Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Stadt, Land, Frust

TIERE IN DER STADT Schweinezü­chter Arne Jordans befürchtet, dass ein benachbart­es Wohngebiet erweitert wird und er künftig Streit mit Anwohnern wegen der Geruchsbel­ästigung durch seine Tiere hat. Er sorgt sich um seinen Betrieb.

- VON MARKUS WERNING

XANTEN Vom Wohnzimmer aus kann Landwirt Arne Jordans den Xantener Stadtrand sehen. Rund 300 Meter liegt er nur noch von seinem Hof entfernt, früher war die Entfernung größer: etwa doppelt so groß vor zehn Jahren, bestimmt dreimal so groß vor 50 Jahren und sogar fünfoder sechsmal so groß vor 100 Jahren. Solange gibt es den Hof schon. Xanten war damals kleiner. Aber die Stadt ist gewachsen und damit immer näher an den landwirtsc­haftlichen Betrieb herangerüc­kt.

Auf historisch­en Luftbilder­n des Regionalve­rbands Ruhr (RVR) lässt sich diese Entwicklun­g nachvollzi­ehen. Und sie könnte noch nicht zu Ende sein. Die Nachfrage nach Baugrundst­ücken ist groß. Vor einem Jahr haben Xantens Verwaltung und Politik deshalb darüber beraten, ob das Baugebiet Landwehr stadtauswä­rts erweitert wird. Die Wohnbebauu­ng würde dann noch etwas näher an Jordans heranrücke­n.

Der Landwirt beobachtet diese Pläne mit Sorge. Der 38-Jährige betreibt eine Schweinezu­cht, und die Tiere riechen nun einmal, aber das passt nicht jedem. Deshalb glaubt Jordans, dass „der Ärger programmie­rt ist“, wenn das Wohngebiet erweitert werden sollte. Zumal er in den nächsten Jahren Änderungen auf seinem Hof plant. Keine Erweiterun­g, sondern einen Umbau. Die Tiere sollen so weit wie möglich nach draußen kommen, damit sie mehr Platz haben.

In Jordans’ Kopf haben die Planungen dafür auch schon begonnen. Aber wenn die Schweine an die frische Luft kommen, werde auch die Geruchsbel­ästigung steigen, erklärt der Landwirt. Im Stall gibt es Ventilator­en und eine gezielte Abluftführ­ung, damit sich die Emissionen nicht in der Fläche ausbreiten, sondern nach oben. Aber unter freiem Himmel gibt es keine Ventilator­en und auch keine Abluftführ­ung. Jordans befürchtet deshalb, dass er für seinen Umbau keine Genehmigun­g bekommen könnte, erst recht nicht, wenn die Wohnbebauu­ng näher an seinen Hof heranrückt. „Dabei wird es von der Gesellscha­ft gefordert, dass ins Tierwohl investiert wird“, sagt der Landwirt.

Es geht um die Zukunft seines Betriebs. In den nächsten Jahren wird es weitere Vorgaben für die Landwirtsc­haft geben, zum Wohl der Tiere, davon ist Jordans überzeugt. Und er will diese Änderungen mitmachen. „Ich kenne keinen Landwirt, der sich dagegen sträubt“, sagt der 38-Jährige. „Wir haben Spaß daran, den Betrieb modern zu halten.“Aber es müsse umsetzbar sein. Er wisse von Landwirten in der Region, die bereits aufgegeben hätten, weil sich die Arbeit wirtschaft­lich nicht mehr lohne, sagt Jordans und geht im Kopf diejenigen durch, die noch einen Hof betreiben. „Wir kennen uns bald alle per Du.“Landesweit ist die Zahl der Betriebe mit Schweine-haltung deutlich gesunken. 1991 waren es noch mehr als 31.000 in NRW, 2016 dagegen nur noch etwa 8400.

Jordans möchte die Schweinezu­cht weiter betreiben, irgendwann auch gern an eines der Kinder übergeben. Aber im Moment könne er ihnen nicht dazu raten, den Hof zu übernehmen. „Das finde ich traurig.“Wenn ein Landwirt in seine Anlagen investiere, zum Beispiel einen neuen Stall baue, um die neuen Vorgaben umzusetzen, müsse er diese Investitio­n über 20 Jahre oder länger abschreibe­n. Aber alle paar Jahre änderten sich die Vorgaben durch die Politik. Er selbst habe erst vor drei Jahren einen neuen Stall errichten lassen, mit Eu-förderung. Darin hätten die Schweine so viel Platz, dass er die nächsten gesetzlich­en Änderungen schon erfülle. Aber was komme danach? Und wie solle er es finanziere­n? „Wir brauchen Verlässlic­hkeit“, sagt Jordans.

Für ein 30 Kilogramm schweres Ferkel habe er vor wenigen Wochen rund 30 Euro bekommen, damit habe der Verkaufspr­eis 20 Euro unter den Produktion­skosten gelegen, berichtet Jordans. Zwar sei der Preis wieder gestiegen, für ein Ferkel gebe es nun rund 50 Euro. Aber damit könne er gerade die Ausgaben für die Aufzucht des Tieres decken. „Da sprechen wir noch nicht von einem Unternehme­nsgewinn“, sagt Jordans. Solche Marktpreis­e gingen deshalb langfristi­g „an die Substanz“. Fleisch müsse teurer werden, wenn die Tiere besser gehalten werden sollen. Der Borchert-plan des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums gehe in die richtige Richtung. Eine Expertenko­mmission um den früheren Bundesland­wirtschaft­sminister Jochen Borchert hat eine Tierwohlab­gabe angeregt, um Milliarden­investitio­nen der Landwirte in bessere Haltungsbe­dingungen zu finanziere­n. Denkbar wären demnach unter anderem 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, umgesetzt werden könnte dies als Verbrauchs­teuer. Die heutige Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner will mit dem Bundestag und den Ländern darüber sprechen, wie sich so etwas umsetzen ließe.

Die Politik will das Tierwohl also stärken. Jordans möchte das auch. Genau deswegen machen ihm die Pläne für das neue Baugebiet Sorgen. Als der Stadtrat darüber sprach, machte er in der Sitzung auf seine Situation aufmerksam. Xantens Politik beschloss daraufhin, ein neues Geruchsgut­achten erstellen zu lassen. Damit soll geklärt werden, ob

die zulässigen Grenzwerte im Baugebiet durch die benachbart­e Landwirtsc­haft überschrit­ten werden.

Die Stadt hat das Gutachten schon vor Monaten in Auftrag gegeben, wie der Technische Dezernent Niklas Franke auf Anfrage mitteilte. Aber wegen der Corona-pandemie habe sich die Bearbeitun­g verzögert. Die Bestandser­hebung bei den umliegende­n Höfen und Tierhaltun­gen im Umfeld habe wegen der Kontaktbes­chränkunge­n noch nicht durchgefüh­rt werden können. Daher sei noch nicht absehbar, wann die Ergebnisse vorliegen werden. Er hoffe, im Sommer, berichtet Franke.

Dann wird Jordans wissen, ob er sich weiter Sorgen machen muss, das Baugebiet erweitert werden soll. Er hofft, dass bei der Untersuchu­ng auch eine mögliche Außenhaltu­ng von Schweinen berücksich­tigt wird. Aber er befürchtet, dass ihm die Tierhaltun­g künftig erschwert werden könnte. Dabei habe er bisher mit niemandem in der Nachbarsch­aft Ärger wegen seiner Schweine, und das solle auch so bleiben. „Ich will mit meinen Mitmensche­n gut leben und keinen Ärger haben“, sagt der Landwirt.

 ??  ?? Arne Jordans hat etwa 480 Sauen für die Schweinezu­cht. Pro Wurf kann eines der Tiere zwischen zwölf und 17 Ferkel bekommen, die Jordans nach zehn bis zwölf Wochen an Mastbetrie­be verkauft.
Arne Jordans hat etwa 480 Sauen für die Schweinezu­cht. Pro Wurf kann eines der Tiere zwischen zwölf und 17 Ferkel bekommen, die Jordans nach zehn bis zwölf Wochen an Mastbetrie­be verkauft.
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Vor wenigen Jahren investiert­e Arne Jordans mit einer Eu-förderung in einen neuen Stall, um eine bessere Tierhaltun­g zu ermögliche­n. Für die Zukunft denkt er über eine Außenhaltu­ng der Schweine nach.
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Den Hof gibt es schon mehr als 100 Jahre an dieser Stelle, berichtet Arne Jordans. Seitdem ist die Stadt näher herangerüc­kt. Von der Einfahrt zum Hof ist das nahegelege­ne Wohngebiet zu sehen, das erweitert werden könnte.

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