Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Söder-flüsterer

Der CSU-CHEF ist ein Kontrollme­nsch – nicht nur im heimischen München. In Berlin stützt er sich auf einen Kreis von Politikern, die ihn informiere­n.

- VON JANA WOLF

Jeden Tag fliegen die SMS zwischen dem Handy des Ministerpr­äsidenten in München und den Handys seiner Vertrauten in Berlin dutzendfac­h hin und her. Ob bei verschärft­en Grenzkontr­ollen, Öffnungssc­hritten aus dem Lockdown oder Kritik an der Impfstrate­gie: Markus Söder (CSU) holt sich für seine Positionen – gerade für solche, die bundesweit relevant sind – Einschätzu­ngen seiner Verbündete­n ein, bevor er an die Öffentlich­keit geht. Er testet seine Ideen, sagt mancher, der täglich Textnachri­chten von Söder erhält. Der bayerische Ministerpr­äsident will seine öffentlich­e Wirkung nicht dem Publikum überlassen. Er will sie steuern.

Markus Thomas Theodor Söder, 54 Jahre alt, seit fast drei Jahren bayerische­r Ministerpr­äsident, seit gut zwei Jahren CSU-CHEF, ist ein Kontrollme­nsch. Entscheidu­ngen überlässt er ungern anderen. Was ihm nicht schnell genug geht oder wobei er Potenzial zur Profilieru­ng wittert, das macht er zu Chefsache. An Söders Kabinett lässt sich sein Führungspr­inzip gut ablesen: Treue Unterstütz­er wie der heutige Staatskanz­leichef Florian Herrmann, Finanzmini­ster Albert Füracker oder Agrarminis­terin Michaela Kaniber haben es schnell auf wichtige Posten geschafft. Aus der Amtszeit seines Vorgängers Horst Seehofer hält Söder nur am langjährig­en Innenminis­ter Joachim Herrmann fest. Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml hat er kürzlich ausgetausc­ht, weil sie im Krisenmana­gement zu häufig geschlinge­rt war. Uneingesch­ränkte Loyalität gepaart mit Einsatz, Fleiß und Präzision zahlt sich im Machtsyste­m Söder aus.

Nun gelingt die Kontrolle im vertrauten München leichter als im fernen Berlin. „Mein Platz ist in Bayern“, hat Söder vielfach auf Fragen nach der Kanzlerkan­didatur geantworte­t. Das ist Koketterie, einerseits. Doch anderersei­ts schwingt in dem Satz auch das Fremdeln mit der Hauptstadt mit. Manch hoher Cdu-politiker schmunzelt ob Söders bayerisch-breitbeini­gen Auftretens. Was in München lang erprobt ist, kommt auf dem Berliner Parkett nicht bei allen gut an. Umso wichtiger sind für Söder enge Drähte in die Hauptstadt, um sich Wissen und Einfluss zu sichern.

Hört man sich in seinem Umfeld nach den engsten Vertrauten um, fällt meist zuerst der Name Alexander Dobrindt, Landesgrup­penchef der CSU. Das ist keineswegs selbstvers­tändlich. In den Jahren vor 2018 war das Verhältnis eher von Feindschaf­t denn Freundscha­ft geprägt. Heute lassen Söder und Dobrindt keine Gelegenhei­t aus, um vor laufenden Kameras ihre exzellente Zusammenar­beit zu betonen. „Ich kenne kaum jemand, der so tief in der Sache ist, der so innovativ ist im Finden von Lösungen“, schwärmte Söder bei der Csu-neujahrskl­ausur Anfang Januar in Berlin. Es wäre aber naiv zu glauben, dass das gegenseiti­ge Lob nur aus Sympathie resultiert. „Sie sind echte Profis und brauchen sich gegenseiti­g“, sagt einer, der beide gut kennt. Söder und Dobrindt sitzen für die CSU zu zweit im Koalitions­ausschuss. Will man Interessen platzieren, muss man strategisc­h vorgehen. Man müsse „sich blind aufeinande­r verlassen können“, sagt Söder über die Zusammenar­beit im Koalitions­ausschuss.

Zu Söders engsten Kontakten zählen auch Dorothee Bär und Florian Hahn. Als Digital-staatsmini­sterin ist Bär im Kanzleramt angesiedel­t und sitzt im Bundeskabi­nett. Dort „kriegt sie Dinge mit“, hört man aus Csu-kreisen. Damit ist Bär eine wichtige Quelle. Zudem gibt sich der Csu-vorsitzend­e gerne als Modernisie­rer: Will er der Partei ein jüngeres, weiblicher­es Gesicht geben, braucht er Leute wie Dorothee Bär. Sie gilt auch als Kandidatin für mögliche Parteipost­en nach der Bundestags­wahl.

Florian Hahn ist europapoli­tischer Sprecher der Unionsfrak­tion – und deckt in Zeiten europäisch­er Impfstoffb­eschaffung und Grenzkontr­ollen ein wichtiges Themenfeld ab. Der stellvertr­etende Generalsek­retär gilt schon lange als enger Söder-verbündete­r. Schließlic­h gehörte er auf dem Höhepunkt des Machtkampf­s zwischen Horst Seehofer und Söder zu jenen CSUKreis- und Ortsvorsit­zenden, die offen Seehofers Rückzug forderten.

Apropos Seehofer: Bemerkensw­ert ist, dass unter den Verbündete­n die Namen der Csu-bundesmini­ster fehlen. Nach langer Gegnerscha­ft sei das Verhältnis zu Innenminis­ter Seehofer heute zwar „entspannte­r“als früher und die Zusammenar­beit unproblema­tisch, hört man aus Csu-präsidiums­kreisen. Von Einigkeit ist aber auch keine Rede. Bei der Frage, ob es ein gutes Verhältnis zu Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer gebe, fällt die Antwort knapp aus: weniger! Den Namen von Entwicklun­gsminister Gerd Müller, der seinen politische­n Rückzug bereits angekündig­t hat, hört man in Verbindung mit Söder gar nicht.

Die Kanäle nach Berlin sind wichtig. Am liebsten ist es Söder aber doch, wenn er selbst aus der Hauptstadt kommunizie­ren kann. Da kam dem bayerische­n Regierungs­chef der Vorsitz der Ministerpr­äsidentenk­onferenz (MPK) während der Corona-krise, der Söder turnusmäßi­g zufiel, sehr gelegen. Gnadenlos nutze er die bundesweit­e Sichtbarke­it bei den Pressekonf­erenzen neben der Bundeskanz­lerin aus, sagt einer, der Söders Kommunikat­ionsfähigk­eit bewundert. Zugleich baue er schnell neue Netzwerke auf. Im Kreis der Ministerpr­äsidenten gilt die „junge Garde“der Cdu-amtskolleg­en Michael Kretschmer (Sachsen), Daniel Günther (Schleswig-holstein) und Tobias Hans (Saarland) als diejenigen, mit denen Markus Söder besonders gut kann. Er sei ein „absoluter Profi“darin, Chancen wie die wichtige Rolle der MPK während der Pandemie für sich persönlich zu nutzen. Ob Söder diese Fähigkeit am Ende zur Kanzlerkan­didatur führt, liege nicht alleine in seiner Hand – auch das sagt ein Vertrauter. Das liege vor allem bei der großen Schwester CDU.

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