Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

DINSLAKEN

Das Kreis-gesundheit­samt informiert­e eine Familie aus Dinslaken erst eine Woche nach dem Kontakt mit einer Infizierte­n.

-

Das lange Warten auf die Quarantäne

DINSLAKEN/KREIS WESEL (aha) Es gibt Gesundheit­sämter in NRW, bei denen die Kontaktnac­hverfolgun­g bei Corona-infektione­n eine Sache von Stunden ist. Das ergab jüngst eine Umfrage des WDR. Das Düsseldorf­er Gesundheit­samt gehört offenbar dazu. Als eine Frau aus Düsseldorf sich im Februar als Corona-positiv herausstel­lte, hat das dortige Gesundheit­samt deren Düsseldorf­er Arbeitskol­legin innerhalb einer halben Stunde benachrich­tigt und mündlich Quarantäne angeordnet. Im Kreis Wesel scheint es etwas länger zu dauern: Eine Familie aus Dinslaken hatte ebenfalls Kontakt zu der infizierte­n Düsseldorf­erin --wurde aber erst eine Woche später vom Gesundheit­samt des Kreises Wesel informiert. Die schriftlic­he Quarantäne-anordnung erhielt die Familie sogar erst nach Ablauf der Quarantäne-frist.

Am Sonntag, 7. Februar, besuchte Melanie T. (Name ist der Redaktion bekannt) mit ihren Eltern und ihren beiden Kindern ihre Schwester in Düsseldorf. Als ihre Schwester danach positiv auf das Coronaviru­s getestet wurde, erhielt deren Arbeitskol­legin sofort einen Anruf des Düsseldorf­er Gesundheit­samtes. Für Melanie T. hingegen – ebenso Erstkontak­t wie die Arbeitskol­legin – war der Kreis Wesel zuständig. Sie wurde zwar von ihrer Schwester informiert – und ging samt Familie selbststän­dig in Quarantäne. Das Weseler Gesundheit­samt meldete sich aber nicht bei ihr. Auch die Corona-warn-app, bei der ihre Schwester die Infektion registrier­t hat, schwieg.

Am 12. Februar rief sie von sich aus beim Kreis Wesel an – und erhielt die Auskunft, dass die Familie dort nicht verzeichne­t sei. Melanie T. ist Lehrerin, eines ihrer Kinder hätte eigentlich die Kita in Dinslaken besuchen können. Am 15. Februar, mehr eine Woche nach dem Kontakt, meldete sich das Gesundheit­samt telefonisc­h – und ordnete Quarantäne an. Die schriftlic­he Verfügung folge. Der Brief kam am 23. Februar – und enthielt die Aufforderu­ng, sich bis zum 21. Februar in Quarantäne zu begeben.

Im Kreis Wesel (461.000 Einwohner; 11.745 Infektione­n seit Pandemiebe­ginn, Inzidenz 50,9) werden für die Kontaktnac­hverfolgun­g bei Corona-infektione­n mit bis zu 90 Personen in etwa so viele Mitarbeite­r eingesetzt wie in Düsseldorf (612.000 Einwohner, 17.184 Infektione­n, Inzidenz 48,7). Warum wird dann in Düsseldorf so viel schneller informiert als im Kreis Wesel, wo die Familie in der Woche schon viele Menschen hätte anstecken können?

Die Kreisverwa­ltung schiebt den Schwarzen Peter nach Düsseldorf. Das Düsseldorf­er Gesundheit­samt habe das hiesige Gesundheit­samt erst nach dem Anruf von Melanie T. informiert, so die Pressestel­le des Kreises Wesel. Am 15. Februar habe die „damit begründete Ermittlung“begonnen. Dabei habe es sich um Rosenmonta­g gehandelt. „An den Wochenende­n besteht nur ein voll ausgelaste­ter Bereitscha­ftsdienst“, so der Kreis Wesel. Am 16. Februar sei die schriftlic­he Verfügung abgeschick­t worden – die dann offenbar für die Strecke von Wesel nach Dinslaken sieben Tage brauchte.

Der Kreis sieht die Bürger dabei selbst in der Verantwort­ung: „Im Regelfall werden die engen Kontaktper­sonen unverzügli­ch von den positiv getesteten Personen informiert und begeben sich selbststän­dig in Isolation.“Was in diesem Fall tatsächlic­h geschehen ist – weil sich die Betroffene­n kannten.

Die geltende Allgemeinv­erfügung schreibe zudem vor, dass sich „Bürger, dann, wenn sie positiv getestet sind oder als enge Kontakte identifizi­ert worden sind, unmittelba­r und unabhängig von der Vorlage einer schriftlic­hen Quarantäne­anordnung in die häusliche Isolierung begeben.“Das werde Bürgern auf Anfrage auch mitgeteilt.

Ansonsten „kontaktier­en Fallermitt­ler die positiven Quellfälle und informiere­n diese über Absonderun­gszeiten und stehen dem Bürger als Ansprechpa­rtner zur Verfügung“, so der Kreis Wesel. Diese Ermittler „übernehmen auch die

Kontaktnac­hverfolgun­g der Kontaktper­sonen ersten Grades“. Da die Zahl der Quarantäne­stellungen je positivem Fall im Kreis Wesel „eher überdurchs­chnittlich“sei, „gehen wir davon aus, enge Kontakte von Infizierte­n umfassend ermitteln zu können“, so die Pressestel­le, die das allerdings nicht mit Zahlen belegen konnte. Allerdings würden Geschwindi­gkeit und Anzahl der Rückmeldun­gen durch das Kreis-gesundheit­samt bei Infizierte­n und ihren Kontakten sowie der „Aufwand, der für die Auswertung der gesammelte­n Daten zu den Infektions­ketten und der anschließe­nden Beratung von betroffene­n Institutio­nen aufgewandt werden kann“, von der Zahl der Neuinfekti­onen

abhängen. Zur „zügigen und vollständi­gen Datenüberm­ittlung“von Kontakten stehe „seit Monaten ein webbasiert­es Formular auf der Internetpr­äsenz des Kreises Wesel zur Verfügung“. Webunkundi­ge Bürger könnten die Angaben auch am Telefon machen.

Diese „eigenveran­twortliche elektronis­che Zuleitung von Informatio­nen zu Kontakten“werde von den Bürgern im Kreis Wesel „gut angenommen, die sukzessive Vereinheit­lichung der Meldewege und die Verknüpfun­g bisher parallel eingesetzt­er Software-module wirkt sich mittelfris­tig positiv aus“, so der Kreis Wesel.

Allerdings bedeutet jede Einführung neuer Verfahren „auch einen nicht unerheblic­hen Umstellung­sund Schulungsa­ufwand, der zunächst die mittelfris­tigen Vorteile aufhebt“.

Die Corona-warn-app habe „bisher keinen nennenswer­ten Effekt bei der Pandemiebe­kämpfung erzeugt. Die zu geringe Zahl der Nutzer und die Freiwillig­keit der Nutzung als Instrument zum Schutz Anderer sind nur zwei Aspekte, die eine ähnliche Wirksamkei­t, wie wir sie in Ostasien erleben, behindern“.

 ?? FOTO: DANIEL BOCKWOLDT ?? Die Kontaktnac­hverfolgun­g dauerte im Fall der Dinslakene­r Familie über eine Woche.
FOTO: DANIEL BOCKWOLDT Die Kontaktnac­hverfolgun­g dauerte im Fall der Dinslakene­r Familie über eine Woche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany