Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Streit um mehr Bürgerbeteiligung
ANALYSE Reicht die Beteiligungsdemokratie in Hamminkeln aus? Die Politik ist uneins. Die Instrumente werden angewandt, und der Bürger kann mitmischen. Doch die Frage, die bleibt, ist: Will er das überhaupt?
HAMMINKELN Bei vielen Hamminkelner Projekten gibt es die sogenannte Bürgerbeteiligung. Die ist oft vorgeschrieben, doch manchmal geht sie über das übliche Maß hinaus. Die ortsteilbezogene Debatte um die „Zukunft Hamminkeln 2030+“war 2018 ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten des Bürgerdialogs. Bürgermeister Bernd Romanski spricht lieber von „Einwohnerbeteiligung“, denn oft, aber nicht nur, geht es um Vorhaben nur für bestimmte Bereichen der Stadt.
Die FWI denkt da anders. Sie will den Bürgerdialog institutionalisieren. Ratsmitglied Martin Wente sprach im Hauptausschuss von „mehr informellen Formen der Bürgerbeteiligung“. Und meint damit, die Bürger frühzeitig mitzunehmen – zum Beispiel bei stadtentwicklungspolitischen Entscheidungen – und dafür im Etat 30.000 Euro bereitzustellen. Alle anderen Fraktionen wehrten nicht nur die Ausgabe ab, sie äußerten sich zum FWI-ANtrag teils hart abweisend.
Was ist dran an der Forderung, die aus Fwi-sicht mangelnde „Beteiligungskultur“zu verbessern? Wente will durch das Einbinden von Betroffenen „Konflikte vermeiden und Vertrauen schaffen“. Den Verweis auf „Hamminkeln 2030+“mit seinen zeitlich begrenzten Workshops lässt er nicht gelten. Der FWI würden „unterschiedliche Beteiligungsformen“vorschweben, das Spielfeld sei „offen“. Da müsse man weitergehen als gewohnt und nicht nur „Pläne eines Investors darstellen“.
Zielpunkt der Kritik ist auch die Verwaltung. Wente nannte die Grüne-veranstaltung zur Rathausbebauung, bei der ein Dialog schon mit der Veränderungssperre hätte einsetzen können, und die Brüner Umgehung, bei der „nicht ausreichend“informiert worden sei. Wentes Fraktionskollegin Andrea Springer pflichtete ihm bei. Zudem: Es wäre besser, wenn die Verwaltung agiere und keine einzelnen Parteien Infoveranstaltungen machen. Das hehre Ziel unter anderem: „Mehr Bürgerbeteiligung kann auch mehr Wissen der Bürger generieren.“
Johannes Flaswinkel, der als Grünen-fraktionssprecher den Markenkern seiner Partei berührt sah, warnte: „Man kann über Dialog und Bürgerinfo sicher mehr machen. Doch das ist eine Gratwanderung zwischen Hoffnung wecken und Realität.“Bei der Rathausbebauung etwa habe man viel mit dem Bürger geredet, nur gehe es dabei um Grundstücke, auf die man keinen Zugriff habe. Er sieht in der Satzung der Stadt genug Beteiligungsraum außerhalb formeller Verfahren. Johannes Bauhaus (CDU) befand: „Öffentlichkeit ist immer gut. Das werden wir intensivieren.“Jörg Adams (SPD) lehnte „Begehrlichkeiten, die geweckt, aber nicht erfüllt werden können“, hart ab. Bei Beteiligungen sehe man nicht „den Bürger“, sondern immer „dieselben Gesichter“.
Am Ende, so wurde deutlich, muss die Politik entscheiden – unter Umständen auch gegen Bürgermeinungen, die im Beteiligungsprozess hochkamen. „Die Erfahrung zeigt, dass sich viele erst dann melden, wenn die Entscheidung gefallen ist oder direkt bevorsteht“, berichtete Bürgermeister Bernd Romanski aus der Planungspraxis. Er verwies darauf, dass es zahlreiche Infoveranstaltungen der Verwaltung gegeben habe, nannte die Beispiele Flüchtlinge, Hochwasser an der Issel oder Betuwe-ausbau. Seit 2015 sei die Zahl der Bürgerbeteiligungen „signifikant hoch“. Der erweckte Eindruck, man vernachlässige dies, sei falsch.
Außerdem, so Romanski, gehe es für die Verwaltung darum, den Bürgern inhaltlich Fakten darstellen zu können. Beispiel Brünen: Beim Thema Ortsumgehung könne man aktuell nicht über die Trassenführung sprechen, so lange das Verkehrsministerium nicht mehr dazu sagt. Michael Möllenbeck (SPD) verwies auf die „Fragestunde für Einwohner“zum Auftakt von Ausschusssitzungen. Diese wie ein Ritual wirkende Einrichtung wird von Bürgern nur mäßig genutzt. Insgesamt urteilte er: „Die FWI macht nur Schaufensterpolitik“.