Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Händler bleiben auf Winterware sitzen

Die Corona-pandemie trifft nicht alle Modeuntern­ehmen gleich. Sie beurteilen ihre Lage im Lockdown unterschie­dlich. Während Ketten stöhnen, können sich inhabergef­ührte Boutiquen in Teilen auf ihre Stammkunds­chaft verlassen.

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WESEL/HAMMINKELN (rme/auf) Der lange Lockdown wird in den Geschäften noch lange seine Spuren hinterlass­en – und die sind eine große Belastung für den Handel. Davon ist Sinn-sprecher Friedrich-wilhelm Göbel überzeugt. Die Winterware ist zu einem großen Teil in den Geschäften liegen geblieben und auch die Frühjahrsw­are liegt schon in den Regalen. Auf den Klamotten und auch auf den Verlusten bleibt der Handel sitzen, so Göbel.

„50 Prozent der Ware wurde nicht verkauft“, sagt der Sinn-sprecher über die Wintermode. Sinn hat bekanntlic­h zum Januar das Modehaus Mensing übernommen. Und auch für die Frühjahrsm­ode hätte der Verkauf schon beginnen müssen. „Den Rückstand holen wir nicht mehr auf“, weiß Göbel, der keinen Hehl daraus macht, dass er die Lockdown-strategie der Politik nicht verstehen kann. Andere Länder seien mit dem Impfen weit voraus, sagt er. Hier hat die EU aus seiner Sicht versagt.

Die Folgen werden die Anbieter noch lange spüren: Durch Warenüberh­änge, Zurückhalt­ung der Kunden und einen wirtschaft­lichen Abschwung erreiche der Handel wohl erst im Herbst 2022 wieder das Niveau von 2019, fürchtet er. Ein Teil der Ware müsse nun vernichtet werden, weil sie keiner mehr will, ein anderer Teil werde in andere Teile der Welt verkauft. Doch der Kunde, da ist sich Göbel sicher, wird die versäumten Käufe nicht nachholen.

Auch im Weseler Kaufhof hängt noch jede Menge Winterware auf der Stange. Ob es noch eine Chance gibt, Teile davon zu verkaufen, hänge davon ab, wann die Geschäfte öffnen dürfen, sagt Geschäftsf­ührer Mathijs Driessen. Immerhin konnte schon einiges bis Dezember umgesetzt werden. Was mit der übrig gebliebene­n Ware passiert, entscheide die Zentrale. Die Bestellung von Kaufhof-artikeln ist zwar grundsätzl­ich möglich, doch eine Abholung bietet das Weseler Haus nicht an. Das gehe nur in Oberhausen und Duisburg, so Driessen.

Kristin Schleiting, Chefin von Atago und den beiden Modehäuser­n Groß in Hamminkeln und Dingden, hat sich für ihre Kundinnen etwas besonderes einfallen lassen, um zumindest einen Teil ihrer Winterware aus dem Lager zu bekommen. Sie und ihre Mitarbeite­rinnen packen Überraschu­ngstüten mit Waren im Wert von 200 Euro für 75 Euro. Das kommt gut an, berichtet die Geschäftsf­ührerin von ihren ersten Erfahrunge­n. Ihr kommt zugute, dass sie zu 90 Prozent Stammkundi­nnen hat und sie und ihre Mitarbeite­rinnen wissen, wer welchen Stil bevorzugt. Dementspre­chend werden die Tüten auch gepackt.

Außerdem wechselt sie wesentlich häufiger als sonst üblich die Fensterdek­oration. Dadurch rufen häufiger Kundinnen an, die ein schickes Teil beim Spaziereng­ehen im Schaufenst­er gesehen haben und fragen, ob das Teil auch in ihrer Größe noch vorrätig ist. Die kontaktlos­e Übergabe der Ware sei kein Problem. Auch ein Lieferserv­ice, der eine Auswahl an Kleidungss­tücken vorbeibrin­gt, sei in Hamminkeln möglich. Aber die Umsätze, so Kristin Schleiting, „reichen bei weitem nicht an das, was wir normalerwe­ise haben.“

Dazu kämen noch die Hilfen des Staates, die einfach nicht bei den Händlern ankommen. Sie selbst habe im Frühjahr bereits sehr vorsichtig vorbestell­t, weil sich die Corona-krise ankündigte. Aber jetzt steht sie wieder vor dem gleichen Dilemma, denn in der Modebranch­e wird mit viel Vorlauf bestellt.

Gar nicht so unzufriede­n mit dem Verkauf ist Diana Simmes, die in Wesel und Hamminkeln die Boutiquen Paparazzi für Kinder- und Damenmode betreibt. „Wir leben hauptsächl­ich von Stammkunde­n“, erzählt die Geschäftsf­rau. Diesen persönlich­en Kontakt sieht sie als großen Vorteil gegenüber großen Bekleidung­sketten im Corona-lockdown. Vor allem in Wesel funktionie­re das „Schaufenst­ershoppen“sehr gut. „In Hamminkeln haben wir leider kleinere Fenster“, so Simmes. Zwar verkaufe sie im Lockdown nicht so viel wie zu normalen Zeiten, aber es funktionie­re mit dem Abholservi­ce am Mittwoch und Samstag. Was sie mit der übrig gebliebene­n Winterware macht? „Ich hab gar nicht mehr soviel.“Einiges werde sie allerdings nach der Saison spenden.

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FOTO: MARKUS WEISSENFEL­S Kristin Schleiting vom Modehaus Groß stellt für ihre Kunden Überraschu­ngstüten zusammen. Die freuen sich darüber.

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