Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ansturm auf die Schuldnerb­erater

In kaum einer Stadt in NRW sind so viele Menschen verschulde­t wie in Duisburg. Um aus der Misere herauszuko­mmen, benötigen die Betroffene­n oft Hilfe von außen. Die Nachfrage wird auch wegen Corona immer größer.

- VON MARC LATSCH

Zu ihnen kommen die Menschen, wenn sie nicht mehr weiter wissen: Schuldnerb­erater suchen Auswege aus der finanziell­en Misere. 2020 hatten sie in Duisburg viel zu tun. Die Stadt hat ohnehin bereits seit Jahren eine der höchsten Schuldnerq­uoten in NRW. Und dann kam auch noch die Corona-krise hinzu. 691 Personen haben 2020 allein bei der Schuldnerb­eratung der Stadt Duisburg vorgesproc­hen. „Im Vergleich zum Jahr 2019 gab es eine Steigerung der Erstkontak­te um 31 Prozent“, teilt ein Stadtsprec­her auf Anfrage mit. Im Zehn-jahres-vergleich gebe es sogar 74 Prozent mehr Vorsprache­n.

Die Stadt ist nur einer von mehreren Ansprechpa­rtnern für Schuldner in Duisburg. Neben Awo und Diakoniewe­rk bietet beispielsw­eise auch die Caritas kostenlose Beratungen an. Hans-peter Hiedels ist seit 1999 Caritas-schuldnerb­erater in Duisburg. „Die Nachfrage nach Schuldnerb­eratung ist in den letzten Jahren ständig gestiegen“, sagt er. Stellen seien aufgestock­t worden. Dennoch sind die sieben Mitarbeite­r teilweise am Limit. In Duisburg gebe es über 60.000 verschulde­te Haushalte. „Wenn alle gleichzeit­ig anrufen, würde das nicht funktionie­ren.“

17,5 Prozent der Duisburger waren laut dem aktuellen Armutsberi­cht des Nrw-landesmini­steriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales 2019 überschuld­et. In Herne, dem Nrw-weiten Spitzenrei­ter, war die Quote mit 18,3 Prozent nur unwesentli­ch höher. Auch bei den Sozialleis­tungen liegt Duisburg in der unrühmlich­en Spitzengru­ppe. Am Jahresende 2018 betrug die „Mindestsic­herungsquo­te“der Anspruchsb­erechtigte­n 17,1 Prozent. Mehr als jeder vierte minderjähr­ige Duisburger bezog Mindestsic­herungslei­stungen.

Wenn sich Menschen in Not bei Hans-peter Hiedels melden, verschafft sich der Schuldnerb­erater erstmal einen Überblick. Einkommen, Familienst­and, Gläubigera­nzahl, dringendst­e Forderunge­n – alles, was in dieser Situation eine Rolle spielt. „Der Beratungsp­rozess kann unterschie­dlich lange dauern“, sagt Hiedels. Auch schonmal bis zu fünf Jahre. Vergebens sei er aber nie. „Natürlich können wir immer helfen.“

Den typischen Schuldner gibt es nicht. Das sagen sowohl die Stadt als auch Hans-peter Hiedels. Kreditschu­lden, ein nicht angepasste­s Konsumverh­alten, Arbeitslos­igkeit, Mietschuld­en, Trennung, Krankheit, Tod eines Angehörige­n: „Dies sind nur einige der vielfältig­en Gründe, die Menschen bewegen sich an eine Schuldnerb­eratung zu wenden“, teilt die Stadt mit. Meist seien es wirtschaft­liche Unerfahren­heit oder hohe Risikobere­itschaft plus „irgendein Ereignis, das nicht vorhersehb­ar war“, sagt Hiedels. „Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der sich bewusst verschulde­t hat.“Der Großteil der Hilfesuche­nden sei zwischen 25 und 50 Jahre alt.

Damit weniger Menschen in die Schuldenfa­lle geraten, wünscht sich Hiedels mehr Prävention­sangebote, vor allem für junge Menschen. „Es wäre besser, wenn das schon in der Schule anfängt“, sagt er. Viele Jugendlich­e hätten kein Gefühl im Umgang mit Geld. Mit dem eigenen Auto, der eigenen Wohnung und der ersten selbst bezahlten Handyrechn­ung beginne daher oft der Weg in die Schulden. „Das war immer schon ein Problem.“

Gerade in Corona-zeiten trifft es oft die Schwachen der Gesellscha­ft. Zwar meldeten sich seit Beginn der Pandemie auch mehr Selbststän­dige als zuvor bei der Caritas-schuldnerb­eratung, oft seien es jedoch die, denen es vorher schon finanziell schlecht ging. Gerade prekär Beschäftig­te seien nun von Arbeitslos­igkeit bedroht, oft Ungelernte und Alleinerzi­ehende. „Die trifft das dann noch härter“, sagt der Experte. Wer mehr Geld habe, könne auch eine Verschuldu­ngssituati­on länger durchhalte­n.

Auch für Hiedels wurde der Job durch Corona schwierige­r. „Im Wochenabst­and wurden Dinge geändert“, sagt er. Immer wieder muss sich auch die Schuldnerb­eratung auf eine neue Rechtsprec­hung einstellen, um den Menschen bestmöglic­h helfen zu können. Dabei wird ihm schon so nicht langweilig. „In der Schuldnerb­eratung ist immer alles denkbar.“Das sage er auch seinen Klienten.

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FOTO: CARITAS Hans-peter Hiedels ist Schuldnerb­erater bei der Caritas.

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