Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Spahn verteidigt seine Teststrategie
Der Bundesgesundheitsminister hatte vor dem Bundestag einiges zu erklären.
BERLIN Am Ende gibt es sogar ein Kompliment. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) verabschiedet Jens Spahn mit den Worten: „Danke für ihr Stehvermögen.“Spahn lächelt, zieht seine Maske auf und verlässt recht zügig die Regierungsbank.
Zur Erleichterung hat er auch allen Grund: Der Bundesgesundheitsminister muss sich am Mittwoch kurz nach 13 Uhr eine gute Stunde den Fragen der Abgeordneten stellen. Der bislang erfolgsverwöhnte Politiker geht durch eine schwere Phase. Er steht in der öffentlichen Kritik; der Koalitionspartner SPD beginnt, sich an ihm abzuarbeiten. Und auch in den eigenen Reihen gibt es eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Pandemie-management des Gesundheitsministeriums. „Wir werden uns in der Pandemie viel verzeihen müssen“, hatte Spahn zu Beginn der Corona-krise im Bundestag gesagt. Jetzt sieht es so aus, als müsse er darauf setzen: Die Schlacht um die Masken, aber vor allem die schleppend anlaufende Impfkampagne und zuletzt die Unsicherheit im Umgang mit den Schnelltests – das hat vor allem die Bundesländer gegen Spahn aufgebracht. Aber auch zwischen ihm und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt es Spannungen. Spahn ist vom Überflieger zum Sündenbock geworden, so scheint es. Doch der 40 Jahre alte Ressortchef gibt nicht auf. Er behält die Nerven, gerät nicht aus der Ruhe – zumindest öffentlich nicht. Gefragt wird er an diesem Mittwoch im Bundestag vor allem nach den zunächst als kostenlos angekündigten Corona-schnelltests, möglichen Öffnungskonzepten und der holprigen Impfkampagne. Häufig verweist er dabei auf die Länder. Diese sind für die Impfzentren und auch die Öffnungen zuständig.
Spahn stellt der Bevölkerung im
Corona-lockdown wieder mehr Freiheit durch eine Ausweitung der Tests in Aussicht – ohne dabei sehr weit vorzupreschen: Schnellund Selbsttests würden Schritt für Schritt helfen, „ein Stück mehr Freiheit wiederzuhaben“. Laien-selbsttests seien geeignet, wenn jemand Sicherheit haben wolle. Sie könnten perspektivisch aber auch dazu dienen, wieder Besuche von Theatern oder anderen Veranstaltungen zu ermöglichen. „Das ist die Perspektive“, erklärt er. Er sei zuversichtlich, dass Woche für Woche mehr Tests auf den Markt kommen. Die Schnelltests wiederum seien überall dort die erste Wahl, wo ein durch Dritte dokumentiertes Ergebnis nötig sei – etwa bei Reisen.
Spahn wirbt erneut um Verständnis: „Wir wähnten uns auf einem guten Weg, aber dieses Virus gibt nicht einfach auf.“Doch alle Beteiligten bemühten sich, die Lage in den Griff zu bekommen – „mit Umsicht, mit Impfen, mit Testen“. Genau daran hakt es derzeit in Deutschland. Bekommt die Regierung die Pandemie im Sommer in den Griff, wird die Kritik an seiner Person verstummen. Gibt es weitere Verzögerungen, könnte er das Opfer der Krise werden. Von den nächsten Wochen hängt viel ab – auch für Spahn selbst.