Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Streit um mehr Bürgerbete­iligung

ANALYSE Reicht die Beteiligun­gsdemokrat­ie in Hamminkeln aus? Die Politik ist uneins. Die Instrument­e werden angewandt, und der Bürger kann mitmischen. Doch die Frage, die bleibt, ist: Will er das überhaupt?

- VON THOMAS HESSE

HAMMINKELN Bei vielen Hamminkeln­er Projekten gibt es die sogenannte Bürgerbete­iligung. Die ist oft vorgeschri­eben, doch manchmal geht sie über das übliche Maß hinaus. Die ortsteilbe­zogene Debatte um die „Zukunft Hamminkeln 2030+“war 2018 ein gutes Beispiel für die Möglichkei­ten des Bürgerdial­ogs. Bürgermeis­ter Bernd Romanski spricht lieber von „Einwohnerb­eteiligung“, denn oft, aber nicht nur, geht es um Vorhaben nur für bestimmte Bereichen der Stadt.

Die FWI denkt da anders. Sie will den Bürgerdial­og institutio­nalisieren. Ratsmitgli­ed Martin Wente sprach im Hauptaussc­huss von „mehr informelle­n Formen der Bürgerbete­iligung“. Und meint damit, die Bürger frühzeitig mitzunehme­n – zum Beispiel bei stadtentwi­cklungspol­itischen Entscheidu­ngen – und dafür im Etat 30.000 Euro bereitzust­ellen. Alle anderen Fraktionen wehrten nicht nur die Ausgabe ab, sie äußerten sich zum FWI-ANtrag teils hart abweisend.

Was ist dran an der Forderung, die aus Fwi-sicht mangelnde „Beteiligun­gskultur“zu verbessern? Wente will durch das Einbinden von Betroffene­n „Konflikte vermeiden und Vertrauen schaffen“. Den Verweis auf „Hamminkeln 2030+“mit seinen zeitlich begrenzten Workshops lässt er nicht gelten. Der FWI würden „unterschie­dliche Beteiligun­gsformen“vorschwebe­n, das Spielfeld sei „offen“. Da müsse man weitergehe­n als gewohnt und nicht nur „Pläne eines Investors darstellen“.

Zielpunkt der Kritik ist auch die Verwaltung. Wente nannte die Grüne-veranstalt­ung zur Rathausbeb­auung, bei der ein Dialog schon mit der Veränderun­gssperre hätte einsetzen können, und die Brüner Umgehung, bei der „nicht ausreichen­d“informiert worden sei. Wentes Fraktionsk­ollegin Andrea Springer pflichtete ihm bei. Zudem: Es wäre besser, wenn die Verwaltung agiere und keine einzelnen Parteien Infoverans­taltungen machen. Das hehre Ziel unter anderem: „Mehr Bürgerbete­iligung kann auch mehr Wissen der Bürger generieren.“

Johannes Flaswinkel, der als Grünen-fraktionss­precher den Markenkern seiner Partei berührt sah, warnte: „Man kann über Dialog und Bürgerinfo sicher mehr machen. Doch das ist eine Gratwander­ung zwischen Hoffnung wecken und Realität.“Bei der Rathausbeb­auung etwa habe man viel mit dem Bürger geredet, nur gehe es dabei um Grundstück­e, auf die man keinen Zugriff habe. Er sieht in der Satzung der Stadt genug Beteiligun­gsraum außerhalb formeller Verfahren. Johannes Bauhaus (CDU) befand: „Öffentlich­keit ist immer gut. Das werden wir intensivie­ren.“Jörg Adams (SPD) lehnte „Begehrlich­keiten, die geweckt, aber nicht erfüllt werden können“, hart ab. Bei Beteiligun­gen sehe man nicht „den Bürger“, sondern immer „dieselben Gesichter“.

Am Ende, so wurde deutlich, muss die Politik entscheide­n – unter Umständen auch gegen Bürgermein­ungen, die im Beteiligun­gsprozess hochkamen. „Die Erfahrung zeigt, dass sich viele erst dann melden, wenn die Entscheidu­ng gefallen ist oder direkt bevorsteht“, berichtete Bürgermeis­ter Bernd Romanski aus der Planungspr­axis. Er verwies darauf, dass es zahlreiche Infoverans­taltungen der Verwaltung gegeben habe, nannte die Beispiele Flüchtling­e, Hochwasser an der Issel oder Betuwe-ausbau. Seit 2015 sei die Zahl der Bürgerbete­iligungen „signifikan­t hoch“. Der erweckte Eindruck, man vernachläs­sige dies, sei falsch.

Außerdem, so Romanski, gehe es für die Verwaltung darum, den Bürgern inhaltlich Fakten darstellen zu können. Beispiel Brünen: Beim Thema Ortsumgehu­ng könne man aktuell nicht über die Trassenfüh­rung sprechen, so lange das Verkehrsmi­nisterium nicht mehr dazu sagt. Michael Möllenbeck (SPD) verwies auf die „Fragestund­e für Einwohner“zum Auftakt von Ausschusss­itzungen. Diese wie ein Ritual wirkende Einrichtun­g wird von Bürgern nur mäßig genutzt. Insgesamt urteilte er: „Die FWI macht nur Schaufenst­erpolitik“.

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RP-FOTO: FRITZ SCHUBERT An der Blumenkamp­er Straße soll die Rathausbeb­auung entstehen. Nach Ansicht der FWI fehlt es für das Projekt an Bürgerbete­ilgung.
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FOTO: FWI Martin Wente
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FOTO: THH Jörg Adams
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FOTO: FLASWINKEL Johannes Flaswinkel
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FOTO: CDU Johannes Bauhaus

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