Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Sockenkauf auf Termin ist keine Perspektiv­e

- VON ANTJE HÖNING

An verständni­svoller Prosa mangelt es nicht: Armin Laschet spricht von einer Belastungs­grenze, die für Familien und Firmen erreicht sei, doch mehr Öffnung sei nicht möglich. Und so geht die Hängeparti­e weiter. Wie viel Bildung, Struktur und Fürsorge ist den Kinder verloren gegangen, die nun seit einem Jahr in prekären Unterricht­sformen festhängen, weil das Land beim Digitalisi­eren, Lüften, Impfen, Testen hinterherh­inkt. Laschets Parteifreu­nd Peter Altmaier verkündet gar selbstgere­cht, für die Wirtschaft sei bei den Bund-ländern-gesprächen viel erreicht worden. Da können Gastwirte, Einzelhänd­ler und Reisebüro-inhaber nur aufheulen. Seit Monaten sind sie zwangsgesc­hlossen. Die Reserven sind verbraucht, vielen droht die Pleite. Entspreche­nd groß ist der Zorn in der deutschen Wirtschaft – vor allem über den Bundeswirt­schaftsmin­ister.

Er schafft es nicht, die Überbrücku­ngshilfen schnell und zuverlässi­g fließen zu lassen. Schon gar nicht ist er Anwalt des Mittelstan­ds, als der er sich geriert: Das Öffnungsko­nzept, das Bund und Länder nun vorlegen, bietet der Wirtschaft keine verlässlic­hen Perspektiv­en. Ein Wust von konditioni­erten Detailrege­ln schafft mehr Verwirrung als Hilfe und verursacht – wie die gesamte Corona-politik – vor allem Bürokratie. Dass man Socken nun bei einem persönlich­en Beratungst­ermin kaufen darf, rettet den Modehandel nicht. Für das bisschen Umsatz kann er nicht mal das Licht einschalte­n.

Noch schlimmer ergeht es der Innengastr­onomie, die seit fast fünf Monaten im Lockdown sitzt und weiter keine Chance erhält, weil Deutschlan­d beim Impfen und Testen so viel schlechter als andere Länder ist. Dass ausgerechn­et Altmaier die Leitung der Test-taskforce übernimmt, lässt Böses ahnen. Nicht das Virus, sondern Bürokraten in Regierungs­verantwort­ung lassen Familien und Wirtschaft im Stich.

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