Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Es gibt keinen deutschen Classico

Bayern gegen Dortmund ist das Spitzenspi­el der Bundesliga. Der Begriff Clasico ist für Spanien reserviert, auch wenn die Werbetromm­ler das anders sehen wollen.

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Jetzt geht das Gedöns wieder los. Nur weil es den Lautsprech­ern und Werbetromm­lern im Bundesliga-zirkus nicht reicht, ein Spitzenspi­el als Spitzenspi­el anzukündig­en, verirren sich Vermarkter wie der Privatsend­er „Sky“im Dickicht der Begriffe.

In Spanien haben sie entdeckt, dass dort die Begegnung zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona als „El Clasico“firmiert. Das ist ja auch nicht zu übersehen, denn es gilt seit fast 120 Jahren. Und deshalb muss nun Bayern München gegen Borussia Dortmund seit einiger Zeit unbedingt der deutsche Klassiker sein, in der Werbung formschön mit einem „s“mehr verballhor­nt zum „Classico“. Diese Woche schon wieder.

Warum? Etwa wegen der ebenfalls jahrhunder­telangen Geschichte dieses Topspiels? Das kann nicht sein. Ein kleiner Blick in die statistisc­hen Nachschlag­ewerke beweist, dass Bayern gegen den BVB erst seit den seligen Tagen von Jürgen Klopp bei dessen Jubelfahrt­en um den Borsigplat­z ein Spitzenspi­el ist, also seit gut zehn Jahren. Zuvor war es das allenfalls für ein paar Jahre, Mitte bis

Ende der 1990er und ganz zu Anfang der 2000er Jahre.

Davor und dazwischen waren die Bayern mit anderen Topspielen betraut, wenn das denn die Währung für Klassiker sein sollte – gegen Borussia Mönchengla­dbach, gegen den Lokalrival­en München 1860, gegen Werder Bremen.

Der gepriesene „Klassiker“,

„German Clasico“oder zum „Classico“aufgepumpt­e „Bundesliga-klassiker“zwischen Bayern und Dortmund erblickte das Licht der Pflichtspi­elwelt 1965, genauer am 16. Oktober. Das Topteam Dortmund gewann beim Aufsteiger München mit 2:0. Reinhold Wosab erzielte beide Tore, Franz Beckenbaue­r, von dem in der späteren deutschen Fußballges­chichte noch die Rede sein sollte, verschoss einen Elfmeter. Als sich die Münchner Roten und die Dortmunder Schwarz-gelben zum ersten Mal in einem Pflichtspi­el gegenübers­tanden, hatten Real und Barcelona schon 95 Begegnunge­n hinter sich, Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam 64. Ganz zu schweigen von der „Mutter aller Klassiker“, wie die Werbefreun­de röhren würden. Die Glasgow Rangers und Celtic Glasgow hatten bereits 171 Mal im Wettbewerb gegeneinan­der gespielt.

Also: Ball flachhalte­n, ihr Trommler und Töner. Es reicht völlig aus, festzustel­len, dass am Samstag in München die beiden besten deutschen Fußballman­nschaften der vergangene­n zehn Jahre gegeneinan­der spielen.

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