Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Junge Menschen entdecken die Aktie
Deutsche interessieren sich mehr für die Anteilsscheine. Das zeigen neue Statistiken. Vor allem junge Menschen wagen sich an die Börse.
(rps) Zumindest in der Geldanlage hat die Corona-pandemie zu einem speziellen Wachstum geführt: Deutlich mehr Deutsche als zuvor haben die Aktie als Investment-instrument für sich entdeckt. Das ergeben die aktualisierten Aktionärszahlen, die das Deutsche Aktieninstitut für Deutschland veröffentlicht hat. 12,4 Millionen Menschen waren im Corona-jahr 2020 in Aktien investiert, wesentlich mehr als im Vorjahr. Insbesondere die junge Generation hat die Börse für sich entdeckt.
„Die Zahl der Aktiensparerinnen und Aktiensparer in Deutschland ist im letzten Jahr um 2,7 Millionen in die Höhe geschnellt. Das ist sensationell“, freut sich Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts. „Jeder Sechste in Deutschland hatte Aktien, Aktienfonds oder Aktien-etfs im Depot. Mehr Aktiensparerinnen und -sparer gab es zuletzt 2001.“
Die Aktionärszahlen erhebt das Deutsche Aktieninstitut seit 1997. Im Rahmen der Studie wird unter anderem ermittelt, wie viele Aktiensparerinnen und Aktiensparer es in Deutschland gibt, wie ihre geografische Verteilung ist und wie sich der Aktienbesitz über die verschiedenen Altersgruppen verteilt.
Das Corona-jahr hat den Aktienboom bei Jung und Alt befördert. Geplatzte Urlaube, geschlossene Restaurants und weniger Einkaufsbummel haben dazu geführt, dass den Menschen mehr Zeit und Geld zur Verfügung stand. Diese Zeit haben sie auch dafür verwandt, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen und Geld in Aktien, Fonds oder ETFS anzulegen. Vor allem im März und
April nutzten viele die niedrigen Börsenkurse als Chance für den Einstieg in den Aktienmarkt.
Besonders die Gruppe der unter 30-Jährigen war 2020 an der Börse sehr aktiv. Fast 600.000 junge Erwachsene wagten sich auf das Börsenparkett. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von fast 70 Prozent und damit der mit Abstand stärkste Anstieg aller in der Studie untersuchten Altersgruppen. Ein Grund für den Jugendboom scheint zu sein, dass smarte Apps und Anlegern den Einstieg in den Aktienmarkt erleichtern. Der Fondssparplan ist mit wenigen Klicks eingerichtet, Aktien sind mit ein paar Fingerbewegungen gekauft. „Die Aktienanlage hat über das Smartphone die Hosentasche erreicht“, kommentiert Bortenlänger die Entwicklung. Auch Influencer und Internetforen haben mit ihrer Kommunikation auf Augenhöhe das Thema Geldanlage für sich entdeckt. Dies trifft offenbar den Nerv vor allem der jungen Generation.
„Der letztjährige Boom bei den Aktionären ist ein gutes Zeichen für die Aktienkultur in Deutschland“, resümiert Bortenlänger. „Viele der Menschen, die 2020 in Aktien investiert haben, haben sich für das Sparen in Aktienfonds und Aktien-etfs entschieden. Sie wollen langfristig dabeibleiben.“Neuen Börsenbegeisterten rät Bortenlänger zu einer ruhigen Hand am Aktienmarkt. Am besten fährt, wer auf die bewährten Grundregeln der Aktienanlage vertraut: Langfristiges, kontinuierliches und breit gestreutes Sparen führt bei beherrschbaren Risiken zu hohen Erträgen. So kann man getrost auch ein zwischenzeitliches Börsentief aussitzen.
Bortenlänger appelliert an die Politik: „Damit noch mehr Menschen von den Renditevorteilen von Aktien profitieren können, braucht es bessere Rahmenbedingungen. Mitarbeiteraktien sollten noch mehr gefördert werden, Aktienerträge nach einer Haltefrist von fünf oder zehn Jahren steuerfrei sein, und Aktien müssen ein fester Baustein in der Altersvorsorge werden. Das wären wichtige Signale und richtige Schritte. Ob die Politik endlich den Mut dazu findet, wird die Bundestagswahl 2021 zeigen.“