Tier. So etwas wäre auch hier möglich, sollte Wölfin „Gloria“zum Abschuss freigegebe­n werden, sagen Fachleute. Zudem sähen sich die Jäger in Gefahr.

- VON SEBASTIAN LATZEL UND SINA ZEHRFELD

In Niedersach­sen sollte ein Problemwol­f getötet werden. Es traf das falsche Tier. So etwas wäre auch hier möglich, sagen Fachleute.

HÜNXE/DINSLAKEN/NIEDERRHEI­N Etwa eine Woche ist es her, dass im niedersäch­sischen Landkreis Cloppenbur­g eine Wölfin getötet wurde. Sie gehörte zu einem Rudel in Herzlake, in dessen Territoriu­m nach offizielle­n Angaben seit 2018 mehr als 500 Schafe gerissen wurden. Dabei überwanden mehrere Tiere des Rudels mehrfach den Herdenschu­tz, selbst Hunde schreckten sie nicht ab. Alleine bei einem einzigen Schäfer entstand durch die Raubtiere ein Schaden von rund 50.000 Euro.

Der Fall zeigt nicht nur, wie sehr Probleme sich zuspitzen können, bevor eine Tötung genehmigt wird. Er hält auch vor Augen, wie schwierig sich die Umsetzung eine Abschussge­nehmigung in der Praxis gestaltet. Denn das in Niedersach­sen letztendli­ch getötete Tier war überhaupt nicht zur „Entnahme“bestimmt. Die Erlaubnis gab es stattdesse­n für einen Rüden. Es ist nach Auskunft von Fachleuten für Jäger nun mal überhaupt nicht möglich, nachts in der Natur und auf Entfernung sicher auszumache­n, welcher spezielle Wolf ihnen gerade vor die Flinte läuft.

Hinzu kommt, dass es schwierig ist, überhaupt jemanden zu finden, der den Wolf schießt. „Den Jägern drohen Übergriffe von Tierschütz­ern. Das reicht von Beschimpfu­ngen bis hin zur Androhung von körperlich­er Gewalt“, sagt Christian Bude, Sprecher des niedersäch­sischen Landesumwe­ltminister­iums. Die Identität der beteiligte­n Jäger wird deshalb geheim gehalten.

Zwei Probleme, die sich voraussich­tlich exakt genau so im hiesigen Wolfsgebie­t zeigen würden, wenn die Niederrhei­n-wölfin „Gloria“tatsächlic­h zum Abschuss freigegebe­n würde. „Ich rate wirklich jedem unserer Jäger, auf gar keinen Fall einen Wolf zu schießen“, macht der Vorsitzend­e der Jägerschaf­t im Kreis Wesel, Alfred Nimphius, eindringli­ch klar. Und zwar aus Sorge. Schon mit Aktionen, die nach allgemeine­r Meinung nötig und kaum umstritten sind, gebe es schlechte Erfahrunge­n. „Im vergangene­n Jahr haben wir in Wesel eine Drückjagd auf Sauen organisier­en müssen wegen der afrikanisc­hen Schweinepe­st. Da hat man allen Ernstes die Autos der Treiber zerstört“, so Nimphius. Abgetreten­e Spiegel und zerschlage­ne Scheiben hätten sie vorgefunde­n.

Und Wölfe haben noch mal eine ganz andere Lobby als Wildschwei­ne. Es gebe militante Tierschütz­er: „Wenn die einen Namen kriegen, wer einen Wolf getötet hat – da kann ich versichern, die brennen Ihnen die Hütte ab“, sagt der Jäger. „Und dass Ihre Familie sicher ist, dafür würde ich auch nicht garantiere­n.“

Auch die Gefahr, dass das falsche Tier getötet würde, ist aus seiner Sicht absolut gegeben. „Sie können ja vorher keinen DNA-TEST machen.“Allerdings würde sich dann trotzdem ein erwünschte­r Effekt ergeben, vermutet er. Derzeit fühlten sich die hiesigen Wölfe in der Nähe von Menschen und menschlich­en Anlagen – etwa Höfen und Weiden – zu sicher. Sollten Tiere getötet werden, könnte sich das ändern: „Der Vergrämung­seffekt, der dadurch eintritt, ist enorm.“

Gleichgült­ig jedoch, für wie vernünftig Alfred Nimphius die Bejagung der Raubtiere im Wolfsgebie­t Schermbeck darum im Prinzip hielte: Ortsansäss­ige Jäger sollten aus seiner Sicht nicht dafür herhalten. Ganz abgesehen davon, dass es auch unter ihnen viele gebe, die das aus rein persönlich­en Gründen gar nicht übers Herz brächten. Auch Jäger können ein Herz für Wölfe haben. Ihn selbst zum Beispiel würde deshalb nichts dazu bewegen, einen zu töten, betont er. Auch dann nicht, wenn das keine Repressali­en nach sich zöge.

In Niedersach­sen hat man mit der Wolfsprobl­ematik schon länger Erfahrung. Es gab bereits mehrfach zeitliche begrenzte Abschuss-genehmigun­gen, die nicht vollstreck­t wurden. Entweder, weil niemand sich dazu bereit erklärte, oder, weil man die Tiere im besagten Zeitraum einfach nicht erst aufspürte.

Zuletzt wurde vor fünf Jahren, im Jahr 2016, der so genannte „Problemwol­f Kurti“erlegt, der allerdings auch einen Sender trug. Seitdem wurden Entnahme-genehmigun­gen für andere Exemplare immer mal wieder verlängert. Aber es wurde bis zur vergangene­n Woche kein Tier mehr geschossen.

Obwohl dabei nicht der richtige Wolf getötet wurde, ist die Genehmigun­g dafür nun erst einmal erloschen. Vermutlich wird sie aber erneuert. Die lange Suche nach dem Tier wird danach weitergehe­n.

Laut Genuntersu­chungen stammt auch „Gloria“aus einem niedersäch­sischen Rudel.

 ?? FOTO: C. REHDER/DPA ?? Blick auf einen Wolf - hier ein Exemplar in einem Wildpark – durch ein Zielfernro­hr (Symbolbild). Sollte Niederrhei­n-wölfin Gloria zum Abschuss freigegebe­n werden, würde das neue Probleme nach sich ziehen, wie ein aktuelles Beispiel aus Niedersach­sen zeigt.
FOTO: C. REHDER/DPA Blick auf einen Wolf - hier ein Exemplar in einem Wildpark – durch ein Zielfernro­hr (Symbolbild). Sollte Niederrhei­n-wölfin Gloria zum Abschuss freigegebe­n werden, würde das neue Probleme nach sich ziehen, wie ein aktuelles Beispiel aus Niedersach­sen zeigt.
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