Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
2300 Impfdosen blieben ungenutzt
Während der Anteil der Mutationen an den Positivtests in Duisburg weiter steigt, blieben 2300 Impfdosen in der vergangenen Woche im Zentrallager. Christoph Herrmann vom Apothekerverband plädiert für mehr Pragmatismus.
Als pharmazeutischer Leiter des Impfzentrums im Theater am Marientor ( TAM) kann Christoph Herrmann nicht verstehen, warum bei der Verteilung der Impfdosen eine derart rigorose Priorisierung gilt. Denn am Ende bleiben Vakzine ungenutzt, obwohl man sie hätte verimpfen können. „Wenn ein über 80-Jähriger bei seinem Impftermin im TAM von einem betreuenden Verwandten begleitet wird, der selbst chronisch krank ist und eine Impfung ganz sicher verdient hätte, dürfen wir trotzdem nichts tun – wir würden uns sonst unter Umständen strafbar machen“, sagt Herrmann.
Er kann deshalb auch die Diskussion um „Impfdrängler“nicht nachvollziehen. „Jede Impfung ist besser, als Impfstoff liegen zu lassen.“2300 Impfdosen sind in der vergangenen Woche in Duisburg im Zentrallager liegen geblieben, obwohl sie hätten verimpft werden können. Durch den Einsatz der Software „Impfbrücke“eines Kölner Start-up-unternehmens soll dieses Problem nun aber entschärft werden.
Mittels dieser Software wird nach dem Zufallsprinzip die Verimpfung von einigen wenigen Restmengen organisiert, die bereits aufgezogen sind und daher zeitnah verimpft werden müssen, damit sie nicht verfallen. „Hierbei werden ausschließlich Personen berücksichtigt, die nach der aktuell zugelassenen Prioritätengruppe nach der Coronaimpfverordnung zur Impfung zugelassen sind und vorab von uns informiert wurden“, teilte die Stadt Duisburg am Dienstag mit. Eine Registrierung oder Berücksichtigung von Interessenten „außerhalb der priorisierten Gruppe“hierfür sei nicht möglich.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein hat von dem Duisburger Modell Notiz genommen – und prüft nun eine Verwendung im gesamten Bezirk. „Diese Anwendungen können nach unserer Meinung bei der medizinisch sinnvollen und prioritätsgerechten Verimpfung etwaiger Restbestände an Impfdosen grundsätzlich eine Ergänzung örtlicher Register oder Strukturen sein“, sagt ein Sprecher der KV. Man bewerte die Services aktuell intern, ob und wie möglicherweise eine Nutzung auch über die KV erfolgen kann. Details stünden noch nicht fest. Wichtig sei allerdings, dass die Impfreihenfolge mit der Technik weiter eingehalten wird. „Auch diesen Services sollten aber unbedingt die geltende priorisierte Impfreihenfolge zu Grunde liegen. Die Nutzung einer App oder eines Sms-services darf nicht die medizinisch begründete Impfreihenfolge aushebeln.“
Hintergrund ist ein gut beherrschtes „Handwerk“der Impfenden: „Aus einer Ampulle von Biontech/ Pfizer können wir manchmal sechs, manchmal aber auch sieben Impfdosen ziehen“, so Herrmann. So könnten aus 50 Ampullen 300 Impfdosen werden – manchmal sind es aber auch 325. Entsprechend mehr Impflinge müssen dann in kurzer Zeit behandelt werden können. Dazu kommt, dass sich zu wenig Impfberechtigte anmelden, obwohl eigentlich der Impfstoff Astrazeneca zur Verfügung stünde.
Wer (noch) nicht geimpft werden kann, setzt vielleicht zunächst auf Corona-schnelltests. Bis zu zwei pro Woche könnten gratis für jeden Bürger zur Verfügung gestellt werden, so die Vorstellung der Bundesregierung. Dass dies durch Fachpersonal in Apotheken durchgeführt wird, ist allerdings nicht anzunehmen. Derartige Antigen-schnelltests bietet wie berichtet seit einigen Wochen zum Beispiel Gundula Levering in einem separaten Raum in der Industrie-apotheke an der Friedrich-alfred-straße in Rheinhausen an. Allerdings müssen Kunden dort dafür auch bezahlen.
Dass Apotheken in Duisburg flächendeckend Gratis-schnelltests anbieten werden, hält Christoph Herrmann indes für unwahrscheinlich. „Dazu gibt es keine klaren Vorgaben. Wer keine geeigneten Räume dafür hat, müsste vielleicht draußen ein Zelt aufstellen oder ein benachbartes Lokal anmieten – das wäre eine viel zu große Investition angesichts von acht Euro Vergütung für eine Testabnahme. Schließlich muss sich der Testende zuvor auch noch entsprechende Schutzkleidung anziehen.
Auch mit den Selbsttests ließe sich momentan noch nicht viel bewegen. „Ich habe welche vorrätig“, so Herrmann, der selbst mehrere Apotheken betreibt, unter anderem die Hubertus-apotheke in Großenbaum. Sein Problem: Die von ihm im Vorfeld besorgten sind noch nicht zugelassen. „Und die zugelassenen sind für uns im Handel nicht zu bekommen, obwohl wir schon regelrecht Klimmzüge gemacht haben.“