Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Das vorläufig letzte Derby
Eigentlich sollte ein Sieg gegen den BVB für Rückenwind im Abstiegskampf sorgen. Doch nach dem 0:4 scheint die Lage auf Schalke aussichtslos.
GELSENKIRCHEN (dpa) Selbst die Erzrivalen empfanden Mitleid. Bei aller Begeisterung über den höchsten Sieg beim FC Schalke seit über 56 Jahren verzichteten die Fußball-profis von Borussia Dortmund nach dem 4:0 (2:0) auf Schadenfreude. Die Vorahnung, dass es das vorerst letzte Revierderby gewesen sein könnte, stimmte selbst den gebürtigen Dortmunder Marco Reus milde: „Wenn ich auswählen dürfte, würde ich sie schon drin lassen“, kommentierte der Kapitän, bevor die Bvb-profis im Teambus von den Fans in Dortmund mit Pyro in Empfang genommen wurden. Doch die Chancen auf eine baldige Neuauflage des Liga-klassikers sind angesichts der Schalker Abstiegsnöte auf ein Minimum gesunken.
Seit Einführung der Drei-punkte-wertung 1995/96 gab es noch nie ein Team mit nur neun Zählern nach 22 Partien. Wirklich überzeugend klangen die neuerlichen Durchhalteparolen von Trainer Christian Gross deshalb nicht: „Man sollte uns nicht zu früh abschreiben.“
Die von vielen Fans zum Schicksals-derby ausgerufene Partie, die als Initialzündung für einen leidenschaftlichen Abstiegskampf mit Happy End dienen sollte, endete mit einer weiteren Ernüchterung. „Es ist natürlich ganz bitter, so hoch gegen die Dortmunder zu verlieren“, bekannte Gross, „aber Morgen werden wir Richtung Stuttgart schauen und versuchen, dort Punkte zu holen.“
Nicht nur der große Abstand zum Relegationsrang, sondern auch das Verletzungspech stimmt selbst Daueroptimisten skeptisch. Dass Sturmhoffnung Klaas-jan Huntelaar seit Wochen wegen einer Wadenzerrung nur zuschauen kann, sich Neuzugang Shkodran Mustafi beim Aufwärmen verletzte und Stammkeeper Ralf Fährmann mit einer Bauchmuskelblessur in der ersten Halbzeit ausgewechselt werden musste, passte ins Bild eines vom Glück verlassenen Abstiegskandidaten.
Schnell entlud sich bei einigen Fans der Frust über die anhaltende Erfolglosigkeit. Ungeachtet des coronabedingten Zuschauerverbots versuchten rund 200 Anhänger nach der Partie in das Stadion zu gelangen, wurden aber erfolgreich daran gehindert. Laut Polizei wurde gegen einen Fan ein Strafverfahren eingeleitet, aber niemand verletzt.
Dagegen wurden die Dortmunder von ihrem Anhang bei der Rückkehr zum eigenen Trainingszentrum euphorisch gefeiert. Weil einige der rund 150 bis 200 Fans dabei weder Masken trugen noch den notwendigen Abstand einhielten, räumte der BVB Verstöße gegen die Corona-regeln ein. Auf einem Video, das auf dem Account von Mahmoud Dahoud auf Instagram zeitweise veröffentlicht, aber später gelöscht worden war, war zu sehen, wie Reus, Erling Haaland, Emre Can & Co. hinter der Frontscheibe Fans zujubelten, die sie mit Pyro in Empfang nahmen.
Die Dortmunder baten um Entschuldigung für die Vorkommnisse und versprachen, „mit der Polizei und allen Beteiligten sehr zeitnah darüber zu sprechen, wie solche Szenen in der Öffentlichkeit zukünftig komplett auszuschließen sind“.
Besonders bejubelt wurden die Torschützen Jadon Sancho (42.), Haaland (45./79.) und Raphael Guerreiro (60.). Dank ihrer Treffer schöpfte der BVB wieder neuen Mut im Kampf um einen Champions-league-platz, der aber noch immer sechs Punkte entfernt liegt.