Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Freispruch für Lgbt-aktivistinnen in Polen
Die sogenannte Regenbogen-madonna sieht das Gericht nicht als Verletzung religiöser Gefühle an.
PLOCK Wann beginnt in Polen die „Verletzung der religiösen Gefühle“? Die Schwarze Madonna mit einem Regenbogen-heiligenschein abzubilden, gehört nicht dazu. So lautet das vielbeachtete Urteil des Regionalgerichts der polnischen Stadt Plock vom Dienstag.
Der Tatbestand: Drei Aktivistinnen der vom Regierungslager angefeindeten Lgbt-bewegung (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) hatten im Mai 2019 das verfremdete Abbild der berühmten Madonna-ikone des Schwarzen Klosters in der Stadt auf verschiedene Flächen geklebt, vor allem um die Kirche des Heiligen Dominikus, wo Homosexualität zu den Sünden wie Hass und Verrat gezählt wurde.
Die Regenbogenfarbe als „Marke“der sexuellen Minderheit sah das Gericht nicht als Verletzung irgendwelcher religiöser Gefühle an.
„Im Katechismus der katholischen Kirche findet sich keine Vorschrift zum Ausschluss von nicht heteronormativen Personen“, so der abschließende Satz der Richterin Agnieszka Warhol.
Den Beklagten hätte theoretisch eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren gedroht. „Dieses Urteil ist von großer Bedeutung. Der Strafbestand ,Herabwürdigung der religiösen Gefühle’ ist sehr ungenau. Darum ist die Interpretation des Gerichts so bedeutend“, sagt Radoslaw Baszuk, der Anwalt der drei Frauen, auf Anfrage.
Das Urteil ist ein weiteres Kapitel des Kulturkampfs, der an der Weichsel ausgetragen wird. Die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PIS) sieht sich als Verteidigerin von Tradition und Kirche. Die Forderungen der sexuellen Minderheiten nach mehr Akzeptanz, wozu auch die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft gehört, werden als Angriff auf diese Werte gesehen. Den Organisationen wird unterstellt, die Gesellschaft umerziehen zu wollen.
Besondere internationale Aufmerksamkeit hatten die „Lgbt-freien Zonen“erregt, eine Initiative einer rechten Wochenzeitschrift, der sich 2019 mehrere Kommunen, Kreise und Bezirke anschlossen. Derzeit findet eine Auseinandersetzung um eine Verschärfung des Abtreibungsverbots statt, bei der die Polizei gegen die Protestierenden mit Härte vorgeht.
Auch Elzbieta Podlesna, die federführende Aktivistin der Aktion mit der Schwarzen Madonna, wurde im vergangenen Jahr von der Polizei verhaftet. Der Freispruch wurde im liberalen Polen mit Begeisterung aufgenommen.
Das nationalkatholische Lager wird jedoch nicht aufgeben. Denn die Schwarze Madonna gilt als das Heiligtum der Nation; zu ihr, deren Wunderwirken im 17. Jahrhundert für den Sieg über die schwedischen Invasoren gesorgt haben soll, pilgern jeden Sommer Massen. Rechte Portale sehen in dem Urteil darum einen Skandal. Auch will die Staatsanwaltschaft, die ein halbes Jahr Haft und eine Geldstrafe gefordert hat, in Berufung gehen.