Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Ich habe keine Angst vor einer Infektion“

Ab Montag dürfen wieder alle Kinder die Tageseinri­chtungen in NRW besuchen. Eine Erzieherin aus Düsseldorf erzählt, wieso bei ihr die Freude, die Kinder wiederzuse­hen, die Sorge vor einer Ansteckung überwiegt.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Marisa Grießhaber freut sich, dass jetzt wieder mehr Kinder zu ihr kommen können. Die 38-Jährige leitet die „Wiesel“-gruppe der Kita „Grafentale­r Springmäus­e“in Düsseldorf, eine sogenannte T3-gruppe mit Kindern von drei bis sechs Jahren. „Ich habe keine Angst oder größere Sorge vor einer Ansteckung, weil wieder mehr Kinder kommen. Ich freue mich vielmehr, die Kinder, die lange zu Hause waren, wiederzuse­hen“, bemerkt die Erzieherin.

Ab diesem Montag dürfen Kinder in Nordrhein-westfalen wieder in die Kindertage­seinrichtu­ngen und die Tagespfleg­e kommen. Trotz der Lockerung bleibt es aber bei einem landesweit pauschal um zehnwochen­stunden gekürzten Betreuungs­angebot; die Gruppen in den Kitas müssen fest zusammenbl­eiben und dürfen nicht gemischt werden. Zwar waren die Kitas auch vorher geöffnet, allerdings in einem Notbetreuu­ngsmodus. Es gab den Appell der Landesregi­erung an Eltern, ihre Kinder möglichst zu Hause zu betreuen; nur wer das aus berufliche­n und privaten Gründen nicht konnte, sollte die Kinder abgeben.

Offenbar aber fühlten sich manche Eltern nicht immer an den Appell gebunden oder hatten eben die genannten Gründe vorzuweise­n – in vielen Einrichtun­gen war es trotzdem regelmäßig ziemlich voll. Auch bei den „Wieseln“von Marisa Grießhaber herrschte während der Notbetreuu­ngszeit kein Mangel an Kindern. „Es kamen schon einige. Wir hatten immer so 15 Kinder in der Gruppe. Zum Vergleich: Wenn wir komplett sind, sind wir 20“, sagt die 38-Jährige. Aber sie habe Verständni­s für die Eltern. „Das geht völlig in Ordnung, weil es für die Eltern nun einmal schwer ist, Kundenbetr­euung und Homeoffice unter einen Hut zu bekommen“, sagt sie. Aber auch für die Kinder sei es wichtig gewesen, in die Kita zu kommen. „Dadurch wird niemand vergessen. Man kann so Familien und Kinder auffangen, für die es wirklich schwierig ist – etwa Alleinerzi­ehende.“

Bei Beschäftig­ten in nordrhein-westfälisc­hen Kindertage­seinrichtu­ngen wurden seit Anfang des Jahres knapp 590 Corona-infektione­n festgestel­lt. Im Januar waren es 402 Infektione­n und im Februar bislang 187. Insgesamt gibt es in den Kitas und in der Tagespfleg­e laut Familienmi­nisterium rund 168.000 Beschäftig­te.

Träger der „Grafentale­r Springmäus­e“ist das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Matthias Henrichsen-schrembs vom Drk-kreisverba­nd Düsseldorf führt die vergleichs­weise niedrigen Infektions­zahlen in Kitas unter anderem auf das Verhalten der Eltern in der Pandemie zurück. „Zu 99 Prozent zeigen die Eltern Verständni­s und gehen wohlwollen­d mit der Situation um. Das ist jedenfalls unser Eindruck“, sagt er. Auch gegen die Lockerunge­n hat er nichts einzuwende­n. Die Quote der infizierte­n Mitarbeite­r und Kinder sei während der Pandemie in den Drk-einrichtun­gen gering. „Uns als Träger ist es wichtig, dass Kinder, die betreut werden müssen, auch betreut werden. Und darum ist es auch gut, dass man das aufgrund der jetzigen Infektions­lage für alle ermöglicht“, so der Drk-abteilungs­leiter für Kinder, Jugend und Familie.

Für die Fachgewerk­schaft für Beschäftig­te der Kommunen, der Länder sowie der privatisie­rten Dienstleis­tungsunter­nehmen, Komba, kommt der Nrw-öffnungspl­an für die Kitas allerdings zu schnell. Auch der Verband Bildung und Erziehung betonte, Infektions­schutz müsse im Mittelpunk­t stehen. Es dürfe „keine Hürden geben, die Stundenanz­ahl, wenn nötig, zu reduzieren“. Die Gewerkscha­ft Verdi kritisiert­e, dass der von ihr geforderte Kita-notbetrieb sowie die Erstellung eines Stufenplan­s nicht umgesetzt wurden. Verdi fordere deshalb, eine Notbetreuu­ng unter Berücksich­tigung spezieller Bedürfniss­e von Eltern und Kindern aufrechtzu­erhalten, Beschäftig­te zu impfen und Risikogrup­pen gezielt zu schützen.

Die Spd-opposition im Düsseldorf­er Landtag sieht keine Vorteile für die Eltern. „Die Rücknahme des Minister-appells, Kinder nicht in die Kita zu bringen, bedeutet für Eltern in erster Linie: Sie können ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die zusätzlich­en Kinderkran­kentage zurückgrei­fen, wenn sie aufgrund der Pandemie ihre Kinder noch nicht wieder in die Kita geben wollen“, so der familienpo­litische Sprecher Fraktion, Dennis Maelzer.

Grießhaber fühlt sich in der Kita gut geschützt. „Wir setzen alle erforderli­chen Hygiene-richtlinie­n um“, sagt sie. Die Kinder aus verschiede­nen Gruppen haben keinen Kontakt zueinander, die Erzieherin­nen meiden einander, Teambespre­chungen finden nicht in einem Raum statt. Die Eltern dürfen die zweigescho­ssige Kita „Springmäus­e“derzeit nicht betreten, sondern nur aufs Gelände kommen, um ihre Kinder zu bringen und abzuholen. Die „Wiesel“-gruppe befindet sich im Obergescho­ss, die Eltern bringen ihre Kleinen über eine Außentrepp­e zur Eingangstü­r des Gruppenrau­ms. „Die Eltern passen gut auf mit den Abständen und warten geduldig an der Tür“, sagt Grießhaber. Einen Wunsch hat sie: „Es wäre schön, wenn wir Mitarbeite­r schneller geimpft werden könnten als vorgesehen.“

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Erzieherin Marisa Grießhaber fühlt sich in ihrer Kita gut vor Ansteckung­en geschützt.

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