Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ansturm auf die Schuldnerberater
In kaum einer Stadt in NRW sind so viele Menschen verschuldet wie in Duisburg. Um aus der Misere herauszukommen, benötigen die Betroffenen oft Hilfe von außen. Die Nachfrage wird auch wegen Corona immer größer.
Zu ihnen kommen die Menschen, wenn sie nicht mehr weiter wissen: Schuldnerberater suchen Auswege aus der finanziellen Misere. 2020 hatten sie in Duisburg viel zu tun. Die Stadt hat ohnehin bereits seit Jahren eine der höchsten Schuldnerquoten in NRW. Und dann kam auch noch die Corona-krise hinzu. 691 Personen haben 2020 allein bei der Schuldnerberatung der Stadt Duisburg vorgesprochen. „Im Vergleich zum Jahr 2019 gab es eine Steigerung der Erstkontakte um 31 Prozent“, teilt ein Stadtsprecher auf Anfrage mit. Im Zehn-jahres-vergleich gebe es sogar 74 Prozent mehr Vorsprachen.
Die Stadt ist nur einer von mehreren Ansprechpartnern für Schuldner in Duisburg. Neben Awo und Diakoniewerk bietet beispielsweise auch die Caritas kostenlose Beratungen an. Hans-peter Hiedels ist seit 1999 Caritas-schuldnerberater in Duisburg. „Die Nachfrage nach Schuldnerberatung ist in den letzten Jahren ständig gestiegen“, sagt er. Stellen seien aufgestockt worden. Dennoch sind die sieben Mitarbeiter teilweise am Limit. In Duisburg gebe es über 60.000 verschuldete Haushalte. „Wenn alle gleichzeitig anrufen, würde das nicht funktionieren.“
17,5 Prozent der Duisburger waren laut dem aktuellen Armutsbericht des Nrw-landesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales 2019 überschuldet. In Herne, dem Nrw-weiten Spitzenreiter, war die Quote mit 18,3 Prozent nur unwesentlich höher. Auch bei den Sozialleistungen liegt Duisburg in der unrühmlichen Spitzengruppe. Am Jahresende 2018 betrug die „Mindestsicherungsquote“der Anspruchsberechtigten 17,1 Prozent. Mehr als jeder vierte minderjährige Duisburger bezog Mindestsicherungsleistungen.
Wenn sich Menschen in Not bei Hans-peter Hiedels melden, verschafft sich der Schuldnerberater erstmal einen Überblick. Einkommen, Familienstand, Gläubigeranzahl, dringendste Forderungen – alles, was in dieser Situation eine Rolle spielt. „Der Beratungsprozess kann unterschiedlich lange dauern“, sagt Hiedels. Auch schonmal bis zu fünf Jahre. Vergebens sei er aber nie. „Natürlich können wir immer helfen.“
Den typischen Schuldner gibt es nicht. Das sagen sowohl die Stadt als auch Hans-peter Hiedels. Kreditschulden, ein nicht angepasstes Konsumverhalten, Arbeitslosigkeit, Mietschulden, Trennung, Krankheit, Tod eines Angehörigen: „Dies sind nur einige der vielfältigen Gründe, die Menschen bewegen sich an eine Schuldnerberatung zu wenden“, teilt die Stadt mit. Meist seien es wirtschaftliche Unerfahrenheit oder hohe Risikobereitschaft plus „irgendein Ereignis, das nicht vorhersehbar war“, sagt Hiedels. „Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der sich bewusst verschuldet hat.“Der Großteil der Hilfesuchenden sei zwischen 25 und 50 Jahre alt.
Damit weniger Menschen in die Schuldenfalle geraten, wünscht sich Hiedels mehr Präventionsangebote, vor allem für junge Menschen. „Es wäre besser, wenn das schon in der Schule anfängt“, sagt er. Viele Jugendliche hätten kein Gefühl im Umgang mit Geld. Mit dem eigenen Auto, der eigenen Wohnung und der ersten selbst bezahlten Handyrechnung beginne daher oft der Weg in die Schulden. „Das war immer schon ein Problem.“
Gerade in Corona-zeiten trifft es oft die Schwachen der Gesellschaft. Zwar meldeten sich seit Beginn der Pandemie auch mehr Selbstständige als zuvor bei der Caritas-schuldnerberatung, oft seien es jedoch die, denen es vorher schon finanziell schlecht ging. Gerade prekär Beschäftigte seien nun von Arbeitslosigkeit bedroht, oft Ungelernte und Alleinerziehende. „Die trifft das dann noch härter“, sagt der Experte. Wer mehr Geld habe, könne auch eine Verschuldungssituation länger durchhalten.
Auch für Hiedels wurde der Job durch Corona schwieriger. „Im Wochenabstand wurden Dinge geändert“, sagt er. Immer wieder muss sich auch die Schuldnerberatung auf eine neue Rechtsprechung einstellen, um den Menschen bestmöglich helfen zu können. Dabei wird ihm schon so nicht langweilig. „In der Schuldnerberatung ist immer alles denkbar.“Das sage er auch seinen Klienten.