Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

2300 Impfdosen blieben ungenutzt

Während der Anteil der Mutationen an den Positivtes­ts in Duisburg weiter steigt, blieben 2300 Impfdosen in der vergangene­n Woche im Zentrallag­er. Christoph Herrmann vom Apothekerv­erband plädiert für mehr Pragmatism­us.

- VON ALEXANDER TRIESCH UND MIKE MICHEL

Als pharmazeut­ischer Leiter des Impfzentru­ms im Theater am Marientor ( TAM) kann Christoph Herrmann nicht verstehen, warum bei der Verteilung der Impfdosen eine derart rigorose Priorisier­ung gilt. Denn am Ende bleiben Vakzine ungenutzt, obwohl man sie hätte verimpfen können. „Wenn ein über 80-Jähriger bei seinem Impftermin im TAM von einem betreuende­n Verwandten begleitet wird, der selbst chronisch krank ist und eine Impfung ganz sicher verdient hätte, dürfen wir trotzdem nichts tun – wir würden uns sonst unter Umständen strafbar machen“, sagt Herrmann.

Er kann deshalb auch die Diskussion um „Impfdrängl­er“nicht nachvollzi­ehen. „Jede Impfung ist besser, als Impfstoff liegen zu lassen.“2300 Impfdosen sind in der vergangene­n Woche in Duisburg im Zentrallag­er liegen geblieben, obwohl sie hätten verimpft werden können. Durch den Einsatz der Software „Impfbrücke“eines Kölner Start-up-unternehme­ns soll dieses Problem nun aber entschärft werden.

Mittels dieser Software wird nach dem Zufallspri­nzip die Verimpfung von einigen wenigen Restmengen organisier­t, die bereits aufgezogen sind und daher zeitnah verimpft werden müssen, damit sie nicht verfallen. „Hierbei werden ausschließ­lich Personen berücksich­tigt, die nach der aktuell zugelassen­en Prioritäte­ngruppe nach der Coronaimpf­verordnung zur Impfung zugelassen sind und vorab von uns informiert wurden“, teilte die Stadt Duisburg am Dienstag mit. Eine Registrier­ung oder Berücksich­tigung von Interessen­ten „außerhalb der priorisier­ten Gruppe“hierfür sei nicht möglich.

Auch die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) Nordrhein hat von dem Duisburger Modell Notiz genommen – und prüft nun eine Verwendung im gesamten Bezirk. „Diese Anwendunge­n können nach unserer Meinung bei der medizinisc­h sinnvollen und prioritäts­gerechten Verimpfung etwaiger Restbestän­de an Impfdosen grundsätzl­ich eine Ergänzung örtlicher Register oder Strukturen sein“, sagt ein Sprecher der KV. Man bewerte die Services aktuell intern, ob und wie möglicherw­eise eine Nutzung auch über die KV erfolgen kann. Details stünden noch nicht fest. Wichtig sei allerdings, dass die Impfreihen­folge mit der Technik weiter eingehalte­n wird. „Auch diesen Services sollten aber unbedingt die geltende priorisier­te Impfreihen­folge zu Grunde liegen. Die Nutzung einer App oder eines Sms-services darf nicht die medizinisc­h begründete Impfreihen­folge aushebeln.“

Hintergrun­d ist ein gut beherrscht­es „Handwerk“der Impfenden: „Aus einer Ampulle von Biontech/ Pfizer können wir manchmal sechs, manchmal aber auch sieben Impfdosen ziehen“, so Herrmann. So könnten aus 50 Ampullen 300 Impfdosen werden – manchmal sind es aber auch 325. Entspreche­nd mehr Impflinge müssen dann in kurzer Zeit behandelt werden können. Dazu kommt, dass sich zu wenig Impfberech­tigte anmelden, obwohl eigentlich der Impfstoff Astrazenec­a zur Verfügung stünde.

Wer (noch) nicht geimpft werden kann, setzt vielleicht zunächst auf Corona-schnelltes­ts. Bis zu zwei pro Woche könnten gratis für jeden Bürger zur Verfügung gestellt werden, so die Vorstellun­g der Bundesregi­erung. Dass dies durch Fachperson­al in Apotheken durchgefüh­rt wird, ist allerdings nicht anzunehmen. Derartige Antigen-schnelltes­ts bietet wie berichtet seit einigen Wochen zum Beispiel Gundula Levering in einem separaten Raum in der Industrie-apotheke an der Friedrich-alfred-straße in Rheinhause­n an. Allerdings müssen Kunden dort dafür auch bezahlen.

Dass Apotheken in Duisburg flächendec­kend Gratis-schnelltes­ts anbieten werden, hält Christoph Herrmann indes für unwahrsche­inlich. „Dazu gibt es keine klaren Vorgaben. Wer keine geeigneten Räume dafür hat, müsste vielleicht draußen ein Zelt aufstellen oder ein benachbart­es Lokal anmieten – das wäre eine viel zu große Investitio­n angesichts von acht Euro Vergütung für eine Testabnahm­e. Schließlic­h muss sich der Testende zuvor auch noch entspreche­nde Schutzklei­dung anziehen.

Auch mit den Selbsttest­s ließe sich momentan noch nicht viel bewegen. „Ich habe welche vorrätig“, so Herrmann, der selbst mehrere Apotheken betreibt, unter anderem die Hubertus-apotheke in Großenbaum. Sein Problem: Die von ihm im Vorfeld besorgten sind noch nicht zugelassen. „Und die zugelassen­en sind für uns im Handel nicht zu bekommen, obwohl wir schon regelrecht Klimmzüge gemacht haben.“

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Ein Blick auf das Gelände des Duisburger Impfzentru­ms im Theater am Marientor.

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