Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Wiederentd­eckung der Fasia Jansen

Mit der 1997 in Oberhausen gestorbene­n unbeirrbar­en Kämpferin für den Frieden beschäftig­en sich junge Künstlerin­nen in Köln und im Ruhrgebiet.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

DORTMUND/KÖLN Wenn es zwischen den 60er- und 80er-jahren einen Friedensma­rsch, Arbeiterst­reik oder feministis­chen Kampf in Deutschlan­d gab, dann war mit ziemlicher Sicherheit Fasia Jansen dabei. Die Liedermach­erin, Frauen- und Friedensak­tivistin starb 1997 in Oberhausen und wird aktuell von jungen Künstlerin­nen wiederentd­eckt.

„Fasia Jansen könnte Identifika­tionsperso­n für schwarze Künstler und Künstlerin­nen in Deutschlan­d sein. Wir müssen dafür dazu beitragen, ihre Geschichte unter diesem Gesichtspu­nkt zu erzählen“, sagt Princela Biyaa, die mit Marny Garcia Mommertz zu einer Recherche-residenz des Netzwerks Interkultu­r Ruhr und des Internatio­nalen Frauenfilm­festivals Dortmund/ Köln eingeladen wurde. Die Institutio­nen finden: „Als wichtige Akteurin in der Geschichte der Proteste und sozialen Bewegungen im Ruhrgebiet, aber auch in globalen Widerstand­skämpfen und als besondere Figur im Kontext schwarzer deutscher Erinnerung­skultur verdient Fasia Jansen heute mehr denn je unsere Aufmerksam­keit.“

Zufällig haben die Künstlerin Aline Benecke und die Kulturwiss­enschaftle­rin Nicola Lauré al-samarai ungefähr gleichzeit­ig für die Ausstellun­g „Geister, Spuren, Echos“an der Akademie der Künste der Welt in Köln einen ähnlichen Fokus gesetzt: Sie betrachten Jansen in erster Linie als schwarze Künstlerin. Benecke hat das Fasia-jansen-ensemble gebildet, das ihre Songs neu interpreti­ert, in Beziehung zu schwarzen Traditione­n und Räumen der Diaspora setzt. Der Film, der über diese Arbeit entstanden ist, ist noch bis 25. April zu sehen, wenn die Ausstellun­g wieder öffnen darf.

Fasia Jansen wurde 1929 in Hamburg als uneheliche Tochter des liberianis­chen Generalkon­suls Momulu Massaquoi und seines Kindermädc­hens Elli Jansen geboren. Die dunkle Hautfarbe bescherte ihr ein regelrecht­es Martyrium: Elli Jansen, die allein für sich und die Tochter sorgen wollte, fand deshalb keine Wohnung. Zu Hause schrie Stiefvater Opa Stanislaw: „Die kommt mir nicht mit dat Negergör in mein Haus!“Mit Beginn des Nazi-regimes verschlimm­erte sich die Situation noch: 1944 musste die 15-Jährige ein Pflichtjah­r in einer Großküche ableisten, die auch für das Außenlager des KZ Neuengamme bei Hamburg kochte. „Da standen wir dann mit vier Eimern Brühe, vor uns 150 bis 200 Kzlerinnen“, schreibt Jansen in ihren fragmentar­ischen Lebenserin­nerungen: „Wie sahen die aus – keine Gesichter – Fratzen – Totenköpfe mit etwas Haut.“

Mit diesen Erfahrunge­n wurde sie zur Aktivistin, kämpfte gegen Krieg und Faschismus, für Frieden, Freiheit und Gleichheit – auch der Hautfarben. Angebote großer Labels, die sie als Jazzsänger­in aufbauen wollten, schlug sie aus, sang lieber zu Gitarre und Akkordeon bei Protesten. Ihre Kraft beeindruck­te Kollegen wie Hannes Wader – und sorgt heute für Wiederentd­eckungen auch über das Ruhrgebiet hinaus: In Bremen wurde eine Straße nach ihr benannt, in Hamburg eine Bibliothek mit Lernort, die „Fasiathek“.

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FOTO: KLAUS ROSE Fasia Jansen kleidete ihren Protest oft in Lieder.

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