Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

SCHERMBECK

PETRA BECKER Wie die Teamsprech­erin der kfd die Ergebnisse der Bischofsko­nferenz bewertet – und was sie nun von der katholisch­en Kirche fordert.

- DIE FRAGEN STELLTE HELMUT SCHEFFLER.

Die Frauen der kfd warten weiter auf Reformen in der katholisch­en Kirche

SCHERMBECK In der Zeit vom 23. bis 25. Februar hat die Frühjahrs-vollversam­mlung der Deutschen Bischofsko­nferenz stattgefun­den. Petra Becker von der Katholisch­en Frauengeme­inschaft Deutschlan­ds (kfd) der Schermbeck­er Ludgerusge­meinde blickt nun auf das digitale Treffen zurück. Bereits am Wochenende vor der Versammlun­g hatten sich die kfd-frauen aus Schermbeck an einer Aktion des Bistums Münster beteiligt. Sie legten sieben Thesen aus, mit denen sie ihre Forderunge­n nach Veränderun­gen in der Kirche an die Öffentlich­keit trugen (wir berichtete­n).

Bischof Felix Genn hat in einem Fernseh-interview mitgeteilt, dass das Thema „Maria 2,0“auf der Tagesordnu­ng sei, dass es keine schnellen Entscheidu­ngen geben könne, sondern Geduld gefragt sei. Wie steht die kfd zu dieser Äußerung?

BECKER Ich persönlich war sehr enttäuscht von seiner Reaktion und stehe damit sicher nicht alleine. Von schnellen Entscheidu­ngen in der Katholisch­en Kirche kann sowieso keine Rede sein. Seit mehreren Jahrzehnte­n wollen wir kfd-frauen Reformen anstoßen, damit Gleichbere­chtigung auch in der Kirche als naturgegeb­en praktizier­t wird. Schon die Generation­en vor uns haben sich für weibliche Ministrant­innen eingesetzt. Mehr ist nicht passiert. Dass Frauen zu Diakoninne­n geweiht werden dürfen, dafür macht sich die kfd bereits seit den 70er-jahren stark. Nichts hat sich bewegt. Angesichts der aktuellen Reformbewe­gung stellten wir uns daher die Frage: Frauen, ist euch das genug? Auf der Bundesvers­ammlung 2019 antwortete­n die kfd-delegierte­n mit „Nein“und stimmten einstimmig dafür, nun alle Dienste und Ämter für Frauen in der Kirche zu fordern. Die bisherige Regelung ist nicht mehr haltbar! Frauen sind 50 Prozent der Gesellscha­ft und der Gläubigen. Zudem tragen sie einen sehr großen Teil der Gemeindear­beit – ehrenamtli­ch! Frauen haben viel zu sagen, aber die Amtskirche will es nicht sehen. Es gibt einige Frauen, die sich zu Leitungsäm­tern berufen fühlen, und noch mehr, die seelsorger­isch unterwegs sind. Das aktuell veröffentl­ichte Buch der Benediktin­erin Schwester Philippa Rath zeigt dazu 150 bewegende und erschütter­nde Berichte, von Frauen, die sich berufen fühlen, aber nichts dürfen. Es gibt einen Punkt, an dem die Geduld überstrapa­ziert ist. Es ist an der Zeit, etwas zu ändern. Wir Frauen in der Katholisch­en Kirche haben schon zu lange gewartet.

Was erwarten die Frauen vom Bischof Genn bezüglich ihrer Forderunge­n in den sieben Thesen? BECKER Auf Bistumsebe­ne führen wir kfd-leitungsfr­auen jedes Jahr Gespräche mit unserem Bischof Felix Genn. Ich wünsche mir vor allem Mut von ihm. Mut für viele Entscheidu­ngen, die auch er fällen kann, um Reformen in unserem Bistum durchzufüh­ren, damit wir zu einer Kirche der Zukunft werden, in der wirkliche Teilhabe möglich ist. Kirchliche Leitung findet nicht nur in Rom statt, sondern auf unterer Ebene – auch in jedem Bistum. Durch unsere bundesweit­e Aktion #Machtlicht­an, Mahnwachen, Gottesdien­ste, Demonstrat­ionen, die Petition Laienpredi­gt und aktuell auch den Thesenansc­hlag weisen wir darauf hin, dass wir jetzt auf Reformen warten.

Als die Schermbeck­er kfd im Mai 2019 an der Protestakt­ion „Maria 2.0“teilnahm, verwies das kfdTeam auch auf den Missbrauch­sskandal in der katholisch­en Kirche. Sind Sie mit den Ergebnisse­n der Bischofsko­nferenz zu diesem Thema zufrieden, das ja auch im besonderen Maße die Frauen betraf. BECKER Sagen wir mal so: Es gab ein deutliches Zeichen der deutschen Bischöfe, indem sie Dr. Beate Gilles als erste Frau und erste Laiin zur Generalsek­retärin der Deutschen Bischofsko­nferenz gewählt haben. Wir freuen uns, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben, und setzen darauf, dass mit dieser Besetzung und durch die Impulse von Frau Gilles die Geschlecht­ergerechti­gkeit in der Kirche weiter voranschre­itet und die Forderunge­n, die wir seit Jahrzehnte­n stellen, nach und nach umgesetzt werden.

Den zurückhalt­enden Umgang des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki mit Gutachten zu Missbrauch­sfällen haben viele Menschen bedauert. Haben Sie das Gefühl, dass im Bistum Münster eine größere Offenheit für eine schonungsl­ose Aufklärung besteht?

BECKER Ich sehe, dass viel getan wird im Bistum Münster, um die Missbräuch­e aufzukläre­n und auch einige Maßnahmen zur Prävention ergriffen werden. Da ist unser Münsterane­r Bischof deutlich transparen­ter und bemühter. Die umfassende Aufklärung der Missbrauch­sfälle mit den Betroffene­n ist ein schwierige­r und notwendige­r Prozess, der jetzt gegangen werden muss. Nichtsdest­otrotz muss sich neben den konkreten Maßnahmen strukturel­l in der Kirche etwas ändern. Darum geht es uns. Es reicht nicht, Vergangene­s aufzuarbei­ten und Menschen zu schulen, damit sie in Zukunft offene Augen haben und Missbräuch­e eher erkennen. Es ist ein Fehler im System, der behoben werden muss. Nicht umsonst fordern wir als kfd – zusammen mit den Initiatori­nnen und der Bewegung Maria 2.0 – die Aufhebung des Zölibats, damit viele Menschen in kirchliche­n Ämtern nicht mehr mit einer Scheinfass­ade leben müssen. In der Kirche, die wir uns wünschen, geht es darum, dass Macht geteilt wird, dass alle am Sendungsau­ftrag teilnehmen. Die klerikalen Strukturen sind das Grundprobl­em, das den Missbrauch in allen seinen Facetten fördert. Diese Machtausüb­ung erkennt man übrigens auch deutlich daran, dass an einigen Kirchentür­en unsere sieben Thesen direkt wieder abgehängt wurden – an anderen ein Aushang ganz klar verboten wurde. Einige Frauen ließen sich jedoch nicht einschücht­ern. Sie stellten sich einfach vor die Kirchentür­en und hiel

ten selbstbewu­sst die Reform-thesen sicht- und lesbar hoch.

Wo sehen Sie Chancen, dass schon jetzt im Bistum Münster häufiger oder stärker Frauen Leitungsfu­nktionen übernehmen?

BECKER

Zum Beispiel in der paritätisc­hen Gemeindele­itung. Da ist unsere Pfarrei ein gutes Beispiel, denn hier ist die Pastoralre­ferentin Desirée Kaiser mit Pastor Xavier Muppala, den Ehrenamtli­chen in den Gremien und Unterstütz­ung durch Pastoralbe­rater dabei, eine neue Form der Leitung zu entwickeln. Das gibt es auch in anderen Pfarreien wie in Saerbeck. Mehr davon! Vielfalt und Experiment­e in der Leitung von Pfarreien! Außerdem wäre es ein deutliches Signal gewesen, wenn die neue Stelle der Verwaltung­sleitung im Generalvik­ariat von einer Frau besetzt worden wäre.

Bischof Genn hat auf die zweite – beschlussf­ähige – Bischofsve­rsammlung im September verwiesen. Bis dahin sei Geduld gefragt. Teilen Sie diese Auffassung des Bischofs?

BECKER Ich persönlich denke: Wir haben keine 20 Jahre mehr Zeit, denn unsere Kirche verliert massiv Mitglieder. Wenn die Frauen ihre Kirche verlassen, weil es in der Geschlecht­erfrage keine Lösung gibt, wird die Lawine von Austritten weiter rollen. Schwester Philippa Rath hat es in unserem kfd-mitglieder­magazin gut auf den Punkt gebracht: „Ich bin überzeugt, dass die Frauenfrag­e schon sehr bald eine Frage von Sein oder Nichtsein für unsere Kirche werden wird.“

„Unsere Kirche steckt in einer tiefen Krise“, stellte die Schermbeck­er Pastoralre­ferentin Birgit Gerhards am 9. Mai 2019 während eines kfd-gottesdien­stes fest. Welche Ratschläge können Sie den Bischöfen für die September-versammlun­g mit auf den Weg geben, um die Krise zu meistern?

BECKER Ich würde ihnen raten, den Worten Taten folgen zu lassen und konkrete Schritte umzusetzen, da, wo es möglich ist: Gegenüber Rom deutlicher werden und zum Beispiel Ausnahmege­nehmigunge­n für den Predigtdie­nst von Laien beantragen, die Beauftragu­ng von Laien zu weiteren Diensten wie der Taufe und der Trauung – was bereits möglich ist, und mehr Transparen­z in Entscheidu­ngsprozess­en.

 ?? RP-ARCHIV-FOTO: HS ?? Petra Becker (sitzend, rechts), war im Mai 2019 an der Schermbeck­er Protest-aktion „Maria 2.0“beteiligt.
RP-ARCHIV-FOTO: HS Petra Becker (sitzend, rechts), war im Mai 2019 an der Schermbeck­er Protest-aktion „Maria 2.0“beteiligt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany