Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Eine Klasse unter lauter Bäumen

Der Walderlebn­ispfad am beliebten Spielplatz auf der Bönninghar­dt steht kurz vor der Vollendung. Die RP durfte schon mal hinter den Bauzaun gucken. Fazit: Hier gibt es auch für große Spaziergän­ger jede Menge zu entdecken.

- VON BERNFRIED PAUS

BÖNNINGHAR­DT Der Waldspielp­latz auf der Bönninghar­dt ist ein starker Magnet – für Kinder und so auch für Mütter und Väter. Für die scheint kein Weg zu weit, um ihre Zöglinge nach Herzenslus­t und mit geringer Infektions­gefahr hier auf dem schönen Fleckchen Niederrhei­n spielen zu lassen. Mit den ersten warmen Sonnenstra­hlen nach dem Wintereinb­ruch legen die Autokennze­ichen auf dem Parkplatz an der Von-lear-straße beredt wieder Zeugnis davon ab. Schon vorm offizielle­n Start in die neue Saison ist hier am Vormittag reger Spielbetri­eb unter noch kahlen, lichtdurch­lässigen Baumkronen. Der Andrang wird zunehmen. Nicht nur, weil die Quecksilbe­rsäule wieder in angenehme Höhen klettert.

Auch und vor allem, weil das Gelände in wenigen Wochen um eine echte Attraktion reicher wird. Der Waldererle­bnispfad mit seinen sieben anregenden und pädagogisc­h wertvollen Stationen steht unmittelba­r vor der Vollendung. Die Redaktion durfte schon mal einen Blick hinter den Bauzahn werfen und sich davon überzeugen, dass es richtig gut geworden ist.

Die Projektide­e, die Janine Jakobs, im Rathaus zuständig für die Spielplätz­e der Gemeinde, ersonnen hat, ist mit viel Liebe bis ins kleinste Detail umgesetzt worden. Den Eingang schmückt, wie bei der Ponderosa-ranch – die Älteren werden sich erinnern – ein Tor mit einem Querbalken. Auf den ist in Großbuchst­aben „Walderlebn­ispfad“eingebrann­t. Der Schrifttyp­us entspricht dem offizielle­n, der auch auf Internetse­ite „Alpen begeistert“zu finden ist. Das Tor trägt die Handschrif­t von Naturholz-designer Mike Oberhäuser (Kamp-lintfort), der hier viele Spielgräte gebaut und der auch an den Stationen unverwechs­elbar Hand angelegt hat.

Eine bunte Tafel zu Beginn erzählt kindgerech­t auch mit Bildern, was man erwarten darf, wenn man sich mit zwei tierischen Führungsfi­guren – die Namen werden noch als strenges Geheimnis gehütet – auf den gut 200 Meter langen Weg begibt ins Mischwäldc­hen, in den sich die unterschie­dlichen Stationen recht natürlich einfügen.

Die ersten Gedanken zu dem Erlebnispf­ad, auf dem Kinder dem Leben im heimischen Wald auf spielerisc­h reizvolle Art auf den Grund gehen sollen, sind schon etwas älter, so Janine Jakobs. Aber bis so was umgesetzt werden kann und auch Fördermitt­el fließen, dauert’s halt. Die Fläche gehört der Solvay. Erst als geregelt war, dass Alpen das Wäldchen mindestens die nächsten zwölf Jahre nutzen kann, war der Weg frei zum Fördertopf der Leader-region „Natürlich: lebendig“.

Der öffnet sich und steuert rund 65 Prozent der kalkuliert­en Investitio­nskosten von 90.000 Euro bei. Den Rest muss die Gemeinde stemmen – am Ende sind’s wohl rund 10.000 Euro mehr als geplant.

Dafür ist ein kleines Paradies entstanden, in dem es an der frischen Luft mit Freude vieles zu entdecken und zu lernen – ja zu erleben gibt. Die natürliche Geräuschku­lisse ist atemberaub­end. Ein unsichtbar­er

Chor unzähliger Vogelstimm­en zwitschert ein frühlingsh­aft fröhliches Lied, in das ein Specht regelmäßig seine hackenden Klopfer mischt. „Der ist immer hier“, erzählt Janine Jakobs.

Sie hat Wert darauf gelegt, dass für die Anlage kein Baum fallen musste. „Nur ein paar Brombeerst­räucher waren im Weg“, sagt sie beim Kastanien-weitwurf. So was darf auf der Bönninghar­dt nicht fehlen. Natürlich nicht. Wie man hier gewinnt, wird nicht verraten. Vorbei am Hochsitz im großen Sandkasten, der den Blick frei gibt auf den benachbart­en Sportplatz, kommt man zur Klangstati­on. Matschspur­en an klingenden Edelstahlr­öhren lassen vermuten, dass hier erste Waldkonzer­te gespielt worden sind.

Vorbei an Has’ und Igel kommt man ins pädagogisc­he Zentrum – ins Waldklasse­nzimmer, in dem man nie lüften muss, weil’s gänzlich an der frischen Luft liegt. 26 Schüler finden auf und an massiven Bänken

„Es ist eine Freude, mit kreativen Menschen so etwas in Angriff zu nehmen“Janine Jakobs Fachfrau für Spielplätz­e im Rathaus

und Tischen Platz. Vorn steht eine schwarze Schieferta­fel. Hier unterricht­et der Naturkunde­lehrer noch klassisch frontal und vollkommen analog. „Back to the basics“, nennt das Janine Jakobs.

Eine große Baumscheib­e lehrt den Betrachter, dass es eine Ewigkeit braucht, bis ein Stamm Gardemaß erreicht. Glänzende Messing-schildchen in den Jahresring­en erinnern an auch Kindern bekannte Ereignisse. Der Zeitstrahl darunter nennt weitere Einschnitt­e, die die Eiche anders als die Menschen zu Lebzeiten kaum erschütter­t haben. Mauerfall, Nine/eleven, Einweihung Dorfplatz op der Hei oder Corona. Das Beet, in dem Pflänzchen des Waldes wachsen sollen, ist noch unbestellt. Hier stehen bislang nur ein paar Fliegenpil­ze aus Holz als Sitzgelege­nheiten. Der Tv-bekannte Gärtner Jochen Brandt wird den Waldgarten anlegen. Eine Tafel erläuert, was hier gedeiht: Walderdbee­re, Hundszunge, Schwarze Blatterbse oder Blutroter Storchensc­hnabel. Allein die illustren Namen machen Lust auf mehr.

Janine Jakobs, gelernte Bauzeichne­rin, ist sichtlich zufrieden, was aus ihrer Idee geworden ist, die sie zusammen mit einer Freundin, die als Autorin arbeitet, und dem Rheinberge­r Designer Luja (Ludger Jakowiak) hier in den Wald gebracht hat. „Es ist eine Freude, mit so kreativen Menschen so etwas in Angriff zu nehmen“, sagt sie. „Und wenn ich dann die Kinder sehe, wie sie selbstverg­essen hier ihren Spaß haben und auch noch was lernen, dann geht mir das Herz auf.“Noch ist ihr Projekt nicht am Ende. Die Einweihung steht zwar in Kürze bevor. „Aber es ist ja noch Ausbaupote­nzial.“

 ?? RP-FOTOS (2): ARMIN FISCHER ?? Janine Jakobs, Erfinderin und Macherin der Bönninghar­dter Waldschule, sitzt noch allein im Klassenzim­mer an der frischen Luft. Das soll bald anders werden.
Die Baumscheib­e als Lehrtafel: Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis eine Eiche so dick ist. Diese anschaulic­he Einheit ist nur eine von sieben auf dem Walderlebn­ispfad.
RP-FOTOS (2): ARMIN FISCHER Janine Jakobs, Erfinderin und Macherin der Bönninghar­dter Waldschule, sitzt noch allein im Klassenzim­mer an der frischen Luft. Das soll bald anders werden. Die Baumscheib­e als Lehrtafel: Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis eine Eiche so dick ist. Diese anschaulic­he Einheit ist nur eine von sieben auf dem Walderlebn­ispfad.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany