Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Neuer Herr über das weiße Gold
Der Schwabe Stefan Weber hat die Leitung des Salzbergwerks in Borth übernommen. In puncto Bergschäden will er auf mehr Austausch setzen.
RHEINBERG-BORTH Der schwäbische Dialekt irritiert ein wenig. Im Borther Salzbergwerk vernimmt man in aller Regel echtes Niederrheinisch oder eine thüringische Sprachfärbung; der weiche, gemütlich klingende Tonfall des Südens ist dort eine absolute Ausnahme. Der Mann mit dem regionalen Zungenschlag ist Stefan Weber. Der 48-Jährige ist neuer Leiter des Werks, das zum Konzern K+S (Kali + Salz) mit Hauptsitz in Kassel gehört. Im September ist er an den Niederrhein gekommen. Drei Monate konnte er sich noch einarbeiten, dann hat sich der langjährige Werkleiter Hans-heinrich Gerland in den Ruhestand verabschiedet und Weber übernahm das Ruder.
Der hochgewachsene Mann – 1,97 Meter groß – stammt aus Weingarten bei Ravensburg nicht weit vom Bodensee entfernt. „Familiär bin ich nie mit Bergbau in Berührung gekommen“, erzählt er. „Ich wusste als Schüler gar nicht, dass man Bergbau studieren kann.“Aber als am Gymnasium kurz vor dem Abi Broschüren mit dem Titel „Bergbau in Aachen“auslagen, griff Stefan Weber zu.„ich bin trotzdem zuerst mit dem Motorrad nach Clausthal gefahren, weil ich mich für ein Tiefbohr-technik-studium interessiert habe. Aber letztendlich bin ich dann an der RWTH in Aachen gelandet und habe Bergbau studiert.“
Erst studiert, dann promoviert, dann der erste Job in einem Ingenieurbüro, bevor Stefan Weber 2008 bei K+S landete. Bis er an den Niederrhein kam, brachte er zahlreiche Stationen an verschiedenen Orten, in verschiedenen Werke und Positionen hinter sich. „2016 habe ich ein Personalmanagementprogramm durchlaufen, unter anderem in Chicago in den USA“, erzählt der verheiratete Vater einer 15-jährigen Tochter und eines 14-jährigen Sohnes. Erstmals ist seine Familie nicht mit umgezogen, wegen der Schule der Kinder. Die Familie wohnt in der Nähe von Bad Hersfeld, der Vater unter der Woche in Wesel. „Das geht, jetzt sind die Kinder ja nicht mehr so klein“, sagt Weber.
Das Salzbergwerk in Borth hat rund 350 Mitarbeiter, gefördert werden im Schnitt rund 1,5 Millionen Tonnen Salz pro Jahr. „Hier am Standort ist viel investiert worden“, resümiert der neue Werkleiter. „Es gibt eine große übertägige Lagerhalle mit einem Fassungsvermögen von 80.000 Tonnen und zwei untertägige Salzbunker für insgesamt 170.000 Tonnen.“
Früher wurde in Borth überwiegend Industrie- und Streusalz produziert. Das ist inzwischen anders. Im Schnitt werden nur noch 40 Prozent der geförderten Menge auf die Straßen gestreut. Der Rest wird zu hochwertigen Salzen verarbeitet: für die Pharma-, die Lebensmittel- und die Chemie-industrie und als Futtermittel. Diese Spezialsalze kommen auf eine Reinheit von bis zu 99,9 Prozent. Weber: „Wir haben inzwischen viele Zertifikate.“Unter anderem findet sich Pharmasalz aus dem Rheinberger Norden
im Corona-impfstoff von Biontech und Pfizer. So wie er das Werk bisher kennengelernt habe, sei es vom technischen Standard her wirklich führend, hebt Weber hervor.
Im Bergbau werde langfristig gedacht, schildert der neue Werkschef – in Zehn, 15- oder 20-Jahres-marken. Der Rahmenbetriebsplan für das Salzwerk galt bis 2025. Eine Verlängerung bis 2050 ist bereits genehmigt, allerdings bezieht sich dieser Plan auf die bereits genehmigten Flächen. Weber: „Diese Abbauflächen reichen aber nicht aus, um bis 2050 graben zu können.“Deshalb plane K+S jetzt zwei Erkundungsstrecken, eine davon Richtung Xanten, um die Vorratssituation für die nächsten zehn Jahre abzusichern.
Man hoffe, dass alles so genehmigt werde, dass tatsächlich noch bis 2050 abgebaut werden könne.„danach“, so der Bergbau-ingenieur, „dürfte Schicht im Schacht sein.“
Früher stand Solvay als Betreiber in der Verantwortung, seit 2002 muss esco (eine hundertprozentige Tochter von K+S) beziehungsweise jetzt direkt K+S den Kopf hinhalten, wenn es um Bergschäden geht. Ein Thema, das immer stärker die öffentliche Diskussion bestimmt. „Wir müssen uns unserer Verantwortung stellen“, unterstreicht Stefan Weber. Man frage sich schon: Welche Bergschäden haben wir verursacht? Anhand des Messnetzes könne man sehr genau feststellen, wo es zu Schäden gekommen sei. K+S begutachte alles, aber bisher habe es tatsächlich erst einen anerkannten Bergschaden gegeben – eine Straße in Zuständigkeit des Landesbetriebs Straßen NRW. Die Senkungen im Salzabbaugebiet entwickelten sich sehr langsam und gleichmäßig, das könne man mit Kohle nicht vergleichen.
Stefan Weber: „Wir werden leider in der Öffentlichkeit als Generalschuldiger hingestellt. Aber ich hoffe, dass es einen engen Austausch mit den Anwohnern und der Bürgerinitiative geben wird. Momentan ist es wegen Corona natürlich schwierig, Gespräche zu führen.“Den Hauptvorwurf der Kritiker, das Bergwerk kommuniziere nicht gut genug, will Weber nicht auf sich sitzen lassen. K+S wolle sich öffnen, so sei bereits nahe der Pförtner-loge ein Raum für Info-veranstaltungen eingerichtet, in dem künftig acht bis zehn Personen über Neuerungen in Kenntnis gesetzt werden können.„ich hoffe, dass wir dadurch besser mit den Menschen ins Gespräch kommen“, so der Schwabe.
Ob es bald wie im Kohlebergbau eine Schlichtungsstelle Salzbergbau geben wird, kann Weber nicht sagen. Er möchte es aber ausdrücklich nicht ausschließen.„der politische Druck wird größer, wir müssen uns mit dem Thema auseinandersetzen“, sagt er. Allerdings sehe er auch die Dimensionen: Die Ruhrkohle habe bis zu 20.000 Schadensfälle, von denen 50 bis 100 jedes Jahr in die Schlichtung gehen – „wir hingegen haben einen in zehn Jahren Da stellt sich die Frage, wie groß der Verwaltungsaufwand ist.“Wie auch immer die Entscheidung ausgeht, eines ist für Stefan Weber wichtig: „Wir müssen offen und ehrlich miteinander reden.“