Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Merkels nächste Bewährungs­probe

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Die Abläufe sind stets dieselben, die Themen ähneln sich: Öffnen oder nicht? Die Ministerpr­äsidentenk­onferenz berät an diesem Mittwoch erneut. Doch für die Kanzlerin geht es diesmal um mehr. Sie konnte sich in der Corona-pandemie stets darauf verlassen, dass eine große Mehrheit der Bevölkerun­g ihren Kurs mitträgt.

Doch es ist etwas ins Rutschen geraten. Es gibt großen Unmut, zurzeit kommen viele Dinge ungünstig zusammen. Das Infektions­geschehen ist diffus, die Infizierte­nzahlen und die sonstigen Pandemiewe­rte sinken nicht mehr, steigen allerdings auch (noch?) nicht unkontroll­iert. Die Warnungen von Medizinern und Wissenscha­ftlern aber vor einer dritten Welle durch die Mutation sind da, manches Szenario wirkt sehr bedrohlich. Gleichzeit­ig bröckelt das Vertrauen der Menschen zusehends. Warum?

Bei den großen Linien hat die Politik in Deutschlan­d kein gutes Bild abgegeben. Warum gelingt es immer noch nicht, Schulen und Kitas unter Pandemiebe­dingungen wieder zu öffnen? Das Schuljahr kann schon jetzt abgehakt werden. Warum gelingt es nicht, den nun vorhandene­n Impfstoff schnellstm­öglich unter die gesamte Bevölkerun­g zu bringen – stattdesse­n aber über Gesetzentw­ürfe für vermeintli­che Impfvordrä­ngler nachzugrüb­eln? Merkel hätte in den vergangene­n zwei Wochen hier die Deutungsho­heit an sich ziehen sollen, öffentlich klarmachen, dass das die oberste Priorität ihrer Regierung ist.

Es braucht jetzt weniger düstere Prophezeiu­ngen als eine klare Linie: impfen, impfen, impfen, egal wen und wo, Hauptsache, der vorhandene Impfstoff kommt nun zu den Menschen, die ihn nötig haben, und dann zu denen, die ihn wollen. Merkel sollte jetzt vorsichtig agieren und dennoch zeigen, dass sie die Signale der Bürger ernst nimmt. Regeln nützen nichts mehr, wenn keiner sich daran hält.

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