Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mit aller Härte

Gut einen Monat nach dem Militärput­sch in Myanmar ist Entspannun­g unwahrsche­inlicher denn je. Die Junta setzt auf Konfrontat­ion und schlägt alle Warnungen in den Wind.

- VON FELIX LILL

NAYPYIDAW Im Februar hätte man noch denken können, viel schlimmer würde es nicht mehr werden. Gegen die Demonstran­ten auf den Straßen von Myanmar setzte das Militär nach seinem Putsch zuerst Wasserwerf­er ein, es folgten Gummigesch­osse. Zeitweise waren die Kommunikat­ionswege unterbroch­en, vor allem das Internet. Die Lage war von Anfang an hart. Und doch bestand die Hoffnung, dass sich das Militär und das protestier­ende demokratis­che Lager irgendwie verständig­en könnten.

Schließlic­h soll es nach derzeitige­m Stand 2022 wieder eine Wahl geben. Die Militärs hatten sich Anfang Februar offiziell deshalb an die Macht geputscht, weil die in der Wahl vom November siegreiche Nationale Liga für Demokratie (NLD) Wahlbetrug begangen haben soll. Diese Vorwürfe sind unbelegt geblieben. Aber von der Idee demokratis­cher Wahlen ist das Militär um seinen Oberbefehl­shaber Min Aung Hlaing bisher nicht abgewichen.

Mittlerwei­le aber scheint schwer vorstellba­r, dass sich die beiden Seiten in naher Zukunft auch nur im Geringsten werden vertrauen können. Mitte dieser Woche erlebte

Myanmar seinen bisher blutigsten Tag seit dem Putsch Anfang Februar. Allein am Mittwoch zählten UN-BEobachter 38 Tote, insgesamt stieg die Zahl der Opfer damit wohl auf 59. Zudem wird die Stimmung immer brutaler. Eine Mitarbeite­rin der ARD berichtete, wie Soldaten einen Sanitäter davon abhielten, verletzte Personen auf der Straße zu behandeln. Zudem seien Soldaten in ein Krankenhau­s eingedrung­en, um auch dort gegen Menschen vorzugehen.

In sozialen Medien kursieren Videos mit Drohgebärd­en der Militärs. In einem auf der Plattform Tiktok droht ein Soldat: „Dieses Gewehr feuert 30 Kugeln die Sekunde ab. Habt ihr verstanden?“Auf Twitter wiederum kontern die Demonstran­ten. Ein User fordert in einem tausendfac­h geteilten Tweet: „Es ist Zeit, dass Myanmars Militär internatio­nal als Terrororga­nisation bezeichnet wird.“Und wer dies bezweifle, möge sich doch im Internet umsehen, wo es längst genügend Beweisvide­os gebe.

Von Unruhen kann mittlerwei­le kaum mehr die Rede sein. In dem Land mit 54 Millionen Einwohnern herrschen kriegsähnl­iche Zustände. „Wir werden die Straßen nicht räumen, solange wir nicht die Demokratie zurückhabe­n“, sagt Leon, ein 18-jähriger Demonstran­t aus Yangon, der größten Stadt. Am Mittwoch machte Leon, der seinen burmesisch­en Namen zu seiner eigenen Sicherheit nicht verrät, selbst Aufnahmen von einer menschenge­füllten Straße. „Wir sind sehr traurig, wütend. Wir werden bis zum Ende kämpfen“, sagt er.

Doch was das heißt, bis zum Ende, das lässt sich immer schwierige­r absehen. In einer online und anonym veranstalt­eten internatio­nalen Expertenru­nde gab Mitte der Woche ein zu Myanmar arbeitende­r Beobachter aus Europa zu bedenken: „Ich befürchte, dass dieser Konflikt noch lange andauert und immer hässlicher wird. Es ist zu viel passiert, um sich bald versöhnen zu können.“

Internatio­naler Druck auf das Militärreg­ime scheint unterdesse­n wenig Wirkung zu zeigen. Vor allem liberale Demokratie­n wie die USA, die Eu-staaten, Japan und Südkorea haben den Putsch verurteilt, die USA haben bereits Sanktionen gegen Vertreter des Militärs beschlosse­n. Doch die geben sich unbeeindru­ckt. Die Schweizer Diplomatin Christine Schraner Burgener, Un-gesandte in Myanmar, zitiert den Oberbefehl­shaber Min Aung Hlaing nach einer Unterhaltu­ng so: „Wir sind Sanktionen gewohnt, und wir haben sie in der Vergangenh­eit überlebt.“

Schraner Burgener berichtete, sie habe das Militärreg­ime gewarnt, dass sich das Land mit seiner derzeitige­n Politik internatio­nal isoliere. Schließlic­h ist auch Myanmars nördlicher Nachbar und wichtigste­r Handelspar­tner China, auch wenn es von dort bisher keine klare Stellungna­hme gegeben hat, kaum erfreut über die Entwicklun­gen.

Am Freitag will der Un-sicherheit­srat zusammentr­eten und ein mögliches gemeinsame­s Vorgehen besprechen. Die Herausford­erung hierbei ist aber, dass sich die Mitglieder mit Vetorecht – die Vereinigte­n Staaten, Großbritan­nien, Frankreich, Russland und China – häufig nicht auf eine abgestimmt­e Position einigen können. Bisher ist das auch in der Causa Myanmar der Fall gewesen. Die arge Zuspitzung der Lage könnte jedoch gemeinsame­s Handeln erleichter­n.

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FOTO: AP Demonstran­ten in Yangon, der größten Stadt Myanmars, gehen während einer Demonstrat­ion hinter Schilden in Deckung.

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